Breite Mehrheit im Nationalrat für kleines Wahlrechtspaket
Wien (pk) - Ab dem Jahr 2018 wird es in Österreich ein Zentrales Wählerregister geben. Der Nationalrat
folgte am 10.11. den Empfehlungen des Verfassungsausschusses und stimmte mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit
einer entsprechenden Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien zu. Damit können Volksbegehren künftig
unabhängig vom Hauptwohnsitz in jedem Gemeindeamt unterstützt werden. Auch eine elektronische Unterschrift
per Handysignatur bzw. Bürgerkarte wird möglich sein. Das zentrale Register soll außerdem die Abwicklung
von Wahlen erleichtern und Pannen, etwa bei der Ausgabe von Briefwahlkarten, unterbinden. Durch einen Abänderungsantrag
wird klargestellt, dass auch Wählerdaten für Landtags- und Gemeinderatswahlen, etwa Hauptwohnsitz und
weitere Wohnsitze, im Zentralen Wählerregister gespeichert werden können.
Letztlich stimmten nur die NEOS und das Team Stronach gegen das Gesetzespaket. Nikolaus Scherak (N) und Christoph
Hagen (T) sehen nicht ein, warum künftig zwar die Unterstützung von Volksbegehren erleichtert wird, Unterstützungserklärungen
für Parteien, die bei Nationalrats- bzw. EU-Wahlen antreten wollen, aber nach wie vor am Heimat-Gemeindeamt
abgegeben werden müssen. Beide Parteien lehnten das Gesetz daher in Dritter Lesung – nach Zustimmung in Zweiter
Lesung – ab.
Mitbeschlossen mit der Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters haben die Abgeordneten auch erste Adaptierungen
im Wahlrecht. So werden in Reaktion auf die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl durch den Verfassungsgerichtshof
die Bestimmungen über die Öffnung und Auszählung von Wahlkarten praxisnäher gestaltet. Nicht
nur der Wahlleiter, sondern die gesamte Bezirkswahlbehörde kann entsprechend tätig werden, allenfalls
unter Beiziehung von Hilfsorganen. Zudem ist geplant, auch bei Nationalrats- und EU-Wahlen vorläufig zu den
alten Wahlkarten ohne Lasche zurückzukehren. Mittelfristig brauche es im Sinne des Datenschutzes jedoch eine
andere Lösung, sind sich die Abgeordneten einig und fordern die Regierung in diesem Sinn einhellig per Entschließung
auf, alternative Optionen vorzulegen.
Die Kosten für die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl übernehmen der Bund und die Länder:
Die Gemeinden werden für ihren Mehraufwand entsprechend entschädigt.
Zu einer kleinen Änderung kommt es schließlich bei den Regionalwahlkreisen. Grund dafür ist die
Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung. Die bisherigen Wahlkreise "Wien Umgebung" und "Niederösterreich
Süd-Ost" werden durch die Wahlkreise "Thermenregion" (3 F) mit den Bezirken Baden und Mödling
und "Niederösterreich Ost" (3 G) mit den Bezirken Bruck an der Leitha und Gänserndorf ersetzt.
Zentrales Wählerregister wird von allen Fraktionen begrüßt
Grundsätzlich wurde die Gesetzesinitiative von allen Fraktionen begrüßt. Die geplante einheitliche
Wählerevidenz sei Voraussetzung für eine künftige bessere Durchführung von Wahlen, betonte
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Sinnvoll findet er auch, dass es WählerInnen künftig ausdrücklich
gestattet ist, das Wahlkuvert selbst in die Urne einzuwerfen, ein Praxis, die bereits in der Vergangenheit gang
und gäbe war.
Weitere Änderungen im Wahlrecht sollen Schieder zufolge im 1. Halbjahr 2017 fixiert werden. Auch SPÖ-Verfassungssprecher
Peter Wittmann hob hervor, dass es sich beim vorliegenden Gesetzespaket nur um den ersten Schritt einer Wahlrechtsreform
handelt, dem weitere folgen sollen. Nachjustieren wird man seiner Meinung nach auch bei den Briefwahl-Kuverts müssen.
Seitens der ÖVP erinnerte Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl daran, dass seit drei Jahren über die Einführung
eines Zentralen Wählerregisters diskutiert werde. "Es ist eine tolle Sache, die wir hier machen",
bekräftigte er in Einklang mit seinen FraktionskollegInnen. Umso mehr bedauerte Gerstl, dass die NEOS das
Gesetzespaket ablehnen werden.
ÖVP-Abgeordneter Johann Singer begrüßte es, dass die Gemeinden künftig von der Pflicht befreit
werden, die Eintragungslokale für Volksbegehren auch am Sonntag offenzuhalten. Die Sonntagsöffnungszeiten
seien von BürgerInnen ohnehin kaum angenommen worden, machte er geltend. Erfreulich ist für ihn außerdem,
dass die Gemeinden für den durch die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl entstehenden Mehraufwand
entschädigt werden. Bei künftigen Wahlrechtsreformen sollte besonders auch auf die Praxistauglichkeit
der Bestimmungen geachtet werden.
Michaela Steinacker (V) nutzte die Debatte für Kritik an der Türkei. Diese habe in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit
längst rote Linien überschritten. An die Bevölkerung appellierte sie, bei der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl
vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.
ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer sieht es als große Herausforderung, die Menschen, vor allem
auch junge, zu den Urnen zu bringen. Schließlich sei das Wahlrecht das Herzstück der Demokratie. Eine
Selbstverständlichkeit ist für sie, dass auch besachwaltete Menschen ihr Wahlrecht ausüben können.
Immer wieder auftauchende Gerüchte über Unregelmäßigkeiten in Pflegheimen bei der Anforderung
und beim Ausfüllen von Briefwahlkarten sprach Nikolaus Berlakovich (V) an. Auch hier müsse Ordnung gemacht
werden, unterstrich er.
Wählerevidenz wird keine "Gesinnungsdatenbank"
Zustimmung der FPÖ zum Gesetzentwurf signalisierte Harald Stefan (F), auch wenn seiner Meinung nach mit dem
Zentralen Wählerregister nur einige wenige Probleme gelöst werden. Es werde lediglich eine bessere Datenqualität
geschaffen. Was weiter nicht möglich sein wird, sei, bei der Wahl in jedes beliebige Wahllokal zu gehen, um
dort seine Stimme abzugeben. Zufrieden ist Stefan damit, dass sichergestellt ist, dass das Wählerregister
keine "Gesinnungsdatenbank" wird, in der Unterstützungserklärungen für Parteien und Volksbegehren
oder die Teilnahme an Wahlen dauerhaft zentral gespeichert werden.
Für Stefan und seinen Parteikollegen Philipp Schrangl ist es mit dem vorliegenden Gesetzespaket aber nicht
getan. Sie drängten auf "eine echte Wahlrechtsreform", wobei ihrer Meinung nach das wesentlichste
Problem die Briefwahl ist. Bei der Briefwahl würden die Wahlgrundsätze nicht eingehalten, zudem habe
sich in der Praxis gezeigt, dass es schwierig sei, pannenfreie, ordnungsgemäße Wahlen durchzuführen,
sagte Stefan. Laut Schrangl wurden zuletzt mehr als 46.800 von 806.000 Briefwahlstimmen nicht gezählt, wobei
die Hauptgründe fehlende Unterschriften bzw. das zu frühe Abschicken von Wahlkarten waren. Er hält
die Briefwahl im Inland nicht für notwendig und will sie auf AuslandsösterreicherInnen beschränken.
Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser (G) qualifizierte die Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters
als eine längst notwendige Maßnahme. Besonders erfreulich ist für ihn, dass dadurch die elektronische
Zustimmung zu Volksbegehren ermöglicht wird. Sein Fraktionskollege Dieter Brosz fürchtet allerdings,
dass einzelne Länder ausscheren könnten und das zentrale Register bei Landtags- und Gemeinderatswahlen
bzw. Volksbegehren auf Landesebene nicht zum Einsatz kommen wird, da es keine Verpflichtung dazu gebe.
Ausdrücklich begrüßt wurden von Steinhauser überdies jene Änderungen im Wahlrecht, die
darauf abzielen, eine Wiederholung "des Desasters" bei der Bundespräsidenten-Stichwahl zu verhindern.
Briefwahl-Kuverts ohne Lasche könnten aber nicht der Weisheit letzter Schluss sei, betonte er mit Verweis
auf die vorliegende Entschließung. Als besonders bedenklich erachtet er dabei, dass nicht nur die Adresse,
sondern auch die Unterschrift des Wahlberechtigten öffentlich sichtbar ist. Generell skeptisch äußerte
sich Steinhauser zu E-Voting.
Keine Mehrheit für Zusatzantrag der NEOS
Auch Nikolaus Scherak qualifizierte die Einführung eines Zentralen Wählerregisters als positiv. Für
ihn ist es allerdings unverständlich, dass es künftig zwar möglich sein wird, Unterstützungserklärungen
für Volksbegehren in jedem Gemeindeamt abzugeben, nicht aber Unterstützungserklärungen für
KandidatInnen bei Bundespräsidentenwahlen bzw. für Parteien, die bei Nationalrats- oder Europawahlen
antreten wollen. Damit werde das Antreten neuer Parteien unnötig erschwert, kritisierte er. SPÖ und ÖVP
wollten offenbar alles tun, um "das rot-schwarze Machtkartell" einzuzementieren. Ein entsprechender Zusatzantrag
der NEOS fand bei der Abstimmung allerdings nicht die erforderliche Mehrheit.
Verständnis für das Anliegen der NEOS äußerte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann.
Er kritisierte allerdings, dass der Zusatzantrag mit der Zustimmung zum Zentralen Wählerregister junktimiert
wird. Die Aussage Scheraks, dass sich viele Menschen scheuen, neue Parteien in ihrer Heimatgemeinde zu unterstützen,
weil ihnen dadurch Nachteile drohen, wies die ÖVP strikt zurück. Das sei eine haltlose Unterstellung
gegenüber den Bürgermeistern, meinten die Abgeordneten Gerstl, Singer und Berlakovich unisono. Auf entsprechende
Erfahrungen in der Praxis verwiesen neben Scherak allerdings auch die anderen Oppositionsparteien und unterstützten
in diesem Sinn den Antrag der NEOS. Es sei ein Fundament der Demokratie, dass engagierte BürgerInnen bei Wahlen
antreten können, hielt etwa Leopold Steinbichler vom Team Stronach dazu fest.
Christoph Hagen betonte, dass das Team Stronach nicht grundsätzlich gegen das vorliegende Wahlrechtspaket
sei, dieses jedoch einige kleine Mängel habe, wobei er sich ausdrücklich der Kritik der NEOS anschloss.
Zur Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten merkte Hagen an, er sehe das nicht so negativ wie viele KommentatorInnen.
Die Entscheidung des Volkes, des Souveräns, sei ernst zu nehmen. Hagen erwartet sich unter anderem eine Entspannung
des Verhältnisses des Westens zu Russland durch Trumps Wahl.
Innenminister Wolfgang Sobotka wies darauf hin, dass die Beantragung einer Wahlkarte für eine fremde Person
und die Angabe falscher Daten ein Straftatbestand sei. Erfreut äußerte er sich über die breite
Zustimmung zur Einrichtung einer Zentralen Wählerevidenz.
Zu Beginn der Sitzung war Martina Schenk anstelle von Christoph Hagen zu einer der OrdnerInnen des Nationalrats
gewählt worden.
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