Schelling: Abschaffung der kalten
 Progression würde Wachstum stärken

 

erstellt am
11. 11. 16
11:00 MEZ

Nationalrat: Fragestunde über Steuerreform, Hypo und Finanzausgleich
Wien (pk) - Die budgetären Folgen des Hypo Alpe Adria-Desasters sowie die politischen Konsequenzen aus den Ergebnissen der parlamentarischen Untersuchungen sowie die ökonomischen, fiskalischen und sozialen Auswirkungen der Steuerreform waren am 10.11. Themen in der Fragestunde des Nationalrats mit Finanzminister Hans Jörg Schelling. Debattiert wurde auch über die Vorschläge des Finanzministers gegen die "kalte Progression" und solche der SPÖ für eine Reform der Besteuerung multinationaler Unternehmen. Kritik der FPÖ richtete sich gegen Steuergestaltungen bei Luxusimmobilien durch GmbH-Modelle. Informationen aus erster Hand wollten die Mandatare auch über Probleme bei italienischen Banken sowie über die Wachstums- und Beschäftigungsimpulse durch eine KMU-Investitionszuwachsprämie. Sorge bereiteten mögliche Einschränkungen bei Unternehmensfinanzierungen durch eine neue Kapitaluntergrenze ("Capital Floor") bei Banken, über die unter dem Titel "Basel IV" diskutiert wird.

Ob der kürzlich neu paktierte Finanzausgleich tatsächlich ein "großer Wurf" ist oder ob nicht Schwachstellen des Kompromisses mit Ländern und Gemeinden – Stichwort verfehlte Aufgabenreform - nicht weiterhin zur Verschwendung von Steuermitteln führen kann, war eine heftig diskutierte Frage zwischen Finanzminister Hans Jörg Schelling und Oppositionsabgeordneten.

Das Hypo-Desaster – budgetäre Folgen und politische Konsequenzen
SPÖ-Abgeordnetem Kai Jan Krainer, der die budgetären Folgen der Causa Hypo Alpe Adria thematisierte und Grün-Mandatar Werner Kogler, der auf Konsequenzen des Finanzminister aus den Ergebnissen des Hypo-Untersuchungsausschusses drängte, nannte der Finanzminister den Betrag von insgesamt rund 8,9 Mrd. € an budgetären Kosten und teilte die Kritik an der FPÖ, die nach wie vor kein Bemühen zeige, an der Reduzierung des Schadens mitzuwirken. Demgegenüber erinnerte Erwin Angerer (F) an die Budgetbelastungen durch den Rückkauf der Bank und die negativen Konsequenzen der Verhinderung der Errichtung einer Bad Bank durch die ehemalige Finanzministerin Maria Fekter.

An Vorschlägen für rechtliche Konsequenzen aus den Ergebnissen des Hypo- Untersuchungsausschusses arbeite eine gemeinsame Kommission Finanzministerium/ Bundeskanzleramt. Eine neue Aufsichtsarchitektur soll Schnittstellenprobleme auf allen Ebenen der Bankenaufsicht lösen. Für Staatskommissäre ist eine Ausbildungspflicht vorgesehen und überdies führe er Gespräche mit dem Justizminister über das vom Anfragesteller geforderte Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, sagte Schelling, der auch Nachschärfungen bei den Wirtschaftsprüfern nicht ausschloss, sollten sich solche als notwendig herausstellen. Bei den Landes-Hypos erwartet der Finanzminister künftig eine Konzentration auf deren Kerngeschäft und überdies eine Renaissance der Pfandbriefe.

Positive Auswirkungen der Steuerreform – mehr Konsum und Wachstum
Die positiven Auswirkungen der Steuerreform erklärte Schelling Markus Vogl von der SPÖ. Sie entlaste den Faktor Arbeit, stärke den Konsum, erhöhe das Wachstum bis 2019 um bis zu 0,9 Prozentpunkte und löse zusätzliche Investitionen aus. Von einer automatischen Abgeltung der Kalten Progression erwarte er sich zusätzlich mehr Kaufkraft, mehr Konsum und positive Wachstumseffekte, fügte Schelling hinzu.

Gegenüber Rainer Hable (N), der eine Analyse des Budgetdienstes zitierte und Lücken in der Gegenfinanzierung der Steuerreform thematisierte, führte Schelling aus, dass die Budgetziele des Jahres 2016 eingehalten werden. Mehr noch, das Maastricht-Defizit werde mit 1,4% des BIP um 0,2 Prozentpunkte unter dem Voranschlag liegen, fügte der Minister hinzu. Einem Ansteigen der Auszahlungen wirke er mit einem strikten Budgetvollzug entgegen, der im kommenden Jahr fortgesetzt werden soll. Budgetäre Befürchtungen von Leopold Steinbichler (T) wegen hoher Flüchtlingskosten zerstreute Schelling mit dem Hinweis auf die Berücksichtigung dieser Kosten bei der Berechnung des strukturellen Defizits durch die EU.

Auf die Frage Dorothea Schittenhelms (V) nach der Belastung der SteuerzahlerInnen durch die Kalte Progression nannte der Finanzminister den Betrag von 400 Mio. € jährlich und plädierte für eine permanente Abgeltung der Inflation auf allen Tarifstufen – mit Ausnahme von Zeiten besonders schlechten Wachstums.

Der Kritik Bruno Rossmanns (G), die Steuerreform habe die von der Inflation besonders betroffenen niedrigen Einkommen zu wenig entlastet, entgegnete Schelling mit dem Hinweis auf die von Rossmann unberücksichtigt gebliebenen Transferleistungen – Schelling sah an dieser Stelle keinen Anlass, seinen Vorschlag zur Überwindung der Kalten Progression zu ändern.

Gegenüber Vorschlägen von Christoph Matznetter (S), statt der Gruppenbesteuerung bei multinationalen Unternehmen die Steuerleistungen des Unternehmens in anderen Ländern zu berücksichtigen, hält Finanzminister Schelling aus rechtlichen Gründen und wegen Problemen bei der Verlustberücksichtigung für nicht umsetzbar. Schelling zeigte sich offen für Vorschläge, die auf die Einschränkung von Steuergestaltungsmöglichkeiten abzielen, stellte aber zugleich fest, dass die reformierte Gruppenbesteuerung für den Wirtschaftsstandort Österreich wichtig sei.

FPÖ-Abgeordneter Hubert Fuchs kritisierte Gestaltungsmöglichkeiten bei der Besteuerung von Luxusimmobilien mit Hilfe von GmbH. Finanzminister Hans Jörg Schelling erklärte, dass Kapitalgesellschaften bei der Errichtung und Vermietung von Luxusvillen nur dann einen Vorsteuerabzug geltend machen können, wenn sie eine unternehmerische Tätigkeit nachweisen. Die komplexen rechtlichen Fragen dieses Themas werden derzeit von Experten geprüft, informierte Schelling.

Die extreme Abhängigkeit österreichischer Klein- und Mittelbetriebe von Bankkrediten bei der Finanzierung ihrer Investitionen bereitete Werner Groiß (V) einmal mehr auch deshalb Sorgen, weil unter dem Titel "Basel IV" über neue Verschärfungen bei den Bedingungen für Bankkredite diskutiert werde. Österreich, das nicht Mitglied des Basler BIZ-Ausschusses sei, wende sich im Rahmen der EU entschieden gegen Verschlechterungen, teilte der Finanzminister an dieser Stelle mit und informierte zugleich über die Berücksichtigung der Interessen von KMU bei den internationalen Vorschriften für die Besicherung von Bankkrediten.

Gabriel Obernosterer (V), der die Entlastung von Wirtschaft und Arbeit durch die Steuerreform hervorhob erfuhr vom Finanzminister, dass die Investitions-Zuwachsprämie für Kleine- und mittlere Unternehmen in zwei Tranchen mit einer Gesamtsumme von 175 Mio. € ausbezahlt werden soll, wovon sich Schelling einen Investitionszuwachs von 1,2 Mrd. € erwartet. Mit Obernosterer wusste sich der Finanzminister darin einig, dass Deregulierungen, etwa Erleichterungen bei Adressänderungen, elektronische Formulare und andere Entbürokratisierungsmaßnahmen nicht nur die Kosten bei den Unternehmen senken, sondern auch zu emotionalen Entlastungen führen, die das Investitionsklima begünstigen.

Sorgen wegen der Probleme Italiens mit seinem Bankensektor äußerte schließlich Axel Kassegger (F) und wies darauf hin, dass die Gefahren für die Eurozone in Falle Italiens mindestens zehnmal größer wären als im Falle Griechenlands. Der Finanzminister räumte Probleme bei italienischen Banken ein – bislang habe Italien aber keinen Antrag auf europäische Hilfe beantragt, teilte er mit.

Was kann der neue Finanzausgleich?
Kritik an Schwachstellen im neu paktierten Finanzausgleich kam von Oppositionsabgeordneten. Fortgesetzte Verschwendung von Steuermitteln befürchtete etwa Bruno Rossmann von den Grünen, der Schellings Bewertung des aktuellen Bund-Länder-Gemeinden-Kompromisses als "großen Wurf" ablehnte und meinte, Schelling sei vor den "Landesfürsten" eingeknickt. Robert Lugar (T) Kritik am neuen Finanzausgleich galt dem Verfehlen der geplanten Aufgabenreform bei den Ländern.

Finanzminister Hans Jörg Schelling hingegen sah durch den neuen Finanzausgleich Bewegung in ein starres System kommen, das man nicht auf einen Schlag reformieren könne. Auch könne eine Reform des Finanzausgleichs auch nicht eine Bundesstaatsreform ersetzen, sagte Schelling und erinnerte an die von ihm hochgeschätzten Vorschläge des Österreich Konvent. Mit der Aufgabenorientierung bei Kindergärten und Pflichtschulen werde ein wichtiger erster Schritt gesetzt. Dasselbe gelte für die Steuerautonomie der Länder bei der Wohnbauförderung und eine einheitliche Bauordnung. Der Kostendämpfungspfad im Gesundheitswesen werde fortgesetzt. Der Pflegefonds wird verlängert und die Finanzierung der Pflege abgesichert und zugleich auch dort ein Kostendämpfungspfad eingeführt. Der Einstieg in den Umstieg ist für Schelling geschafft. Kleine Gemeinden werden bei der interkommunalen Zusammenarbeit und bei der Förderung von Gemeindefusionen sowie bei Investitionen verstärkt gefördert. Der Einstieg in die Aufgabenorientierung bedeute den schrittweisen Ausstieg aus dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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