Zahl der Strafanzeigen war 2015 rückläufig, Aufklärungsquote stieg
Wien (pk) - Wie sicher ist Österreich? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Nationalrat am Beginn
der Tagesordnung der Plenarsitzung am 09.11. Auf der Tagesordnung stand der Sicherheitsbericht 2015, der einige
positive Daten zur Kriminalitätsentwicklung im vergangenen Jahr enthält. Die Zahl der angezeigten Straftaten
ging insgesamt zurück, während die Aufklärungsquote stieg. Unter anderem waren weniger Wohnungseinbrüche
zu verzeichnen. Für die FPÖ sind die Daten allerdings kein Grund zur Beruhigung. "Nichts zu dramatisieren
und nichts zu beschönigen" gibt es nach Meinung von Justizminister Wolfgang Brandstetter, auf die steigende
Aggression gegen Justizwachebeamten will er mit strengeren Strafen reagieren.
Grundsätzlich zufrieden mit der Sicherheitslage in Österreich sind SPÖ und ÖVP. Österreich
gehöre nach wie vor zu den sichersten Länder, hoben unter anderem Ulrike Königsberger-Ludwig (S)
und Hermann Gahr (V) hervor. Gahr führt das nicht zuletzt auf die Personalaufstockung bei der Polizei zurück.
Wie Wolfgang Gerstl, Friedrich Ofenauer und Martina Diesner-Wais (alle V) hervorhoben, sank die Zahl der angezeigten
Straftaten 2015 auf den niedrigsten Wert der letzten 10 Jahre. In Wien gab es erstmals weniger als 200.000 Anzeigen.
Allerdings ist auch aus Sicht der ÖVP nicht alles rosig, ein besonderes Augenmerk muss Gerstl zufolge der
organisierten Kriminalität und der Cyberkriminalität gewidmet werden.
Gerstl hält es zudem für notwendig, alles zu tun, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung
zu erhöhen. Einen wesentlichen Beitrag dazu könnte nach Meinung von Abgeordnetem Ofenauer die vereinbarte
Sicherheitsoffensive und die Personalaufstockung bei der Polizei leisten. Außerdem verwiesen er und Abgeordneter
Gahr auf das Projekt "Gemeinsam sicher", das eine Einbindung der Bevölkerung in die Arbeit der Polizei
vorsieht. SPÖ-Abgeordnete Königsberger-Ludwig gab zu bedenken, dass sich auch Pauschalverurteilungen
negativ auf das subjektive Sicherheitsgefühl auswirken.
Für eine Durchforstung des Strafkatalogs sprach sich Otto Pendl (S) aus. Nach wie vor würden Delikte
im Vermögensbereich oft strenger bestraft als Delikte gegen Leib und Leben, kritisierte er. Erfolge im Kampf
gegen die Schlepperkriminalität hob Martina Diesner-Wais (V) hervor. Ausdrückliches Lob für die
Polizei äußerte auch Rudolf Plessl (S). Seine Parteikolleginnen Angela Lueger und Nurten Yilmaz machten
auf den starken Anstieg rechtsextremer Straftaten aufmerksam.
FPÖ: Daten tragen nicht zur Beruhigung bei
Ganz anders als die Koalitionsabgeordneten beurteilt die FPÖ die Sicherheitlage. Die vorliegenden Daten würden
nicht zur Beruhigung beitragen, sagte Klubchef Heinz-Christian Strache und verwies unter anderem auf die steigende
Zahl von Gewaltdelikten und den hohen Ausländeranteil im Bereich der Drogenkriminalität. Besonders bedenklich
wertet Strache die Situation in Wien, wo er nicht nur überdurchschnittlich viele Anzeigen ortet, sondern eine
relative niedrige Aufklärungsquote. Es sei noch viel zu tun, gerade auch was importierte Kriminalität
betrifft, so der FPÖ-Chef. Insgesamt drängte Strache auf eine "Null-Toleranz-Politik". Eine
Fehlentscheidung war seiner Meinung nach die Schließung von Polizeiinspektionen, er forderte zudem mehr Personal
und eine bessere Ausrüstung für die Exekutive.
Auf das Thema Drogenkriminalität ging auch Straches Fraktionskollege David Lasar ein. Die Zahl der Anzeigen
in diesem Bereich sei von rund 24.000 im Jahr 2006 auf fast 33.000 im Jahr 2015 gestiegen, schilderte er. Es gebe
es zu wenig PolizistInnen, um effektiv gegen Drogendealer vorzugehen. Bei der Abstimmung in der Minderheit blieb
ein von Lasar eingebrachter Entschließungsantrag. Er hatte darauf abgezielt, eine eigene Belastungszulage
für ExekutivbeamtInnen einzuführen, die in Polizeidienststellen mit einer hohen Mehrbelastung tätig
sind.
FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch befasste sich mit dem Flüchtlingszustrom im vergangenen Jahr
und kritisierte, dass Österreich auch Flüchtlinge aufgenommen habe, die keine Flüchtlinge im Sinne
der Genfer Flüchtlingskonvention waren bzw. sich zuvor schon in einem sicheren Drittstaat befanden. Durch
den notwendigen Grenzeinsatz hat seiner Meinung nach die eigentliche Arbeit der Polizei stark gelitten. Auch der
fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid wies auf die hohe Belastung der Sicherheitsbehörden durch die Migrationskrise
hin.
Lediglich auf das subjektive Sicherheitsgefühl zu fokussieren, sei zu wenig, warnte Walter Rosenkranz (F).
Schlägereien zwischen Flüchtlingsgruppen und Messerattacken seien ein Faktum und nicht auf unbestimmte
Ängste zurückzuführen, betonte er. Philipp Schrangl (F) machte geltend, dass die Kriminalität
in Linz, Steyr und Salzburg in den ersten Monaten dieses Jahres deutlich gestiegen sei. Er verwies außerdem
auf den stetig steigenden Ausländeranteil sowohl unter den verurteilten Straftätern als auch unter den
Opfern.
Ähnlich kritisch zum Sicherheitsbericht wie die FPÖ äußerte sich Christoph Hagen vom Team
Stronach. Weniger Anzeigen heiße nicht automatisch weniger Kriminalität, machte er geltend. Es könne
auch sein, dass viele Personen vor allem bei kleinen Delikten auf Anzeigen verzichten, weil dies ihrer Meinung
nach ohnedies nicht bringe. Hagen fürchtet außerdem, dass die Zahl der Straftaten im heurigen Jahr wieder
steigen wird.
Grüne: "Pistolen statt Mindestsicherung" ist falsches Konzept
Seitens der Grünen hob Peter Pilz (G) die Bedeutung von Kriminalitätsprävention hervor. Seiner Ansicht
nach ist es wichtig, Armut zu bekämpfen sowie Integration und Bildung zu forcieren. Sozialhilfe sei wichtiger
als Aufrüstung. Das neue Konzept der ÖVP, "Pistolen statt Mindestsicherung", sei jedenfalls
das falsche, hielt er mit Hinweis auf die Situation in den USA fest. "Das geht schief." Auf die Bedeutung
von sozialer Sicherheit und gerechten Bildungschancen wies auch seine Fraktionskollegin Alev Korun hin. Man dürfe
Sicherheitspolitik nicht auf Polizeiarbeit reduzieren.
Pilz kritisierte darüber hinaus die Fokussierung der FPÖ auf die Kriminalität von Flüchtlingen.
Die meisten ausländischen Tatverdächtigen kämen aus Rumänien, Deutschland und Serbien, unterstrich
er. Zudem warf Pilz der FPÖ vor, für die Zunahme von rechtsextremen Delikten verantwortlich zu sein,
wofür er sich eine scharfe Replik von FPÖ-Abgeordnetem Walter Rosenkranz einhandelte. Karl Öllinger
(G) beharrte aber darauf, dass bei FPÖ-Veranstaltungen immer wieder Personen aus dem rechtsextremen Umfeld
auftauchten und es auch Fälle von Verurteilungen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gebe.
Dem Wunsch von Pilz nach einem Ordnungsruf für verschiedene Äußerungen von FPÖ-Abgeordneten
trug Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer vorläufig nicht Rechnung. Er ließ sich aber zur
Überprüfung das Protokoll kommen.
NEOS-Sicherheitssprecher Nikolaus Alm wies darauf hin, dass sich die Bevölkerung immer unsicherer fühle,
obwohl die Straftaten in den letzten zehn Jahre sukzessive zurückgegangen seien. Eine der größten
Gefahren droht seiner Einschätzung nach von islamistisch motiviertem Terrorismus. Es brauche in diesem Sinn
nicht nur eine Aufstockung der Exekutive sondern auch eine bessere Zusammenarbeit auf Europäischer Ebene.
Alm warnte allerdings davor, Sicherheit zu Lasten von Freiheit auszubauen und einen Überwachungsstaat zu errichten.
Vernachlässigt wird nach Meinung von Alm das Thema Cyberkriminalität.
Gerichtsverfahren konnten verkürzt werden
Es gebe nichts zu dramatisieren, aber auch nichts zu beschönigen, fasste Justizminister Wolfgang Brandstetter
die Daten des Sicherheitsberichts zusammen. Erfreut äußerte er sich unter anderem darüber, dass
es im vergangen Jahr gelungen sei, die durchschnittliche Dauer der Gerichtsverfahren zu verkürzen. Man sei
noch nicht am Ziel, der Trend gehe aber in die richtige Richtung. Auch die rückläufige Zahl der Verurteilungen
um 2,6%, eine Erfolgsquote von 81% bei den Diversionsverfahren und der Anstieg der Beschlagnahme von Vermögenswerten
beurteilte er als positiv.
Sorgen bereitet dem Minister hingegen die deutliche Steigerung der Aggression gegen Justizwachebeamte. Er will
darauf mit strengeren Strafen reagieren. Auch dass in den Haftanstalten deutlich mehr als 50% ausländische
Straftäter sitzen, sei eine große Herausforderung für die Justiz. Insgesamt gibt es laut Brandstetter
einen hohen Stand an Häftlingen, der Höchststand von 2007 ist aber nicht erreicht. Um die zugestandenen
vermehrten Planposten im Bereich der Justizwache besetzen zu können, warb Brandstetter ausdrücklich um
BewerberInnen.
Der Sicherheitsbericht wurde vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis genommen. Der Entschließungsantrag
der FPÖ betreffend Belastungszulage für Exekutivbeamte blieb in der Minderheit.
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