Ausstellungsdauer: 25. November 2016 - 21. Jänner 2017
Helsinki/Wien (fotohof) - Die von Gilles Mora für den Pavillon Populaire in Montpellier kuratierte
Retrospektive aus 20 Jahren zeigt nun auch zum ersten Mal das fotografische und filmische Werk der finnischen Künstlerin
Elina Brotherus in Österreich. Im FOTOHOF konzentriert sich die Ausstellung, die im Anschluss noch im Turku
Museum of Art zu sehen sein wird, vor allem auf die Rolle des Modells im Werk der Künstlerin. Schon 1840 hatte
das rätselhafte Selbstbildnis des (Mit-)Erfinders der Fotografie, Hippolyte Bayard, eine allgemeine Verwunderung
ausgelöst. Seine Inszenierung als Ertrunkener sollte nicht nur seinen Schmerz über die vermeintlich zu
geringe Beachtung für seine bahnbrechende Leistung ausdrücken, sondern zeigt hier zum ersten Mal die
Möglichkeit der Verschränkung von Fotograf und Modell in einer Person auf.
Dieses Wechselspiel wird bei Brotherus zum Hauptthema (neben ihrer Beschäftigung mit Landschaft) und drückt
sich bereits zu Beginn ihres Schaffens in psychologisierenden Selbstdarstellungen aus.
Wie zuvor bei Claude Cahun oder etwa auch bei Cindy Sherman ist Selbstinszenierung hier nicht nur Teil einer Reflexion
über das eigene Ich zwischen Katharsis und Spiel, sondern auch ganz allgemein als Referenz auf die Bildende
Kunst zu verstehen.
Die kontinuierliche Arbeit am Bild und der autonome Auftritt im Bild verschafft der Künstlerin die Freiheit,
in einer Art Soliloquien, ihre intimen Momente dem Betrachter, wenn auch verschlüsselt, anzuvertrauen und
ihn als Verbündeten auf ihren Wanderungen und Reisen durch die Welt teilhaben zu lassen.
In gut 25 tafelartigen (und oft großformatigen) Bildwerken zeigt die Ausstellung im FOTOHOF einen Überblick
aus 20 Jahren ihres künstlerischen Schaffens. Von den frühen Serien Das Mädchen sprach von Liebe
und Self-Portraits (1998) schlägt sie einen Bogen zu Model Studies (2002-2008) und The new Painting (2003),
von Artist and her Model (2005-2011) bis zu Annonciation (2009-2013) und Carpe fucking diem (2011-2015). Vervollständigt
wird die Werkschau durch die Serie Les femmes de la Maison Carré (2015) und durch eine Auswahl ihrer Film-
und Videoarbeiten aus jüngster Zeit.
Schon früh zeigt sich in ihrer 1998 entstandenen Arbeit Divorce ihr Interesse am theatralischen Rollenspiel,
wenn sie etwa in das Brautkleid der (geschiedenen und jung verstorbenen) Mutter schlüpft, um sich mit einem
fragenden Gesichtsausdruck, quasi alleingelassen im urbanen Raum der düster wirkenden Stadt Helsinki, selbst
porträtiert.
In ihrer Serie The new painting spürt sie der romantischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhundert nach und
verortet sich durch ihre Auftritte im Bild in deutlicher Referenz etwa zu Caspar David Friedrich (Der Wanderer
2, 2004).
In Annonciation und Fucking Carpe Diem setzt sie sich mit ihrem (späten) Wunsch nach einem Kind auseinander
und zeigt in geradezu selbstquälenden Bildern das Scheitern einer medizinischen Fertilisationstherapie. Heiter
beschwingt tritt alsbald Marcello, ein pfiffiger Dackel, mit ihr im Bild auf und wird von nun an als neues Familienmitglied
zum Wegbegleiter (Marcello's theme, 2014).
Der Bezug auf die Kunst ist ein immer wiederkehrendes Thema im Werk der Künstlerin. In Les femmes de la Maison
Carré steht ein berühmtes Haus in der Nähe von Paris, 1959 vom finnischen Architekten Alvar Aalto
entworfen, im Fokus ihrer Arbeit. In präzisen Selbstinszenierungen von verschiedenen Frauen beschwört
sie die (Lebens-)Geschichte des ehemaligen Auftraggebers und Bewohners des Hauses, Louis Carré, einem der
bedeutendsten Kunsthändler seiner Zeit. Durch ihre subtile Lichtführung im Innen-und Außenraum
gelingt es ihr dem bereits in die Jahre gekommenen Juwel wieder Leben einzuhauchen.
In der Ausstellung sind mehrere filmische Arbeiten von Brotherus zu sehen. Seit 2010 beschäftigt sie sich
mit Video und Analogfilm; Ausgangspunkt ihrer filmischen Arbeit ist die einstündige Videoarbeit The Black
Bay Sequence, die die Protagonistin beim mehrmaligen Hineinschreiten in einen von der Kamera fixierten Ausschnitt
auf eine nordische Seenlandschaft zeigt. Bekleidet oder nackt versinkt sie im stimmungsvollen Panoramabild des
Sees, der im weiten Horizont nur durch eine eine dünne schwarze Linie vom gegenüberliegenden Ufer getrennt
ist, um sich dann wieder zurück zum Ausgangspunkt zu bewegen.
Elina Brotherus, *1972 in Helsinki, Finnland; lebt und arbeitet in Helsinki.
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