Die Jury sprach die Preise drei Projekten in gleichrangiger Wertigkeit zu
Eisenstadt (verein baukultur) - Am Abend des 24.11. fand in Eisenstadt die feierliche Preisverleihung des
Architekturpreise des Landes Burgenland 2016 statt. Die ausgezeichneten sowie die anderen eingereichten Projekte
der diesjährigen Ausschreibung sind von 25. November bis 18. Dezember 2016 in der Landesgalerie Burgenland,
Projektraum, Esterházyplatz 5 in Eisenstadt zu besichtigen.
Auszug aus dem Juryprotokoll
Der Bogen der Projekte reicht von der kleinen, bescheidenen Zelle einer gestalteten Schreibstube über
Einfamilienhäuser, Wohn- und Mehrzweckbauten, Büro- und Bildungseinrichtungen, Wein- und Gastronomiebetrieben
bis hin zu einer Kirche, einem Schloss und einer großflächig ausgebreiteten landwirtschaftlichen Fachschule
und hätte in der Verschiedenartigkeit bezogen auf Intention, Gestaltung, Nutzung, Dimension, Umsetzung und
Ergebnis nicht unterschiedlicher sein können.
Sehr deutlich waren in der Diskussion zwei unumgängliche Betrachtungsperspektiven als wesentliche Beurteilungskriterien
maßgebend: bei der Adaptierung oder Revitalisierung von Bestandssubstanzen der Umgang und die Wertschätzung
des qualitätsvollen Altbestandes und bei den Neubauten der Umgang mit Landreserven sowie der Kontext zum umgebenden
Raum.
Elf von achtzehn Projekten wurden nominiert und vor Ort besichtigt, sodass die vorgenannten Betrachtungsperspektiven
in ihrer realen Wirkung und zusätzlich der Maßstab und der Umgang mit den Details erlebt werden konnten.
Bei der Beurteilung der Projekte im Einzelnen wurde zudem großes Augenmerk
- auf die Gestaltung und grundsätzliche Planungsidee gelegt,
- auf die Logik und Stimmigkeit der Verortung,
- die baulandschonende und einer Zersiedelung entgegenwirkende Positionierung,
- auf Proportion und Baumasse,
- auf die Kombination und das Wechselspiel der Materialien,
- auf die funktionellen und nutzungsorientierte Lösung und deren Konsequenzen,
- auf die Klarheit und Selbstverständlichkeit der Gesamtlösung und schlussendlich
- auf die Sympathie und Symbiose des Gesamtgefüges.
Die Projekte wurden nochmals besprochen, abwägend diskutiert, nicht oder leicht zu Übersehendes betont
und die Qualitäten und Besonderheiten der einzelnen Projekte beurteilt.
Mit doch deutlichem Einvernehmen haben sich dabei aufgrund eines innovativen Konzeptes, dem Mut zur Umsetzung
sowie dem Respekt zum Ort und dem Kontext zum räumlichen Umfeld drei Projekte deutlich in den Vordergrund
gestellt und mit jener konsistenten Qualität, Reife im Ausdruck und Vorbildwirkung, die von einem würdigen
Preisträger erwartet wird, überzeugt.
ARCHITEKTURPREIS des Landes Burgenland 2016
für die Feine Klinge - Revitalisierung eines alten Bauernhauses in Klingenbach
ARCHITEKTUR
PURPUR ARCHITEKTUR ZT Gmbh
8020 Graz, Sankt-Georgen-Gasse 7
1060 Wien, Gumpendorferstrasse 55
Tel. +43 316 83 73 230
Tel. +43 1 92 034 920
graz@purpur.cc wien@purpur.cc
BAUHERR: K.A.
JURYTEXT: Andreas Cukrowicz
Eingriffe in historische Situationen müssen nicht laut sein, sie müssen keine Kopfstände machen
und auch nicht wichtiger sein als das Vorher oder das Daneben. Unauffällig und zurückhaltend wird ein
burgenländischer Streckhof für eine Wohnnutzung adaptiert und saniert. Während sich die Situation
nach außen völlig unscheinbar präsentiert, wird nach innen unaufgeregt ein neues kleines Paradies
geschaffen. Eigentlich ist alles schon da, die Situation ist aufgrund der nutzungstechnischen Bedürfnisse
über lange Zeit gewachsen.
Die festen baulichen Elemente haben im Laufe der Geschichte ihren Platz gefunden und die offenen auch, sie existieren
in spannungsvoller Gelassenheit austariert neben- und miteinander. Architekt und Bauherr haben die Potenziale erkannt
und schaffen durch minimale Eingriffe eine neue Qualität. Der für die Typologie charakteristische Hofraum
wird zum zentralen Element, er wird in die alltäglichen Abläufe eingebunden, ermöglicht ein Leben
mit den Jahreszeiten, ein Leben mit Öffnung nach außen geschützt durch den Hofraum selbst, der
einlädt still und gelassen im Hier und Jetzt zu sein. Der bestehende Wirtschaftsbau gliedert diesen Hofraum
in zwei maßstäbliche Bereiche mit unterschiedlichem Gepräge. Er öffnet sich mit seiner neuen
Funktion als Wohnraum sowohl in den ruhigen hinteren Hof mit Wiese und Obstgehölz als auch in den vorderen
Hof mit einer geschickt gestalteten Kombination aus Plattenbelag und Rasenthemen. Unspektakulär gesetzte neue
Öffnungen ergänzen das bestehende Fassadenbild zu einer harmonischen Komposition aus unterschiedlichen
Elementen. Die weiß gekalkten Außenwände verschmelzen plastisch mit zwei vorgesetzten Treppenelementen
und bilden homogen Rahmen und Hintergrund des Ensembles, während einfachste Details mit der Sprache des Bestandes
kommunizieren. Die liebevolle und besondere Wertschätzung des Kleinen macht diese Eingriffe angenehm groß.
Die Einfachheit und Selbstverständlichkeit der Maßnahmen wird unterstützt durch die Materialwahl
im Inneren: massive Holzdielen für die Fußböden und weiße Farbe für Decken und Wände.
Der Architekt Max Bächer schreibt in seinem Buch >Mehr als umbaute Luft<: "Jede ist Situation ist
einmalig, jeder Ort hat sein Eigenleben, seine Vergangenheit, seine Erinnerung und sein Gedächtnis, die durch
Architektur bewusst gemacht oder verwischt und gelöscht werden können. Bezüge zum Ort finden oder
erfinden, zur Gegend zur Landschaft. Man muss die Orte aushorchen, nach ihrer Vergangenheit befragen, ihre Umgebung
kennen, die Topografie, die Sonne, das Licht und die Härte oder Weichheit der Schatten studieren, die Gerüche
und den Hall der Straße, das Laub der Bäume und das Tropfen des Regens wahrnehmen, die Blicke einfangen
und die Menschen verstehen, die hier leben."
Beim Betreten des Hofes, beim Durchschreiten der Raumfolgen, beim Entdecken der situativen Eigenheiten und seiner
Details, beim Erspüren des Ortes und seiner Energien entsteht das Gefühl, dass eine ähnlich artige
Sensorik in allen Phasen projektbegleitend mitschwingen und zum Gelingen beitragen durfte. Dieses gebaute Beispiel
einer Adaptierung und Sanierung der Streckhoftypologie beweist mehrere Aspekte gleichzeitig: die bestehenden baulichen
Strukturen besitzen durch minimale Eingriffe die Fähigkeit neue Nutzungsformen aufzunehmen. Die Ergänzung
von Bestandssubstanzen im Sinne des Akzeptierens und Weiterbauens kann in einer intensiven Auseinandersetzung mit
den Themen ein spannungsvolles Nebeneinander von Alt und Neu generieren. Die Umnutzung bestehender Strukturen erhält
die Identität und Stimmigkeit der Orte als kompakte Siedlungskörper im Kontrast zur Weite der Landschaft,
sie ist eine unabdingbare Maßnahme gegen die Zersiedelung infolge einer Auflösung der ortsräumlichen
Gefüge. Das gebaute Ergebnis ist in jedem Fall "viel mehr als umbaute Luft", es will Beweis sein
und Vorbild für viele weitere Aufgaben und Situationen. Für bestehende Substanzen bedeutet diese Haltung
die Chance auf ein zweites Leben, für Dorfstrukturen den Erhalt von Charakter und Identität.
ARCHITEKTURPREIS des Landes Burgenland 2016
für die Neugestaltung der Kirche Neuhaus i.d.Wart
ARCHITEKTUR
DI Doris Dockner
8010 Graz, Sparbeksbachgasse 36
Tel. +43 664 22 22 440
office@dorisdockner.com www.dorisdockner.com
BAUHERR: Pfarre Neuhaus, Diözese Eisenstadt
JURYTEXT: Christine Horner
Die in der Mitte von Neuhaus an der Wart gelegene Kirche wurde 1958 errichtet. Sie ist dem Heiligen Antonius
von Padua geweiht, einem Franziskaner und Wegbegleiter des Franz von Assisi. In seiner Lehre nehmen die Erfahrbarkeit
Gottes in der Natur und das Lob Gottes durch die Vielfalt der Schöpfung eine zentrale Stellung ein. Diese
Motive werden nun durch die im Zuge der Sanierung durchgeführten Eingriffe im Kirchenraum spürbar.
Betritt man die Kirche offenbart sich ein unvergleichlicher Blick: Längs durch das gesamte Kirchenschiff erstreckt
sich der Ausblick bis in die umliegende Hügellandschaft des Südburgenlands.
Das Ersetzen der Altarwand durch eine Verglasung lässt einen radikal anderen, radikal neuen Raumeindruck entstehen.
Die vormals intime, in sich gekehrte Atmosphäre der Kirche wird geöffnet, die Altarwand in ihrer Bedeutung
gänzlich neu interpretiert. Anstatt den Raum abzuschließen leitet sie über in die Natur.
Das einzige Gestaltungselement dieser neuen Verglasung ist ein Kreuz, das die Glasfläche in vier gleich große
Felder teilt. Die goldfarben eloxierte Oberfläche wandelt das einfache Fensterkreuz zum Kreuzsymbol.
Altar und Ambo bestehen aus vertikalen Weißglasscheiben mit einer aufliegenden, ebenfalls gläsernen
Platte. Durch das hochtransparente Glas lösen sich die beiden Gegenstände förmlich im Raum auf.
Sie fangen den Blick nicht ein, sondern lassen ihn in die Landschaft gleiten.
Alle anderen Eingriffe nehmen sich zu Gunsten dieser großen Geste zurück. Der Boden im Bereich der Apsis
ist mit Terrazzoestrich in der Optik des Bestandes ergänzt und auch das Farbspektrum der bestehenden Kirche
wurde, erweitert um Gold und Silber, weitergeführt. Über den Kirchenbänken schweben, vergleichbar
mit einer Wolke aus Kerzen, zwei Gruppen aus Hängelampen mit jeweils fünfzehn schlichten, zylindrischen
Beleuchtungskörpern aus Glas.
Die Sanierung der Kirche geht über die bauliche Instandsetzung und Erhaltung des Gebäudes weit hinaus.
Die Besonderheit des Ortes, der weite Blick über das burgenländische Hügelland, wird zum zentralen
Motiv der Neugestaltung. Die Kirche als Ort der Andacht und Begegnung wird ergänzt durch das Erleben der Natur
im Licht und in den Farben der Jahreszeiten.
ARCHITEKTURPREIS des Landes Burgenland 2016 für das Haus G in Buchschachen
ARCHITEKTUR
Henke Schreieck Architekten ZT GmbH Neubaugasse 2/5
1070 Wien
Tel. +43 1 526 21 18
office@henkeschreieck.at www.henkeschreieck.at
BAUHERR Fam. G
JURYTEXT: Albert Kirchengast
… Das Haus schiebt sich nicht in die Pole-Position. Es steht da, mit seinem weit vorkragenden, begrünten
Flachdach, das die großen Glasflächen beschattet und mildert. Die sind eine Schutzmembran, den Stimmungen
des Innenraums übergestülpt, die nach Norden, nach Süden, nach Westen hin eigentlich jahres- und
tageszeitlich sich wandelnde, landschaftliche Stimmungen sind. Man erlebt viel in diesem Gartenpavillon. Dabei
ist er elegant, nicht kraftmeierisch, bemächtigt sich des Ortes nicht, ist praktisch und doch generös
… Und so ist das Haus durch eingegangene Bauerfahrungen von Eigentümer und Architekten alles andere als Ausdruck
individueller Bedürfnisse, hat etwas Typenhaftes an sich - ganz zu schweigen von der Detailqualität und
den selbstverständlichen Raumfolgen, in die man sich sofort einfügt …
Bei aller kritischer Diskussion um Ortsbilder und Kontinuität im Bauen, ist diesem Haus der beiden Roland-Rainer-Schüler
etwas Allgemeines zu eigen. Es führt ein eindringliches Gespräch mit der Geschichte der österreichischen
Moderne - lässlich das Wenige darin, das als Zeitgeschmack bezeichnet werden könnte. Das gehört
dazu, im Hintergrund. Von der passgenauen Umwandlung einer Lebens- und Wohnvorstellung in ein Haus, dessen Integration
in den sanft fließenden Hang bis zur Wertschätzung der freien Landschaft, nimmt man den Faden von St.
Margarethen nach einem halben Jahrhundert wieder auf - ist aktueller denn je …
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