Provokation statt Dankesrede

 

erstellt am
25. 11. 16
11:00 MEZ

Berthold: Byung-Chul Han mit Landespreis für Zukunftsforschung ausgezeichnet
Salzburg (lk) - Am Abend des 23.11. wurde der Philosoph, Autor, Kulturwissenschafter und Essayist Byung-Chul Han auf Vorschlag der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsforschung mit dem Landespreis für Zukunftsforschung ausgezeichnet. "Alle drei Jahre werden mit dem Landespreis für Zukunftsforschung verdienstvolle Denkerinnen und Denker unserer Zeit gewürdigt. Für gewöhnlich laufen solche Preisverleihungen nach eingespielten Mustern ab. An diesem Abend war es anders. Wir erlebten eine frei vorgetragene, provokante Rede und eindrucksvolle Performance von Byung-Chul Han. Manche Menschen im Publikum waren irritiert, andere amüsiert, alle sicher jedoch zum Nachdenken angeregt. Nichts anderes soll Philosophie erreichen", fasste Landesrätin Martina Berthold gestern die Verleihung des Landespreises für Zukunftsforschung im ORF-Publikumsstudio in Salzburg zusammen.

"Han ist eine Herausforderung für das Reflexionsvermögen des Lesers. Er hat einen kalligrafischen Blick auf die Welten, in die man sich einfühlen muss. Das Werk ist epochal, dennoch auf wenige wichtige Themen konzentriert. Han spricht vom Terror des Gleichen, einer kranken narzisstischen und depressiven Gesellschaft, die die Fähigkeit verloren hat, in ihr ureigenstes kognitives Zentrum zu gelangen", so Klaus Firlei, Präsident des Kuratoriums der Robert-Jungk-Stiftung.

Chansons von Georges Moustaki und Publikumsbeschimpfung statt Dankesrede
"Ich bin auf der Suche nach einer erlösenden Sprache", so Byung-Chul Han, der gestern den Preis unter Verweigerung der Einhaltung jeglicher Etikette annahm, sich selber als unangenehmen Menschen bezeichnete und ganz nebenbei auch ein Chanson von Georges Moustaki zum Besten gab. Han führte in seiner Rede mehrmals aus, dass die Gesellschaft und auch der Universitätsbetrieb ihn krank mache, dass die Menschen, gefangen in ihrem Hamsterrad, glauben, sie müssten wie Maschinen funktionieren, dass die Politik - in der Form wie sie bestehe - Schwachsinn und Handlanger des kaputten Gesellschaftssystems sei. Und sie jeglichen Genuss, wie etwa auch das Rauchen, verbieten würde. Die technische Entwicklung, die der Mensch herbeigeführt habe, schaffe den Menschen selber ab. Die Digitalisierung trage zu einer Gleichschaltung der Gesellschaft bei, die vernichtend sei, und Smartphones seien "digitale Schnuller" für erwachsene Babys.

Byung-Chul Han polarisiert
In der Jury-Begründung heißt es: "Der koreanisch-deutsche Philosoph hat in den letzten Jahren eine neue Form des philosophischen Nach- und Vorausdenkens entwickelt und damit breite Aufmerksamkeit gefunden. Byung-Chul Han polarisiert. Dies vor allem, weil es ihm gelingt, brisante Themen der Zeit pointiert und anregend auf den Punkt zu bringen. Das führt immer wieder auch zu Unschärfen, gibt Raum für Einspruch und Widerspruch, sichert aber - und das ist hoch zu veranschlagen - der Philosophie den ihr gebührenden Stellenwert im gesellschaftlichen Diskurs. Han erinnert daran, dass wir uns der Anstrengung eigenständigen Denkens unterziehen müssen und diese nicht delegieren dürfen, um uns stattdessen den Verführungen des Konsumierens hinzugeben." Und zusammengefasst: "Mit der Vergabe des Preises an Byung-Chul Han wird eine Persönlichkeit gewürdigt, die dem Nachdenken über Grundsatzfragen unserer Gesellschaft und Wirtschaft gebührend Aufmerksamkeit schenkt."

Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung
Der Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung wird auf Vorschlag des Kuratoriums der Robert-Jungk-Stiftung alle drei Jahre von der Salzburger Landesregierung vergeben. Er ergeht an Menschen, die sich in herausragender Weise um zukunftsweisende Ideen verdient gemacht haben. Der mit 7.500 Euro dotierte Preis wurde 1993 - anlässlich des 80. Geburtstags von Robert Jungk - ins Leben gerufen. Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger waren Robert Jungk (1993), Dorothee Sölle (1996), Jakob von Uexküll (1999), Luise Gubitzer (2002), Franz-Josef Radermacher (2005), Jean Ziegler (2008), Marianne Gronemeyer (2011) und Elmar Altvater (2013).

 

 

 

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