Linz (lk) - Der demographische Wandel ist ein bestimmender Faktor für die Zukunft. Westliche Gesellschaften
und damit auch das für die Betriebe verfügbare Arbeitskräftepotenzial werden immer älter, wie
Wirtschafts-Landesrat Dr. Michael Strugl, Präsident Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik
(IAA) am 23.11. in Linz im Rahmen einer Pressekonferenz erklärte. Da sich Menschen im Laufe ihres Lebens ändern,
ändern sich auch ihre Ansprüche und Anforderungen an die Arbeitswelt. Die Generation 50+, die in wenigen
Jahren einen großen Teil der Erwerbstätigen ausmachen wird (ca. 30%), hat dabei besondere Anforderungen
und Bedürfnisse, die sich aufgrund physischer, aber auch psychischer Veränderungen ergeben. Sie hat jedoch
auch eine Reihe an Vorteilen und Chancen, wie einen besonders reichhaltigen Erfahrungsschatz (Bewahrer), Kompetenzen
und Routine sowie eine besonders große Lebenserfahrung (Konfliktverhalten, Führungskompetenz in Teams,
Empathie).
Parallel dazu erleben wir derzeit ein Zeitalter massiver technologischer Veränderungen und neuer Möglichkeiten.
Die Digitalisierung als Megatrend beeinflusst nahezu jeden Lebensbereich, so auch unsere Arbeitswelten. Technologien
sind Tools, die je nach Einsatz andere Anforderungen an die bedienenden Menschen stellen.
Wenn sich nun die beiden Megatrends demographischer und technologischer Wandel überschneiden, ergeben sich
verschiedenste Fragestellungen:
- Werden neue Technologien in den Betrieben überfordernd oder unterstützend
eingesetzt?
- Werden ältere Arbeitnehmer/innen als Herausforderung oder als Chance gesehen?
- Welche Maßnahmen trifft die Politik, um eine positive Zukunftsgestaltung
zu ermöglichen?
- Finden Betriebe und Menschen den richtigen arbeitspolitischen Rahmen vor, um
die sich ergebenden Chance nützen zu können?
Oberösterreich als Industriebundesland ist mit seinen Betrieben besonders auf Fachkräfte angewiesen.
Das Know-how unserer Fachkräfte ist ein wesentlicher Faktor für die Innovationsfähigkeit unserer
Betriebe. Aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, auf das Potenzial
der Generation 50+ zu verzichten. Auch technologische Möglichkeiten zur Unterstützung der Generation
50+ müssen voll ausgeschöpft werden.
Im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik widmet sich Oberösterreich auch besonders der Situation älterer
Arbeitnehmer/innen:
- Arbeitsbewältigungscoaching zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit
- Transitarbeitsplätze in sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen
Beschäftigungsprojekten
- Betriebliche Eingliederungsbeihilfen des AMS OÖ
- Arbeitstrainings des AMS OÖ
- Aktivitäten der Sozialpartner, wie z.B. die konstruktive Arbeit des WAGE
Netzwerks
Aber auch die aktive Forschungsarbeit über das Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an
der JKU Linz (IAA) leistet einen wichtigen Beitrag, um auf zukünftige Entwicklungen besser vorbereitet zu
sein. Im Rahmen einer Veranstaltung hat das IAA heute die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zum Thema "Arbeitswelt
der Zukunft: Generation 50+ im technologischen Wandel" präsentiert.
Mag. Andreas Berger, Leiter Human Resources Rosenbauer International AG, sagte, die demografischen Veränderungen
und das steigende Pensionsantrittsalter erhöhen den Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Generation
50+. Das stellt Unternehmen vor neue und zusätzliche Herausforderungen.
Dazu gehören altersgerechte Arbeitsplätze und ihre Ausstattung. Mit dem Alter steigt auch das Risiko
schwerer und langwieriger Erkrankungen, die vor allem die Wiedereingliederung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in die Betriebe erschwert. Die Anzahl an Verweil- und Entwicklungsarbeitsplätzen ist in den meisten Unternehmen
limitiert. Die geplante Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit ab 1.1.2017 würde diese Situation
entlasten. Auch andere Maßnahmen wie Altersteilzeit und Teilpension können helfen, die Situation für
Dienstnehmer/innen und Dienstgeber/innen zu verbessern. Grundsätzlich sind alle Maßnahmen zu begrüßen,
die es älteren Dienstnehmern ermöglichen, gesund und produktiv ihr Regelpensionsalter zu erreichen. Vernünftige
und praktizierbare Lösungen vorausgesetzt, werden sich die Unternehmen diesen nicht wiedersetzen.
Bedingt durch Auswirkungen der bereits eingetretenen demografischen Veränderungen und dem mit den geburtenschwachen
Jahrgängen verbundenen Fachkräftemangel in den hochentwickelten Industriegegenden in Österreich
stellt die Generation 50+ eine umso wertvollere Ressource dar. Besonders die in Jahrzehnten gesammelte Erfahrung
dieser Mitarbeitergruppe ist für die Unternehmen im technologischen Wandel sehr wertvoll.
Unter unseren sehr gut ausgebildeten Facharbeitern und Spezialisten ist keinerlei Scheu vor neuen Technologien
festzustellen. Neue Maschinen und Systeme werden ohne erkennbaren Unterschied zu den jüngeren Kolleginnen
und Kollegen angenommen. Das merkt man auch in unserem, erst kürzlich als Smart Factory und Efficent Factory
ausgezeichnetem, Werk 2 in Leonding. Im Gegensatz zu früheren Generationen hat die aktuelle Generation 50+
keine Schwierigkeiten mehr mit IT-Lösungen. Da diese mittlerweile in sehr hohem Maß in das Alltagsleben
eingeflossen sind, werden sie auch beruflich ohne Scheu angenommen. Oft gelingt der Generation 50+ die vollinhaltliche
Ausschöpfung aller Möglichkeiten der neuen Technologien - aufbauend auf der langen Berufserfahrung -
wesentlich rascher. Allerdings ist auch in diesem Bereich die fachliche Berufsausbildung und laufende Fortbildung
der Schlüssel zum Erfolg.
Auch in der Zusammenarbeit mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen gibt es in der Praxis keinerlei Probleme,
obwohl von der Nachkriegsgeneration über die Baby Boomer, die Generation Golf, die Generation Y bis zu den
Digital Natives so viele Generationen wie noch nie zuvor gleichzeitig in Unternehmen arbeiten. Vor allem der bevorstehende
Abgang der Baby Boomer wird den Fachkräftemangel massiv erhöhen.
Mag. (FH) Clemens Zierler, Geschäftsführer Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik
(IAA), erklärte, das IAA hat gemeinsam mit dem Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung
der TU Graz eine Erhebung altersabhängiger Fähigkeits- verschiebungen von Mitarbeiter/innen sowie deren
Auswirkungen auf diverse Arbeitssituationen und Abbildung der arbeitswissenschaftlichen Normierung durchgeführt.
Dabei wurden 33 alterskritische Faktoren in den Bereichen Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebung, Arbeitsmittel und
-gegenstände, menschliche Faktoren sowie Arbeits-/Pausenzeiten erarbeitet, welche durch den demographischen
Wandel mehr und mehr bei der Gestaltung von Arbeitssystemen an Bedeutung gewinnen werden.
Aufbauend auf diesen Faktoren haben wir eine Analyse von über 5.000 Normen hinsichtlich ihrer Altersgerechtigkeit
durchgeführt und die Normen anhand des identifizierten Handlungs- bzw. Verbesserungsbedarfs eingeteilt. Das
Ergebnis: 77% der untersuchten Normen weisen einen Handlungs- bzw. Verbesserungsbedarf auf, davon 30% sogar einen
besonders dringenden Handlungsbedarf. Lediglich 23% der Normen waren altersgerecht.
Der innovative Wert des Forschungsprojektes liegt jedoch nicht nur in der Feststellung des hohen Verbesserungsbedarfes
von Normen und in den konkreten Verbesserungsvorschlägen, sondern auch in der Entwicklung eines systematischen
Analyserahmens für künftige Projekte im Bereich der betrieblichen Demographiepolitik und -beratung. Mit
Hilfe dieses Rahmens können diverse Arbeitssituationen in Betrieben analysiert und auf ihre Altersadäquatheit
hin untersucht werden. Das IAA wird in diesem Bereich an konkreten Dienstleistungsangeboten für Betriebe arbeiten.
Betriebe sollten aktiv Arbeitswelten gestalten und fördern, die alternde Belegschaften miteinbeziehen und
ihre Potenziale konstruktiv nützen. Dies betrifft individuelle Aufgabenzuschnitte, aber auch die Arbeitsorganisation
sowie sinnvolle Karriereverläufe in den Betrieben. Neue Technologien sollten als Chance gesehen werden, in
diesem Bereich proaktiv gestaltend tätig zu werden. Die Politik muss einen arbeitspolitischen Rahmen schaffen,
der es Betrieben ermöglicht, individuelle Lösungen für die jeweils eigenen und die Bedürfnisse
der Arbeitnehmer/innen zu gestalten. Das beginnt bei der Normierung, setzt sich bei Betriebsgenehmigungen fort
und mündet auch in Themen wie der Arbeitszeitgesetzgebung.
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