Im Rahmen von Eyes On. Monat der Fotografie Wien. Von 24. November 2016 bis 26. Februar 2017
im Wien Museum
Wien (wienmuseum) - Robert Haas (Wien 1898 - New York 1997) gehört zu den großen österreichisch-
amerikanischen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Das Wien Museum widmet diesem Fotokünstler zwanzig Jahre nach
seinem Tod erstmals eine umfassende Personale. Die Ausstellung zeigt anhand noch nie veröffentlichter Bilder
einen breiten Überblick über sein herausragendes fotografisches Werk. Haas arbeitete zunächst als
Grafiker und Druckkünstler in Wien, ehe er - nach einer Ausbildung bei der Wiener Atelierfotografin Trude
Fleischmann - eine erfolgreiche Karriere als Fotojournalist begann. In den 1930er-Jahren entstanden berührende
Alltags- und Sozialreportagen, aber auch Porträts und Objektstudien. Mehrere Jahre lang war Haas offizieller
Fotograf der Salzburger Festspiele. Wegen seiner jüdischen Herkunft 1938 aus Österreich vertrieben, begann
er in New York als Grafikdesigner und Drucker eine zweite berufliche Karriere. Seine eindrucksvollen Großstadtfotografien
aus dieser Zeit verraten den Einfluss amerikanischer Kunstströmungen. Auf Reisen dokumentierte Haas den "American
Way of Life" abseits der großen Metropolen, außerdem porträtierte er Persönlichkeiten
wie Albert Einstein oder Oskar Kokoschka.
Fotografischer Nachlass im Wien Museum
Der Fotohistoriker Anton Holzer wurde auf das in Vergessenheit geratene fotografische Werk von Robert Haas aufmerksam,
als er zusammen mit Frauke Kreutler, Kuratorin
am Wien Museum, eine Ausstellung über die Atelierfotografin Trude Fleischmann vorbereitete ("Trude Fleischmann.
Der selbstbewusste Blick", Wien Museum 2011). Die Wiederentdeckung des Fotografen Robert Haas wäre ohne
den Beitrag der Familie Haas nicht möglich gewesen. Seine beiden Töchter, Miriam Haas und Cathy Haas
Riley, haben den fotografischen Nachlass ihres Vaters für die Nachwelt gesichert. Das Wien Museum konnte mit
Unterstützung des Vereins der Freunde des Wien Museums diese faszinierende und für die österreichische
und Wiener Kulturgeschichte überaus bedeutsame Fotosammlung im Herbst 2015 erwerben. Der Bestand umfasst mehrere
Tausend Vintage Prints und Negative.
Die Ausstellung "Robert Haas. Der Blick auf zwei Welten" zeigt rund 250 Werke. Kuratiert wurde sie von
Anton Holzer und Frauke Kreutler (Wien Museum). Der Katalog zur Ausstellung, erschienen im Verlag Hatje Cantz,
ist zugleich die erste umfassende Publikation zu Leben und Werk von Robert Haas. Die englischsprachige Ausgabe
des Kataloges wurde durch die großzügige Unterstützung des Botstiber Institute for Austrian-American
Studies ermöglicht.
Anfänge als Grafiker und Schriftkünstler
Robert Haas wurde 1898 in Wien als Sohn einer bürgerlichen jüdischen Familie geboren. Neben seinem Maschinenbau-Studium
an der Technischen Hochschule absolvierte er eine Ausbildung im Bereich Grafik und Schriftkunst. Seine künstlerische
Karriere begann er als Grafiker und Druckkünstler im Umkreis der Wiener Moderne in den 1920er-Jahren. 1925
gründete er zusammen mit Carry Hauser und Fritz Siegel ein künstlerisches Atelier mit dem Namen Officina
Vindobonensis. Dort druckte er im Handpressendruck kunstvoll ausgestattete Bücher. Als Grafiker gestaltete
er zahlreiche Plakate für bekannte Wiener Kunstinstitutionen, etwa die Wiener Secession, den Hagenbund, das
Künstlerhaus, die Wiener Philharmoniker und die Wiener Festwochen. Daneben entwarf er Buch- und Zeitschrifteneinbände
sowie Briefköpfe, Signets und Logos und war als Schriftgrafiker für Ausstellungen tätig. In den
Jahren 1929 bis 1931 erlernte Robert Haas bei Trude Fleischmann das gesamte Spektrum der Atelierfotografie. Aus
dem Lehrverhältnis entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. In den Porträts von Robert Haas, die
die Individualität und den Charakter der Dargestellten in den Mittelpunkt rücken, ist der Einfluss Fleischmanns
gut erkennbar.
Als Fotojournalist auf Erfolgskurs
Anders als Trude Fleischmann fotografierte Robert Haas vorzugsweise im Freien. Seit den 1930er Jahren arbeitete
er mit der kleinen lichtstarken Leica und parallel dazu mit der Rolleiflex. Kurator Anton Holzer über Haas'
Weg zur Fotografie: "Er schlug nun
thematisch und ästhetisch einen anderen Weg ein als seine Lehrerin Trude Fleischmann. […] Er schlüpfte
in die Rolle des Großstadtflaneurs und war mit seiner Kamera viel in und um Wien unterwegs. Unter anderem
fing er das Leben auf der Straße ein, er hielt Alltagsszenen in der Stadt und auf dem Land fest und fotografierte
die populären Vergnügungen im Prater. Die Fotoserien, die Haas in diesen Jahren aus eigenem Interesse
anfertigte, lassen seine künftige Tendenz als Fotojournalist bereits erkennen."
Neben dokumentarischen Arbeiten, etwa für das Kunsthistorische Museum und das Völkerkundemuseum, wandte
sich Robert Haas immer stärker der Fotoreportage zu. Ab 1933 erschienen seine Fotos in Zeitschriften, innerhalb
weniger Jahre etablierte er sich als erfolgreicher Fotojournalist. Besonders berührend sind die Sozial- und
Alltagsreportagen, in denen er die Ränder der Großstadt Wien erkundet. In seiner Bildgeschichte "Ein
Garten im Lande der Armen", die 1937 in der Illustrierten "Der Sonntag" erschien, schildert er den
Kindergartenalltag in einem Barackenlager im Wiener Arbeiterbezirk Simmering. In der Reportage über das "Familienasyl
St. Brigitta", eine städtische Einrichtung der Familien- und Armenfürsorge, rückt er in eindrucksvollen
Nahaufnahmen die Gesichter der Armen ins Zentrum. Ab Mitte der 1930er-Jahre fanden die Fotos von Robert Haas -
vermittelt über internationale Fotoagenturen - ihren Weg auch in ausländische Medien. 1936 erschien sein
erstes Bild in der amerikanischen "Vogue", auch in der französischen und der englischen Presse waren
seine Fotos vertreten.
In den Jahren 1936 und 1937 war Robert Haas offizieller Fotograf der Salzburger Festspiele. Er porträtierte
die Stars seiner Zeit, wie etwa den Dirigent Arturo Toscanini, und dokumentierte das rege Treiben rund um das mondäne
Hotel de l'Europe. Er dokumentierte aber auch Straßen- und Alltagsszenen in Salzburg und unternahm immer
wieder fotografische Ausflüge in die Umgebung.
Im Juli 1937 fotografierte Haas im Auftrag der Alpine Montangesellschaft eine Industriereportage im Stahlwerk Donawitz
(Steiermark). Wenig später, im Spätsommer 1937, stellte er für die Firma Schoeller-Bleckmann eine
Fotoserie zum Stahlwerk in Ternitz (Niederösterreich) zusammen. Die eindrucksvolle Industriereportagen zeigen
das technische Innenleben der Industriebetriebe in einer Art "technizistischen Monumentalität" (Anton
Holzer): die gewaltigen Maschinen und die Kräne, die Werkszüge und Loks, die riesigen Metallbehälter
und Rohrleitungen. Und natürlich die Hochöfen, deren "Fegefeueratmosphäre" Haas noch Jahrzehnte
später in Erinnerung behielt.
Flucht nach Amerika
Da das Leben für Robert Haas aufgrund seiner jüdischen Herkunft in Wien immer gefährlicher wurde,
flüchtete er im September 1938 nach London, wo er ein halbes Jahr blieb. Dort verdiente er mit Porträts
von Freunden sowie mit Fotografie- und Kalligrafieunterricht das Ticktet für die Weiterreise nach New York.
Die pulsierende Metropole eröffnete Haas eine faszinierende neue Welt. Er fotografierte Straßenschluchten,
Hochhäuser und die Skyline. Auf seinen Streifzügen durch die Stadt dokumentierte er aber auch alltägliche
Szenen: Touristen auf einem Ausflug zur Freiheitsstatue, Zeitungsausträger, spielende Kinder in der Bronx,
Menschen im Central Park. In dieser Zeit entstanden auch viele Auftragsporträts, mit denen er sich in der
ersten Zeit ein Einkommen sicherte.
Ein neues, aufregendes Land, ein neuer Stil
"After my arrival in the United States I photographed extensively the totally new situation for me",
erinnerte sich Haas später. Nach seiner Ankunft in New York unternahm er zahlreiche Reisen durch die USA und
erkundete in faszinierenden Bildern das neue Land. Im Sommer 1940 reiste er mit dem Auto nach Kalifornien. In seinen
Aufnahmen fing er die imposante amerikanische Landschaft, aber auch große Bauwerke inmitten dieser Natur
ein: etwa Dammbauten, Brücken und Getreidesilos. Und immer wieder dokumentierte er in ruhigen, eindringlichen
Bildern den amerikanischen Alltag abseits der großen Städte.
Unter dem Einfluss innovativer amerikanischer Fotoströmungen passte Haas sein fotografisches Vokabular der
Neuen Welt an. Hatte er sich in Wien häufig mit seiner Kamera unter die Menschen gemischt, so hielt er nun
mehr Abstand, seine amerikanischen Bilder sind nüchterner, distanzierter. "Haas nahm die Einflüsse
der amerikanischen Fotografie sehr offen auf. Die fotografischen Impulse waren vielfältig und sind am ehesten
in der "straight photography" beziehungsweise in der Ästhetik der dokumentarischen Fotografie sowie
den verschiedenen Ausprägungen der New Yorker Street-Photography der 1930erund 1940er-Jahre zu verorten,"
so Kuratorin Frauke Kreutler. Als Fotograf verlegte sich Haas nach 1945 stärker auf die Porträtfotografie,
und in den folgenden Jahren entstanden einige bedeutende Serien.
Lehrtätigkeit und Rückkehr zur Druckgrafik
Seine fotojournalistische Karriere konnte Robert Haas aufgrund großer Konkurrenz nicht fortsetzen. Nach dem
Kriegseintritt der USA im Jahr 1941 musste er als "enemy alien" außerdem erst eine spezielle Fotoerlaubnis
beantragen. Daher wandte er sich in New York wieder verstärkt der Druckkunst und Grafik zu. 1941 gründete
Robert Haas in
New York die auf Kunst spezialisierte künstlerische Druckerei Ram Press, die er jahrelang erfolgreich führte.
Unter anderem arbeitete er mit dem Museum of Modern Art, dem Guggenheim Museum und der Frick Collection zusammen.
Neben seiner grafischen Arbeit war Robert Haas auch als Lehrer tätig. Im Frühjahr 1940 erhielt er einen
Lehrauftrag für Fotografie und Grafik am renommierten Black Mountain College in North Carolina. Dieses gehörte
bis in die 1950er-Jahre zu den innovativsten künstlerischen Ausbildungsstätten in Amerika. Hier unterrichteten
etliche jüdische Emigranten, einige davon aus dem Umfeld des deutschen Bauhauses, wie etwa Xanti Schawinsky.
Weitere Lehraufträge führten ihn 1939 und 1940 ans Goddard College in Vermont und nach Palo Alto in Kalifornien.
In der Nachkriegszeit unterrichtete er jahrelang an der bekannten New Yorker Cooper Union Art School Kalligrafie,
später auch Typografie.
Nach dem Krieg griff Haas seltener zur Kamera. Zwar entstand noch eine Reihe wichtiger Porträts, doch die
Reportagefotografie im Freien rückte nun in den Hintergrund. Er habe, so erinnerte sich Haas später,
aufgehört zu fotografieren, als die Farbfotografie die Welt der Schwarz-Weiß-Bilder zu verdrängen
begann. 1983 wurde erstmals eine Werkschau von Robert Haas im Österreichischen Museum für angewandte
Kunst (heute MAK) gezeigt. Der Schwerpunkt lag auf seinen grafischen Arbeiten, das fotografische Werk stand im
Hintergrund. 1991 wurde Haas das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen, 1992 erhielt er über
fünf Jahrzehnte nach seiner Vertreibung die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Robert
Haas starb 1997 in New York.
"Es wäre schön", schrieb Haas 1993 in einem Brief, "wenn es doch gelingen würde,
mein Leben in illustrierter Buchform publiziert zu sehen. Ja, manchmal verwirklichen sich Träume." Dieser
Wunsch sollte zeitlebens nicht in Erfüllung gehen. Zwanzig Jahre nach seinem Tod würdigt nun das Wien
Museum die Arbeit dieses großen Fotografen in einer umfassenden Ausstellung mit zahlreichen noch nie gezeigten
Werken. Präsentiert wird damit auch ein faszinierendes Stück österreichisch-amerikanischer Foto-und
Kulturgeschichte. Direktor Matti Bunzl: "Die Ausstellung führt eindrucksvoll vor Augen, dass Haas die
Kultur- und Fotogeschichte Wiens und Österreichs um fundamentale Positionen bereichert hat. Außerdem
zeigt sich, dass die Karrieren von exilierten Fotografinnen und Fotografen nur im politischen und ästhetischen
Spannungsfeld zwischen Europa und Amerika nachvollziehbar sind."
|