Wien (gemeindbund) - In einer umfangreichen Befragung im Auftrag des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger
wurden die Bedürfnisse der heimischen Gemeinden bei der medizinischen Versorgung erhoben. „Rund 1.500 Kommunen
haben sich daran beteiligt“, sagt Hauptverband-Chefin Ulrike Rabmer-Koller. „Das ist ein Beleg dafür, wie
wichtig den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern dieses Thema ist und wie weit oben es auf ihrer politischen
Agenda steht.“ Die Befragung wurde online über das Intranet-Portal http://www.kommunalnet.at
durchgeführt.
Grundsätzlich ist die Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem hoch. 87,4 Prozent der
Gemeindevertreter glauben, dass die Bevölkerung „sehr zufrieden“ oder „eher zufrieden“ mit der medizinischen
Versorgung ist. „Auffällig dabei ist allerdings, dass die Zufriedenheit sinkt, je kleiner die Gemeinde ist“,
so Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes. Der überwiegende Anteil der Gemeinden verfügt
noch über einen oder mehrere Hausärzte im Gemeindegebiet. „Im Großen und Ganzen kann man deutlich
feststellen, dass die Bürgermeister der Meinung sind, dass das Gesundheitswesen funktioniert. Allerdings,
gibt es Verbesserungsbedarf.“
Gemeinden befürchten Mangel an Hausärzt/innen
Selbst dort, wo derzeit ein Hausarzt vorhanden ist, sehen rund 55 Prozent der Gemeinden große Herausforderungen
für die Zukunft der medizinischen Versorgung. In Gemeinden ohne praktischen Kassenarzt steigt dieser Wert
auf 74,7 Prozent, die sich Sorgen um die künftige Versorgung machen und große Probleme sehen. „Diese
Einschätzung entspricht auch unserer täglichen Wahrnehmung und ist ein lauter Ruf nach Primärversorgung
als zusätzliches Angebot im niedergelassenen Bereich“, sagt Mödlhammer. „Es häufen sich die Fälle,
in denen offene Kassenstellen mehrfach ausgeschrieben werden müssen und sich oftmals kein einziger Bewerber
dafür findet. Für die Gemeinden ist das eine schwierige Situation, die rasch und langfristig gelöst
werden muss.“
„Für die Sozialversicherung ist die Weiterentwicklung der niedergelassenen Gesundheitsversorgung eine zentrale
Herausforderung. Noch sind so viele Ärzt/innen wie noch nie in Österreich tätig - 2015 praktizierten
laut laut Statistik Austria 44.000 Ärzte, davon 14.275 Allgemeinmediziner. Doch diese Situation wird sich
stark verändern, denn ein Großteil der Ärzte kommt ins Pensionsalter. Bis 2020 werden knapp ein
Drittel, bis 2030 drei Viertel der Allgemeinmediziner 65 oder älter sein“, so Rabmer-Koller.
"Neue Kooperationsformen sind nötig"
Es gebe einen großen Bedarf an „Nachfolgern“. „Deshalb müssen wir das bestehende Hausarztsystem weiterentwickeln
und neue Versorgungs- und Kooperationsformen schaffen“, so die Hauptverbandsvorsitzende. „Wir müssen die neuen
Lebenswelten der Patienten genauso wie die der jungen Mediziner/innen berücksichtigen, in denen auch die Vereinbarkeit
mit der Familie und mehr Work-Life-Balance wichtig sind. Viele von ihnen wollen nicht mehr als Einzelkämpfer
eine Ordination führen und verstärkt mit anderen Gesundheitsberufen kooperieren“, so Rabmer-Koller. Gerade
an den Tagesrandzeiten und am Wochenende wünschen sich die Menschen mehr Angebote. Auch das zeigt eine Umfrage
des Hauptverbandes, wo die am häufigsten genannten Themen Öffnungszeiten, bessere Vernetzung und mehr
Zeit fürs Gespräch genannt werden.
Für Rabmer-Koller ist die Gangrichtung klar:
- Das bestehende Hausarztsystem muss attraktiv bleiben – durch eine Reform der
Honorarordnung und eine Verbesserung der Ausbildung. Hier haben wir mit dem neuen Lehrpraxen-System ein verbessertes
Angebot.
- Der Aufbau von Primärversorgungseinheiten soll eine Ergänzung der Einzelpraxis
sein. Damit schaffen wir mehr Versorgungsangebote, längere Öffnungszeiten und attraktive Arbeitsmodelle
für Ärzt/innen.
- Neue eHealth-Anwendungen sind der direkte Draht ins Gesundheitssystem. Mit „Meine
SV“ und „TeWeb“, der telefonischen und online-basierten Hilfestellung, ergibt sich eine deutliche Entlastung des
Systems und mehr Service an Tagesrandzeiten und am Wochenende.
Primärversorgungseinheiten seien eine wichtige Ergänzung zum bestehenden Hausarzt-System. „Es geht
dabei nicht darum, eine Konkurrenz für die Hausärzte zu schaffen. Das Ziel ist eine Weiterentwicklung
des Systems und ein Ausbau der Versorgung.“ Primärversorgung bedeutet auch nicht zwingend den Aufbau von Zentren
– gerade im ländlichen Bereich geht es vor allem um die Vernetzung von Mediziner/innen und Gesundheitsberufen.
200 Millionen Euro für Ausbau der Primärversorgung
Für den Ausbau der Primärversorgung seien mit dem Finanzausgleich rund 200 Mio. Euro vorgesehen – positiv
dabei ist die Bereitschaft der Länder, sich ebenso wie die SV finanziell daran zu beteiligen. „Damit sollte
es gelingen, in diesem Bereich relevante Fortschritte zu machen“, sagt Rabmer-Koller. 60 Prozent der befragten
Gemeinden können sich eine solche Einheit in ihrer Gemeinde gut vorstellen. Für Gemeindebund-Chef Helmut
Mödlhammer sind Primärversorgungseinheiten demnach eine sinnvolle Erweiterung des Angebotes: „Am Interesse
der Kommunen mangelt es also sicher nicht“, so Mödlhammer. „Wir sind neuen Lösungen und weiterführenden
medizinischen Angeboten gegenüber sehr aufgeschlossen.“ Hausärzte seien somit weiterhin das Rückgrat
der Versorgung. „80 Prozent aller Gesundheitsprobleme können vom Hausarzt behandelt werden, diese Form der
Versorgung ist auch ausdrücklicher Wunsch der Menschen“, so Mödlhammer.
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist das organisatorische Dach über
der solidarischen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Österreichs. Die Sozialversicherung garantiert
unabhängig von Alter, Einkommen, sozialer Herkunft und Bildung hochwertige Gesundheitsversorgung und eine
sichere Pensionsvorsorge. Aktuell sind rund 8,5 Millionen Menschen anspruchsberechtigt (Versicherte und mitversicherte
Angehörige).
Der Österreichische Gemeindebund ist die Interessensvertretung von 2.089 Städten und Gemeinden in Österreich.
Er ist in der Verfassung verankert und vertritt die Interessen der Kommunen gegenüber der Bundesregierung
bzw. über seine Landesverbände gegenüber der jeweiligen Landesregierung. Seine Vertretungsbefugnis
äußert sich u.a. in den Verhandlungen zum Finanzausgleich, den der Gemeindebund im Namen der Gemeinden
unterschreibt.
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