Innsbruck (universität) - Wie Zuckerguss überzieht festes Helium die großen, fußballförmigen
Kohlenstoff-Moleküle, die Innsbrucker Physiker im Labor erstmals erzeugt haben. Die Messungen an den „Schneebällen“
liefern wichtige Daten für die Suche nach Fullerenen im Weltall. Die Moleküle könnten eine wichtige
Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben. Helium ist die einzige Substanz, die selbst am absoluten Nullpunkt
unter Normaldruck nicht fest wird. Anders ist dies, wenn Helium sich auf geladenen Teilchen ablagert. Dann kann
sich auch bei niedrigem Druck eine feste Heliumschicht ausbilden. Diese sogenannten Atkins-Schneebälle wurden
schon für einige einfache Teilchen nachgewiesen. Nun hat eine Arbeitsgruppe um Prof. Paul Scheier vom Institut
für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck erstmals Fullerene mit einer festen Heliumschicht
überzogen und vermessen. Fullerene sind kugelförmige Moleküle aus Kohlenstoffatomen, die wie auf
einem Fußball angeordnet sind. Man spricht deshalb auch von Fußballmolekülen.
Heliumschicht schmilz dahin
Das Team um Paul Scheier erzeugt im Labor ultrakalte Heliumtröpfchen, in denen die beinahe kugelförmigen
Moleküle aus 60 Kohlenstoffatomen eingelagert und ionisiert werden. Mit einem Massenspektrometer werden die
Teilchen dann analysiert. „Wir konnten zeigen, dass Fullerene bis zu 32 Heliumatome aufnehmen können, bevor
der feste Heliummantel um das Kohlenstoffmolekül aufzuschmelzen beginnt und ein Teil der Atome zu wandern
beginnt“, erzählt der Physiker. „Mit 60 Heliumatomen ist die erste Schale um das Fulleren voll. Ab 80 Atomen
ändert sich das Absorptionsverhalten des Ions nicht mehr, was wir mit dem Einsetzen der Suprafluidität
interpretieren.“ Mit Hilfe eines verstellbaren, schmalbandigen Laserstrahls konnten die Wissenschaftler Absorptionsspektren
ermitteln, die Auskunft über den Zustand des Heliums geben. Die Experimente konnten durch eine Kollaboration
von Mitgliedern des Doktoratskollegs Atome, Licht und Moleküle verwirklicht werden. Mit umfangreichen theoretischen
Simulationen konnten die Forscher die Ergebnisse aus dem Labor bestätigen.
Schneebälle im Weltall
Die von den Innsbrucker Physikern gemeinsam mit einem internationalen Team ermittelten Absorptionsspektren
bilden eine wichtige Grundlage für die Beurteilung von astrophysikalischen Beobachtungen. Im Jahr 2010 wurde
die Existenz von Fullerenen im Weltall erstmals nachgewiesen. Die nun in der Fachzeitschrift Nature Communications
veröffentlichten Ergebnisse liefern weitere Hinweise für die Interpretation von Messergebnissen aus dem
All. Die Kohlenstoffverbindungen sind an zahlreichen chemischen und physikalischen Prozessen im Weltall beteiligt
und könnten zum Beispiel in interstellaren Wolken bei der Entstehung komplexer Biomoleküle als Katalysator
gedient haben. Das haben frühere Untersuchungen der Innsbrucker Ionenphysiker bereits ergeben.
Finanziell unterstützt wurden diese Arbeiten unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF
und der Europäischen Union.
Publikation:
Atomically resolved phase transition of fullerene cations solvated in
helium droplets. M. Kuhn, M. Renzler, J. Postler, S. Ralser, S. Spieler, M. Simpson, H. Linnartz, A. G. G. M. Tielens,
J. Cami, A. Mauracher, Y. Wang, M. Alcamí, F. Martín, M. K. Beyer, R. Wester, A. Lindinger, P. Scheier.
Nature Communications 2016 DOI: 10.1038/ncomms13550
http://dx.doi.org/10.1038/ncomms13550
|