Mehr als 100.000 Menschen erbrachten Nachweis für Quantenverschränkung
Wien (öaw) - Über 100.000 Wissenschaftsfans und elf Forschungseinrichtungen rund um den Globus
– darunter die Österreichische Akademie der Wissenschaften – stellten beim BIG Bell Test am 30.11. die „spukhafte
Fernwirkung“ auf den Prüfstand. Mit dem bisher größten quantenphysikalischen Mitmach-Experiment
der Welt konnten sie zeigen, dass Albert Einstein irrte.
0 oder 1? Auf die möglichst schnelle Entscheidung zwischen diesen beiden Zahlen kam es beim BIG Bell Test
am 30. November 2016 an. Mehr als 100.000 Menschen zögerten nicht lange, und sendeten ihre Wahl per Computer,
Tablet oder Smartphone an elf Forschungslabors in zehn Städten rund um den Globus. Mit der Eingabe willkürlicher
Folgen von Nullen und Einsen auf der Website thebigbelltest.org erzeugten die Wissenschaftsfans über 90 Millionen
Bits und sorgten so dafür, dass der nach dem nordirischen Physiker John Bell (1928–1990) benannte Test zum
Nachweis der Verschränkung von Teilchen im weltweit bisher größten quantenphysikalischen Mitmach-Experiment
gelingen konnte. Damit zeigten Bürger/innen und Forschende, dass Albert Einsteins „spukhafte Fernwirkung“
tatsächlich real ist.
Schlupfloch Zufall erfolgreich geschlossen
Der berühmte Physiker und Nobelpreisträger hatte einst nämlich bezweifelt, dass die Messung
an einem Teilchen unmittelbar den identischen Zustand bei einem anderen Teilchen festlegen kann, ohne dass eine
Verbindung zwischen den beiden besteht und diese Fernwirkung daher als „spukhaft“ bezeichnet. Zwar konnte inzwischen
in zahlreichen Experimenten gezeigt werden, dass die Verschränkung tatsächlich existiert, aber immer
wieder wurden Schlupflöcher vermutet, durch die es den Teilchen möglich sein sollte, sich irgendwie „abzusprechen“.
So wurden etwa bei bisherigen Bell Tests stets Zufallsgeneratoren verwendet, um die Messung unvorhersehbar zu variieren.
Skeptiker wenden aber ein, dass zwischen den Generatoren und den Teilchen in einer gemeinsamen Versuchsanordnung
eine Verbindung bestehen könnte. Durch die erstmalige Einbeziehung tausender Menschen, die unabhängig
voneinander unvorhersehbare Entscheidungen trafen, konnte dieses Schlupfloch nun auf eine neuartige Weise geschlossen
werden.
10.000 Seitenaufrufe des Computerspiels in Österreich
Auch am Institut für Quantenoptik- und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(ÖAW) in Wien wurden beim BIG Bell Test die menschgemachten Daten in Echtzeit in ein Experiment zur Verschränkung
von Lichtteilchen eingespeist. Während die Teilnehmer/innen aus aller Welt ihre willkürlichen Zahlenfolgen
in einem eigens für den Test entwickelten Online-Game eintippten und an die Labors schickten, überprüften
die Wiener Physiker/innen damit die Polarisation von miteinander verschränkten Photonen.
„Unser Experiment in Wien konnte mithilfe der zufällig generierten Daten ebenfalls nachweisen, dass die Verschränkung
existiert und die Welt tatsächlich so ‚verrückt’ ist, wie die Quantenphysik behauptet“, erklärt
ÖAW-Quantenphysiker Thomas Scheidl und zieht eine positive Bilanz des Mitmach-Experiments: „Es freut mich
sehr, dass sich so viele Menschen überall auf der Welt für den BIG Bell Test begeistert und mitgemacht
haben. Wir hatten auf 30.000 Teilnehmer/innen gehofft. Nun sind es mehr als 100.000 geworden. Das zeigt, wie groß
das Interesse der Bevölkerung an der Grundlagenforschung ist und das Wissenschaft Spaß macht.“
Auch in Österreich war die Beteiligung am BIG Bell Test hoch: Die Website mit dem Computerspiel verzeichnete
insgesamt mehr als 10.000 Aufrufe aus allen österreichischen Bundesländern. Besonders in Wien, der Steiermark
und Niederösterreich machten hunderte Menschen mit.
Weltumspannende Forschungskooperation
Möglich gemacht hat das großangelegte Citizen-Science-Projekt eine globale Zusammenarbeit von rund
fünfzig Wissenschaftler/innen quantenphysikalischer Forschungseinrichtungen, die von Österreich bis Australien
reichte.
Koordiniert vom spanischen ICFO – The Institute of Photonic Sciences in Barcelona waren am BIG Bell Test neben
der ÖAW auch die Griffith University und die University of Queensland im australischen Brisbane, die Universidad
de Concepción in Chile, die schwedische Linköping University, die University of Sevilla, die Sapienza
University in Rom, die Ludwig-Maximilians-Universität in München, die Universität Nizza sowie die
ETH Zürich an dem Experiment beteiligt.
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