Finanzausschuss diskutiert Wirtschaftspolitik im In- und Ausland
Wien (pk) - Die aktuelle Geldpolitik schafft die notwendigen Voraussetzungen zur Expansion, weitere struktur-
und fiskalpolitische Maßnahmen sind aber notwendig, informierte Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny am 30.11.
die Abgeordneten des Finanzausschusses über wirtschafts- und währungspolitische Maßnahmen der Österreichischen
Nationalbank.
Die jüngsten unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen beginnen ihre Wirkung zu entfalten, freute
sich Nowotny über das stabiles BIP-Wachstum von 3%. Mit 1,6% wachsen die Industriestaaten 2016 nur schwach,
für 2017 wird eine Erholung auf 1,8% erwartet. Als Wachstumstreiber nannte der Gouverneur die inländische
Nachfrage, wohingegen die Exportwirtschaft nur schwach wächst. Die Gefahr der Deflation sieht er für
den Euroraum jedoch nicht. Positive Nachrichten gibt es von Schwellen- und Entwicklungsländern, ging Nowotny
von einem Wachstum von 4,2% im Jahr 2016 und 4,6% 2017 aus. Vize-Gouverneur Andreas Ittner sprach über die
Entwicklung der Bankenunion und den grenzüberschreitenden Schutz von Spareinlagen, Immobilienpreise und bessere
Ratings für österreichische Banken.
Mehr Kredite durch niedrige Zinsen und gelockerte Richtlinien
In der ersten Jahreshälfte 2016 beschloss die Europäische Zentralbank eine Reihe geldpolitischer Maßnahmen,
wozu die weitere Senkung der geldpolitischen Leitzinsen, die Ausweitung des Wertpapier-Ankaufprogramms auf 80 Mrd.
€ monatlich sowie das Angebot von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften zählen. Diese
Maßnahmen trugen zur Reduktion der Refinanzierungskosten von Banken bei, sagte Nowotny. Banken könnten
sich zu historisch niedrigen Zinsen refinanzieren und hätten diesen Kostenvorteil direkt an ihre Kunden weitergegeben.
Da einerseits die Kreditzinsen für Bankkunden gesunken sind und andererseits die Kreditrichtlinien der Banken
gelockert wurden steigt die Nachfrage nach Bankkrediten, erörterte Nowotny. Um das Wachstum weiter voranzutreiben
müssten aber auch fiskalpolitische Maßnahmen getroffen werden, ging Bruno Rossmann (G) mit Nowotny einher.
Das Ankaufprogramm der Wertpapiere kann aus Sicht des Gouverneurs bis März 2017 in Höhe von 80 Mrd. €
weitergeführt werden.
Nationale Wirtschaft wächst
Seit dem vierten Quartal 2015 erholt sich die heimische Wirtschaft. Diese Erholung wird von der Inlandsnachfrage
getragen - sowohl der private Konsum als auch die Investitionen stützen das Wachstum. Der private Konsum profitiert
von der Steuerreform und die Arbeitsmarktdaten spiegeln die aktuelle Konjunkturerholung wider. Die Gesamtbeschäftigung,
die Beschäftigung in der Industrie sowie die Anzahl an Vollzeitstellen und geleisteten Arbeitsstunden wachsen,
zeigte sich Nowotny über den höchsten Beschäftigungsstand der 2. Republik erfreut. Aufgrund des
kräftigen Wachstums des Arbeitskräfteangebots steigt die Arbeitslosigkeit jedoch weiter. Struktureffekte
zeigen hier ihre Wirkung, machte er Kai Jan Krainer (S) auf den Anstieg der Erwerbsquote bei den 55- bis 64-jährigen
sowie der Frauenerwerbsquote aufmerksam.
Euroraum: verhaltenes Wachstum und steigende Inflation
Das reale BIP im Euroraum ist im Vergleich zum Vorquartal um 0,3% gewachsen. Eine Belebung des Wachstums wird erwartet,
informierte Nowotny die Abgeordneten.
Die Inflationsrate nach Verbraucherpreisindex im Euroraum stieg im Oktober weiter auf 0,5%, erklärte Nowotny.
Die noch in der ersten Jahreshälfte negative Inflationsrate hat sich somit erhöht, dennoch ist das angestrebte
Ziel von knapp unter 2% in weiter Ferne. Für den Anstieg waren neben den Energiepreisen vor allem eine Verteuerung
von Dienstleistungen, aber auch von Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak verantwortlich, sagte Nowotny gegenüber
Abgeordnetem Kai Jan Krainer (S). Krainer, Rainer Hable (N) und die Grün-Mandatare Werner Kogler und Bruno
Rossmann waren an wirtschaftspolitischen Entwicklungen in Deutschland und Italien interessiert und sahen darin
Gefährdungen für die Gesamtstabilität des Euroraums. Auch wenn das Ziel von 2% verfehlt würde,
sei die Deflationsgefahr für den Euroraum gebannt, meinte Nowotny.
Immobilienfinanzierung, Bankenunion
In der Immobilienfinanzierung sind nachhaltige Kreditvergabestandards festzulegen, um den Aufbau systemischer Risiken
zu vermeiden und Spekulation von der Wohnimmobilienfinanzierung fernzuhalten, erfuhren die Abgeordneten von Vizegouverneur
Ittner. Gabriel Obernosterer (V) stellte dazu fest, dass der österreichische Immobilienmarkt überhitzt
sei. Dieses Gefährdungspotential sei ihm bekannt, antwortete Ittner. Die Auswirkungen auf den österreichischen
Bankensektor sind jedoch abschätzbar, meinte er im Hinblick auf das gesamte Tätigkeitsfeld der Banken.
Das Risiko von Immobilien, die nicht kreditfinanziert sind, liegt bei den Investoren, stellte auch Nowotny dazu
fest.
Die Harmonisierung der Bankenunion schreitet zügig voran. In den vergangenen zwei Jahren konnten im Einheitlichen
Aufsichtsmechanismus wesentliche Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden
erreicht werden.
Gold, Bargeld und digitale Währung
Bis November 2015 wurden 80% der österreichischen Goldbestände in London gelagert. Lediglich 50 Tonnen,
17% des Gesamtbestandes befand sich in Wien (in der Münze Österreich). Ende 2016 sollen sich 194 t (69%)
in London, 80 t (28%) in Wien sowie 6 t (3%) in der Schweiz befinden. Die Lagerung des Goldes verursacht keine
zusätzlichen Kosten, es werden vorhandene Lager befüllt, erfuhr Krainer von Nationalbankgouverneur Nowotny.
Die Transportkosten seien vergleichsweise gering und langfristig würden mit dieser Lagerungsform Kosten eingespart.
Im Bargeldbereich wird ab 4. April 2017 der neue 50-€-Schein ausgegeben, informierte Vizegouverneur Ittner. Es
handelt sich um eine Weiterentwicklung der ersten Serie. Das bekannte Motiv wurde beibehalten, jedoch zwecks Integration
der verbesserten Sicherheitsmerkmale geringfügig abgewandelt. Unternehmen können die Scheine zu Sicherheitszwecken
vorab testen.
Der Wettbewerb zwischen den österreichischen Banken ist hoch, ließ Ittner Abgeordneten Werner Kogler
(G) wissen. Im Vergleich zum Euroraum vergeben österreichische Banken niedrige Kredit- und hohe Einlagezinsen,
wovon ein funktionierender Wettbewerb abgelesen werden kann. Dennoch ist die Kostenstruktur hoch und über
dem europäischen Durchschnitt, weshalb die Kosten weiter reduziert werden müssten, machte Ittner glaubhaft.
Die Ratingagentur Moody's hat den Ausblick für österreichische Banken auf stabil angehoben. Auch Fitch
bestätigte das AA+-Rating für die Republik, führte Vizegouverneur Andreas Ittner aus. International
gesehen sei das österreichische Bankensystem stabil.
Christoph Matznetter (S) thematisierte das digitale Zahlungssystem Bitcoin. Durch digitale Überweisungsplattformen,
beispielsweise die Sofortüberweisung würde Druck auf KonsumentInnen ausgeübt, bargeldlos zu bezahlen.
Ittner sah darin lediglich eine weitere Möglichkeit für KonsumentInnen.
Eine wichtige Notenbankaufgabe sei die Finanzbildung. Die OeNB habe daher eine Kampagne gestartet, um die Bildungsstandards
zum Thema Finanzen zu erhöhen, erfuhr Hubert Fuchs (F) von Gouverneur Nowotny. Zudem trete die Nationalbank
an Volksschulen heran, um die SchülerInnen über die Sicherheitsmerkmale der Banknoten zu informieren.
Basel III wird finalisiert
Ende 2016 soll der Übergang von Basel II zu Basel III abgeschlossen werden. In diesem Rahmen wurden die Eigenkapitalvorschriften
für Banken überarbeitet, um einen Ausgleich zwischen Einfachheit und Risikosensitivität zu schaffen.
Ein neuer Kreditrisikostandardansatz soll eine einfachere Anwendung der Regeln und eine Neukalibrierung der Risikogewichtungen
ermöglichen. So wird die Abhängigkeit von externen Ratings reduziert, unterstrich Ittner.
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