Orth an der Donau/Wien (welldone) - Diese und weitere Fragen wurden beim großen Wirtschaftstalk am gemeinsamen
Biotech Campus von Pfizer und Shire in Orth an der Donau (NÖ) von einer Expertenrunde diskutiert - ganz im
Zeichen der „Zukunftsstrategie Life Sciences und Pharmastandort Österreich“ von Staatssekretär Dr. Harald
Mahrer.
Die Forschungsquote im Pharmabereich ist im EU-Durchschnitt mit 14,4 Prozent die höchste und liegt noch vor
jener im Bereich Software- & Computersysteme (10,4 Prozent). (1) Im Bereich Forschung & Entwicklung von
Pharmazeutischen Erzeugnissen waren im Jahr 2013 in Österreich 1.075 Menschen beschäftigt. In der heimischen
Pharmaindustrie sind 120 Unternehmen mit ca. 18.000 Mitarbeitern. 20 Prozent davon produzieren in Österreich
und bieten damit 7.000 Arbeitsplätze – alleine in der Produktion. (2) (3) (4) Vor dem Hintergrund der zunehmenden
Globalisierung und Digitalisierung steht die heimische Wirtschaft, als klassisches „Exportland“, auch weiterhin
verstärkt unter dem globalen Wettbewerbsdruck. Pioniergeist und Unternehmertum sorgten in der Vergangenheit
für eine gute Ausgangslage. Die Studie „Deloitte.Radar 2016“ ergab für das Jahr 2015 jedoch eine im Vergleich
zum Vorjahr gesunkene wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Österreich erreichte 2,86
von 5 möglichen Punkten, 2014 waren es noch 3 Punkte. Die Studie identifizierte dabei 7 kritische Standortfaktoren.
Besonders im Bereich der Kosten sieht sie dringenden Handelsbedarf – sowohl bei der Steuer- und Abgabenlast als
auch hinsichtlich der Lenkungseffekte der heimischen Fiskalpolitik. Als weitere Bereiche mit Handlungsbedarf wurden
die Standortfaktoren „Politisches und makroökonomisches Umfeld“, „Regulatorisches Umfeld“, sowie die Verfügbarkeit
von (qualifizierten) Arbeitskräften festgestellt. Standortvorteile sieht die Studie in den Bereichen „Unternehmensinfrastruktur
und Umfeld“ sowie „Innovation, Forschung & Technologie“. Hier positioniert sich Österreich im internationalen
Vergleich gut. 2015 betrug die Forschungsquote in Österreich rund 3% des BIP – die Ausgaben für Forschung
und Entwicklung überstiegen damit erstmals 10 Mrd. Euro. Damit positioniert sich Österreich deutlich
über dem EU-28 Durchschnitt von 2%, hinter Schweden. Bestnoten erhält der heimische Wirtschaftsstandort
bei Betrachtung der sehr hohen Lebensqualität. Diesen Standortvorteil gilt es jedoch, so die Studie, gegen
drohende Verschlechterungen abzusichern. (5)
Expertentalk zum Innovations- und Wirtschaftsstandort Österreich
Im Rahmen einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion stellten sich Dr. Marcus Scheiblecker (Stellvertretender
Leiter WIFO), Dr. Ulrike Unterer (technisch-wirtschaftliche Forschung im Bundesministerium für Wissenschaft,
Forschung und Wirtschaft),DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche(Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht und Vorsitzende
des EMA Management Board),Martin Dallinger (Site-Leader PGS-Orth/Pfizer) und Ing. Alexander Herget, MBA (Site-Lead
Orth/Shire) dem Thema. Der Bogen spannte sich dabei vom Wirtschaftsstandort Österreich aus Sicht der produzierenden
und forschenden pharmazeutischen Industrie bis hin zu Vorteilen und Herausforderungen des heimischen Wirtschaftsstandorts
in einem zunehmend vom globalen Wettbewerb gekennzeichneten Umfeld. Danach charakterisierte man den Medizin- und
Pharmastandort Österreich, zeigte Perspektiven zur Verbesserung der Außenkommunikation auf und erörterte
die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und (pharmazeutischer) Wirtschaft. „Österreich als kleine
Volkswirtschaft braucht einen Fokus auf Stärkefelder, um Mittel zu bündeln und zu den innovativsten Ländern
der Welt aufzuschließen. Life Sciences sind so ein Stärkefeld, wo bereits exzellente Grundlagen- und
angewandte Forschung stattfindet. Dieser Sektor hat sich in relativ kurzer Zeit sowohl wirtschaftlich als auch
wissenschaftlich mit enormer Dynamik entwickelt. Daher müssen wir die notwendigen Maßnahmen umsetzen,
um auch für künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein und wettbewerbsfähig zu bleiben“, so
Harald Mahrer. In Vertretung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und
Wirtschaft hielt Dr. Ulrike Unterer (technisch-wirtschaftliche Forschung im Bundesministerium für Wissenschaft,
Forschung und Wirtschaft) die Keynote und nahm auch am darauffolgenden Expertentalk teil.
Als Vertreter der forschenden und produzierenden pharmazeutischen Industrie boten Martin Dallinger und Ing. Alexander
Herget spannende Einblicke in ihre Tätigkeitsfelder. Martin Dallinger berichtete: „Die Kombination mit innovativen
Technologien, hochqualifizierten Fachkräften und einem sicheren wirtschaftlichen und politischen Umfeld schaffen
die ideale Basis für unser oberstes Ziel: die zuverlässige Versorgung unserer Patienten mit Produkten
von höchster Qualität. Dennoch, Österreich muss als Produktionsstandort wieder international attraktiver
werden, dies gilt insbesondere in der Herausforderung eines globalisierten Umfelds. Für ein produzierendes
Pharmaunternehmen gilt die Balance von Lieferzuverlässigkeit, Kosten und Qualität der Produkte als ein
wesentlicher wettbewerbsentscheidender Faktor. Schnelligkeit, Flexibilität, Networking und Best-Practice-Sharing
auf internationaler Ebene fördern außerdem die Effizienz. Langfristige, strategische Ziele zusammen
mit dem stetigen Streben nach kontinuierlicher Verbesserung der Unternehmensprozesse tragen zusätzlich dazu
bei, die Wettbewerbsfähigkeit fortwährend an die Anforderungen der nationalen und internationalen Märkte
anzupassen. Eine gezielte Kundenorientierung und ein starkes Dienstleistungsbewusstsein als Säulen eines pharmazeutischen
Produktionsbetriebs rücken das Wohl jedes einzelnen Patienten in den Fokus aller Bemühungen.“
Im Anschluss ging Ing. Alexander Herget auf das Modell des Standorts in Orth an der Donau ein, das als Best-Practice-Beispiel
angeführt werden kann, wenn es darum geht, dringend benötigte Produkte rasch für den Patienten verfügbar
zu machen: „Das Werk in Orth spielt eine bedeutende Rolle im gesamten pharmazeutischen Prozess von Shire – von
der Entwicklung über die Produktion für klinische Studien bis zur Lizenzierung von hoch innovativen Therapien.
Die Gentherapie ist nur ein Beispiel von vielen. Die räumliche Nähe von Forschung und Entwicklung der
Produktionsprozesse und der klinischen Produktion sind die Grundlage für die spätere kommerzielle Produktion
und somit ein kritischer Erfolgsfaktor, um Therapien schnell auf den Markt zu bringen. Denn gerade im Bereich der
seltenen Erkrankungen zählt bei der Zulassung neuer Produkte jeder Monat für Patienten, die mit diesen
seltenen Krankheiten leben müssen.“
Österreichischer Pioniergeist für globalen Wettbewerb
Dr. Marcus Scheiblecker attestierte dem Wirtschaftsstandort Österreich, vor allem bei der Infrastruktur,
der Ausbildung und dem sozialen Frieden eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig wies er
auf strukturelle Schwächen hin. „Auch wenn Österreich gewisse Schwachpunkte in der Struktur aufweist
und diesbezüglich wichtige Reformen anstehen, besitzt unser Land im internationalen Vergleich eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.
Diese zeichnet sich aus durch eine gut ausgebaute Infrastruktur, einen hohen Qualifizierungsgrad der Arbeitskräfte
und ein hohen Grad an sozialem Frieden, der sich in einer äußerst geringen Streikneigung niederschlägt.
Eine der Herausforderungen der Zukunft wird darin bestehen, diese Vorteile durch wirtschaftspolitische Maßnahmen
und Zukunftsinvestitionen im Bereich Bildung und Ökologisierung abzusichern und auszubauen.“
Auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen wurde diskutiert. DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche
führte zur Rolle der AGES Medizinmarktaufsicht hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der produzierenden und
forschenden pharmazeutischen Industrie an: „Wir, die AGES Medizinmarktaufsicht, bewerten im Auftrag des Bundesamtes
für Sicherheit im Gesundheitswesen alle Verfahren im Lebenszyklus eines Arzneimittels in hoher Qualität
und innerhalb der gesetzlichen Fristen. Offene Kommunikation mit den Antragstellern und anerkannte wissenschaftliche
Expertise in der Behörde ermöglichen die Stärkung des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Österreich.
Wir unterstützen damit den Ausbau des Zukunftspotenzials des österreichischen Pharma-Marktes. Durch den
Zuwachs an Know-how, Forschungstätigkeit und Gesamt-Wertschöpfung in diesem Bereich kann letztlich auch
der gesamte Wirtschaftsstandort Österreichs attraktiver werden. Ein bedeutender Wirtschaftsstandort Österreich
im Pharmabereich braucht letztlich auch eine starke regulatorische Behörde!“
Forschung & Entwicklung weiter vorantreiben
Im abschließenden Resümee waren sich die Experten einig, dass Biotechnologie-, Pharma- und Medizintechnologie-Unternehmen
ein starker Motor für den Wirtschaftsstandort Österreich sind. In einer sich ständig wandelnden
Welt gilt es auch in Zukunft mit Pioniergeist und Forschertum voranzugehen und Herausforderungen – vom globalen
Wettbewerb bis hin zur zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche – anzunehmen und aktiv zu bewältigen,
um Chancen für die Wirtschaft, die Gesellschaft und damit einhergehend für jeden Einzelnen bestmöglich
nutzen zu können.
Referenzen:
[1] Deloitte.Radar 2016. Cockpit.
[2] The 2014 EU Industrial R&D Investment Scoreboard
[3] Statistik Austria 2013: Unternehmensdemografie-Statistik
[4] PHARMIG Mitgliederumfrage, 2014/15
[5] Deloitte.Radar 2016. Seite 39.
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