Verwurzelung festigen, Vielfalt wertschätzen, Offenheit pflegen – diese drei Grundsätze
bildeten den Kern der Haushaltsrede von Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Bozen (lpa) - Am 25. Oktober 2016 hat die Landesregierung den Entwurf zum Landeshaushalt verabschiedet.
Mit der Haushaltsrede von Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde am 07.12. die Behandlung des 5,636 Milliarden
Euro umfassenden Haushaltes 2017 im Landtag eröffnet.
Den Gestaltungsspielraum Südtirols auszubauen, die Lebensqualität weiter zu stärken und die Verwurzelung
aller drei Sprachgruppen in ihrer Heimat Südtirol zu festigen, bezeichnete der Landeshauptmann in seiner Rede
als übergeordnete Ziele. Dazu solle der Weg fortgesetzt werden, den Südtirol bisher erfolgreich gegangen
ist: jenen der „Stärkung und des soliden Ausbaus der Autonomie“. „Der Landeshaushalt“, erklärte Landeshauptmann
Kompatscher, „dient uns dabei als zentrales Steuerungsinstrument der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.“
Die Autonomiepolitik im Lichte des 70. Jahrestages der Unterzeichnung des Gruber-Degasperi-Abkommens sowie des
jüngst stattgefundenen Verfassungsreferendums stellte der Landeshauptmann an den Beginn seiner Rede und sagte:
„Die auf dem Pariser Vertrag basierende Autonomie hat Südtirol Frieden und eine weitreichende Eigenständigkeit
gebracht.“ Allerdings werde diese hart umkämpfte Autonomie allzu sorglos klein oder gar schlecht geredet.
Der Landeshauptmann verwies auf die Notwendigkeit, die Autonomie ständig weiter zu entwickeln. Eine Chance
dazu sei mit der Ablehnung der Verfassungsreform verwirkt worden. Die Mehrheit der Südtiroler Wählerinnen
und Wähler, die für das Ja gestimmt hat, habe einen klaren Auftrag für die Weiterentwicklung und
für den Ausbau der Autonomie gegeben.
Im Jahre 2017 stehen dem Land – nach Abzug der Durchlaufposten und des Beitrags zur Tilgung der Staatsschulden
– 4,856 Milliarden Euro zur Verfügung. Das seien um 42 Millionen Euro weniger als im Vorjahr, führte
Kompatscher im finanztechnischen Teil seiner Haushaltsrede aus. Als Mehrkosten nannte er: 54 Millionen Euro für
den neuen bereichsübergreifenden Kollektivvertrag, 45 Millionen Euro für zusätzliche 100 Ärztinnen
und Ärzte, 120 Pflegekräfte und die Pflegesicherung. Mindereinnahmen von 320 Millionen Euro bewirken
die Steuererleichterungen. „Die Landesregierung geht den Weg der Entlastungen weiter. Im Haushalt verzichten wir
auf insgesamt 320 Millionen an Steuereinnahmen“, bemerkte der Landeshauptmann dazu und fügte hinzu: „Dieses
Geld bleibt in den Taschen der Bürger und Unternehmen. Aber es sind nicht alle damit glücklich, dass
die Landesregierung das Gießkannensystem im Beitragswesen durch Steuerentlastungen ersetzt hat. Denn Beiträge
fördern die Wiederwahl, weil sie politische Dankbarkeit schaffen. Unser jetziges System erfordert viel politische
Disziplin. Doch wir sind überzeugt, dass das neue System nicht nur wesentlich wirksamer ist, sondern auch
einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Bürokratie leistet.“
Besonderes Augenmerk gilt auch im Landeshaushalt 2017 der Beschäftigung, einem Bereich, „in dem es noch großer
Anstrengungen“ bedürfe, um bis 2020 die vorgegebene Beschäftigungsquote von 80 Prozent zu erreichen.
Als Hilfsmittel dazu bezeichnete der Landeshauptmann den ESF, die elektronische Arbeitsbörse, die Wirtschaftsförderung
und die Steuerentlastungen. Ziel der Landesregierung sei es auch, wohnortnahe Arbeitsplätze zu erhalten und
zu schaffen.
Familien wolle man neben der finanziellen Unterstützung und der frühen Stärkung eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zukommen lassen. Dabei werde der Fokus 2017 auf den quantitativen und qualitativen Ausbau
der Kleinkinderbetreuung gelegt.. Dazu komme das neue Finanzierungsmodell für die Kleinkinderbetreuung ab
2017 zur Anwendung. Der „Bedeutung der Familie für den einzelnen Menschen und als Grundstein der Gesellschaft“
trage die Landesregierung mit der Aufstockung der Mittel Rechnung. Für die Finanzierung der Leistungen an
Familien werden mit rund 75 Millionen fast doppelt so viele Mittel bereit gestellt wie vor zehn Jahren, während
die Geburtenzahlen stagnieren.
Im Bereich der Bildung stehen im Bildungsjahr 2017/2018 einige große Aufgaben an. Die Bildungsausgaben bezeichnete
der Landeshauptmann als Investition in die Zukunft. „Die Zukunftsfähigkeit eines Landes ist eng mit der Schul-
und Ausbildung verbunden, die Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zuteil wird.“ Je besser die Ausbildung
sei, desto geringer sei die Gefahr, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Anderseits trügen gute Bildungsangebote
dazu bei, die soziale Schere zu schließen.
„Um Wurzeln schlagen zu können, brauchen Menschen leistbaren Wohnraum“, leitete der Landeshauptmann zum Bereich
Wohnbau über. Für diesen Bereich hat die Landesregierung 2017 ein Plus von 13,5 Millionen Euro an Haushaltsmitteln
vorgesehen. Insgesamt stehen damit 140 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen unter anderem auch neue Wohnformen
gefördert werden sollen. Kompatscher kündigte für das kommende Jahr ein neues Wohnbaugesetz an,
durch das Verfahren vereinfacht, Detailregelungen verringert, Doppelgleisigkeiten abgebaut und die Wirksamkeit
erhöht werden sollen.
Durch Investitionen in Infrastruktur werde das Land auch 2017 zu Erreichbarkeit und Vernetzung beitragen: Dies
gelte für den Straßenbau ebenso wie für die Breitbanderschließung. Auch die Investitionen
in den öffentlichen Nahverkehr dienten der Erreichbarkeit und Vernetzung. „Diese sichern die gesellschaftliche
Teilhabe der Bewohner der ländlichen Gemeinden und gleichen entfernungsbedingte Standortnachteile aus“, so
Landeshauptmann Kompatscher. Insgesamt 191 Millionen Euro werden in den Personennahverkehr fließen. Die Neuausschreibung
der Dienste, welche bis 2018 erfolgen muss, und auch die Übergangszeit bis zur Neuvergabe, werde laut Landeshauptmann
auf jeden Fall im öffentlichen Interesse gestaltet. Mit aller Kraft vorantreiben will die Landesregierung
die Schienenprojekte, auch im Sinne der Klima-Strategie „Energie-Südtirol 2050“ und des E-Mobility-Strategieplans.
„Wenn wir unsere Heimat stärken und die Zukunft sichern wollen, dann geht das nur über die und gemeinsam
mit der Landwirtschaft und im Besonderen mit der Berglandwirtschaft, die unter massivem Druck steht“, betonte der
Landeshauptmann. Im Haushaltsvoranschlag seien daher die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft auf 72
Millionen Euro aufgestockt worden. Hinzu kommen die Mittel aus dem ländlichen Entwicklungsprogramm, wo für
die laufende Förderperiode 2014 bis 2020 eine Erhöhung der Mittel erreicht wurde. „Der Erhalt unserer
Berglandwirtschaft ist aber nicht nur eine Frage der bereitgestellten finanziellen Mittel, sondern auch eine Frage
der Innovationsfähigkeit“, daher habe die Landesregierung den Aktionsplan Berglandwirtschaft als strategischen
Plan für die Ausrichtung der Forschung in den Bereichen Berglandwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften
ins Leben gerufen und 25 Millionen Euro im Zeitraum 2015-2022 bereitgestellt.
Die „sehr gute“ Wirtschaftsentwicklung belegte der Landeshauptmann unter anderem mit dem Wirtschaftsbarometer der
Handelskammer und dem Bericht der italienischen Notenbank. Dies werde auch 2017 so bleiben, prognostizierte der
Landeshauptmann. Die Landesregierung werde auch in den kommenden zwei Jahren die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
in den Mittelpunkt stellen, „weil wir die Wirtschaftskraft nötig brauchen, um den Standard in der Bildung,
im Gesundheitswesen und im Sozialen zu halten“. Besonderes Augenmerk will die Landesregierung auf die Forschung
und Entwicklung legen, ein Bereich, in dem Südtirol noch weit von der Erfüllung der europäischen
Vorgaben entfernt ist. Weitere Schwerpunkte im Bereich Wirtschaft sind die Neuordnung des Handels, die dank einer
im Juli 2016 in Kraft getreten Durchführungsverordnung möglich ist, und die Reorganisation der Tourismusorganisationen.
Gesundheit und Soziales nehmen im Landeshaushalt einen wichtigen Stellenwert ein: „Wir geben fast ein Viertel unseres
Budgets für das Gesundheitswesen aus. Wer behauptet, dass der Sanitätsbetrieb kaputt gespart wird, darf
einen eingehenderen Blick auf den Landeshaushalt werfen“, forderte Landeshauptmann Kompatscher. Die nun genehmigte
Gesundheitsreform sichere die Gesundheitsdienste im ganzen Land und im Besonderen in der Peripherie langfristig.
Sie sehe keinen Bettenabbau in der Peripherie vor, sondern eine im landesweiten Verhältnis stärkere Verlagerung
der Akutbetten in die Peripherie. „Wir machen die Gesundheitsreform, damit wir einen Betrieb schaffen, der die
Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im ganzen Land in den Mittelpunkt hochwertiger Leistungen
rückt, und nicht die Höhe bestehender Kirchtürme“, so der Landeshauptmann.
„Ein erfolgreiches und starkes Land wie Südtirol muss sich auch daran messen lassen, wie mit sozial Schwachen,
Alten, Kranken und sozialen Randgruppen umgegangen wird“, unterstrich der Landeshauptmann und verwies auf den seit
2003 stabil bei 16,6 Prozent gebliebenen Anteil an armutsgefährdeten Haushalten in Südtirol. Die Mittel
für Transferleistungen seien auf 468 Millionen Euro aufgestockt worden. Für die Pflegesicherung von fast
15.800 Personen sind im aktuellen Haushalt nicht weniger als 204 Millionen Euro vorgesehen.
Am Ende seiner Haushaltsrede hielt Landeshauptmann Kompatscher ein Plädoyer für Europa. Europa habe ein
schweres Jahr hinter sich mit viel Kritik, Ängsten, Verunsicherung, dem Brexit und der Flüchtlingsproblematik.
Es sei natürlich sehr schwer, aus dem Phänomen der Migration eine Chance zu entwickeln. In der Europaregion
sei es aber gelungen, den Grenzübergang Brenner offen zu halten. Die Solidarität in Europa sei gefordert:
„Es kann nicht sein, dass nur wenige für Europa das leisten, was nach den europäischen Regeln von allen
zu leisten wäre. Italien darf in der Flüchtlingsfrage nicht allein gelassen werden.“ Südtirol richte
sich bei der Integration von Migranten nach dem Konzept „fordern und fördern“. Der Landeshauptmann sprach
in diesem Zusammenhang all jenen einen Dank aus, die sich bei der Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge
engagiert haben. Landeshauptmann Kompatscher erinnerte daran, dass Südtirol im Herbst 2017 die Koordinierung
der Europaregion übernehmen werde: „Ich werde daran arbeiten, den Grundgedanken der Europaregion als Weg zur
Landeseinheit im europäischen Rahmen zu stärken, damit zusammenwächst, was zusammengehört.“
Der Landeshauptmann schloss seine Rede mit der Aufforderung, in Südtirol selbst keine neuen Barrieren aufzubauen
und plädierte an das Miteinander der Sprachgruppen.
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