Wirtschaft und Gewerkschaft bündeln
 Kräfte gegen illegale Kabotage

 

erstellt am
07. 12. 16
11:00 MEZ

Studie beziffert erstmals Zahl der Kabotagefahrten – 500 Mio. Euro volkswirtschaftlicher Schaden durch Schattenwirtschaft auf der Straße
Wien (pwk/vida) - Wenn ausländische Unternehmen regelmäßig nationale Transporte in Österreich durchführen, spricht man von Kabotage. Mit dem Ziel, Leerfahrten zu vermeiden, hat die EU zur Regelung der Kabotage eine Verordnung geschaffen. Diese hat sich jedoch als zahnlos, weil nicht exekutierbar, erwiesen und wird auch häufig umgangen.

Eine neue Studie im Auftrag der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKÖ, der AISÖ und der Gewerkschaft vida schafft nun erstmals Klarheit: Demnach beträgt der Anteil der Kabotagefahrten in Österreich gemessen am Gesamtanteil der Binnenverkehre in Österreich um die 20 Prozent. „Wir schätzen weiters, dass zumindest 3% der österreichischen Binnenverkehre illegale Kabotagefahrten sind - eine erschreckende Zahl“, betonte Studienautor Prof. Sebastian Kummer, Leiter des Institutes für Transportwirtschaft und Logistik in der WU Wien, am 06.12. bei der Präsentation der Studie in einer Pressekonferenz mit WKÖ-Bundesspartenobmann Alexander Klacska und Karl Delfs, für den Straßenverkehr zuständiger Bundessekretär in der vida.

500 Mio. Euro Schaden für die öffentliche Hand – 14.000 Jobs verloren
Die Studie geht davon aus, dass rund 10.000 Verkehre statt von österreichischen Unternehmen durch ausländische erfolgt. Daraus ergibt sich ein Schaden für den Staat und dem Sozialversicherungssystem von rund 500 Millionen Euro. Umgerechnet in Beschäftigungsäquivalenten bedeutet das, dass durch illegale Kabotage mehr als 14.000 Jobs verloren gehen.

Gemeinsame Forderungen für Fair Play auf der Straße
„Dies zeigt den akuten Handlungsbedarf, der der fehlenden Kontrolle von Kabotagefahrten geschuldet ist“, betonte Delfs. Er habe den Eindruck, dass die Europäische Kommission nicht an Kontrollen interessiert sei.

Klacska und Delfs präsentierten einen gemeinsamen Forderungskatalog zur Eindämmung der illegalen Kabotage. Zunächst brauche es eine einheitliche, klare Definition von „Kabotage“ auf EU-Ebene. Zudem sollte es ein einheitliches, durchnummeriertes Kabotage-Kontrollblatt geben.
Im Zuge der REFIT Roadmap wird eine Liberalisierung der Kabotage, also Aufhebung der Beschränkung der Zahl der Fahrten, diskutiert. „Wenn diese Maßnahme kommt, wäre dies das Ende der österreichischen Transportwirtschaft“, warnte Delfs. „Die schon jetzt bestehenden Lücken in den europäischen Regelungen würden dann zu bodenlosen Löchern werden. Frächter aus Billiglohnländern könnten dann völlig unkontrolliert unzählige Fahrten durchführen“, kritisiert Delfs den europaweiten Rückgang des Kontrollpersonals für Lenk- und Ruhezeiten innerhalb nur eines Jahres um 75 Prozent auf 96.000 Personen.

Zudem sollen Verstöße gegen Kabotagevorschriften in die EU-Liste der schwerwiegenden Verstöße aufgenommen werden müssen, weil die Kabotage zu einer Deformation der nationalen Märkte führt.

Das österreichische Güterbeförderungsgesetz soll explizit festhalten, dass eindeutige Belege gemäß den europarechtlichen Erfordernissen – zur besseren Kontrolle – im Fahrzeug mitgeführt werden müssen, ähnlich wie in Deutschland, führte Klacska aus. Auch eine Ergänzung der Strafbestimmungen im Güterbeförderungsgesetz für illegale Kabotagebeförderungen ist erforderlich.

Notwendig ist auch die Sicherstellung einer wirksamen und intensiveren Kontrolle der Vorschriften – national nicht zuletzt auch in Abstimmung aller beteiligten Ministerien und Behörden. Ein erster Schritt in diese Richtung sei die Lkw-Kontrollplattform.

Was die Einführung des digitalen Fahrtenschreibers betrifft, fordern die Interessenvertreter unisono eine Verkürzung der Implementierungsfrist, die derzeit bei 2035 liegt. Klacska: „Unser gemeinsamer Vorschlag: schaffen wir finanzielle Anreize für die Unternehmen zur Umrüstung, dann kann dieser Zeitraum verkürzt werden.“

„Wenn es die NASA schafft, 2034 die erste bemannte Marsmission durchzuführen, wird die EU-Kommission wohl den Einbau eines kleinen Digitalchips in LKW schon früher schaffen“, kritisiert Delfs die ungewöhnlich lange Übergangszeit für den Einbau.

Klacska: „Die Wirtschaft wehrt uns nicht gegen Liberalisierungsschritte. Diese dürfen aber nur in einem Rahmen stattfinden, der den Unternehmen nicht schadet und keine Arbeitsplätze kostet. Wir sehen, dass jetzt bereits jeder fünfte Transport eine Kabotage ist. Bevor an Lockerungen gedacht wird, brauchen wir transparente, einheitliche und faire Regeln.“

     

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