Ein Bild zu Gast im Kunsthistorischen Museum – Jahrhunderte lang verschollen, jetzt wiederentdeckt
Wien (khm) - Jahrhundertelang verschollen und erst kürzlich wiederentdeckt: die Leda mit dem Schwan
von Joseph Heintz d. Ä. (Basel 1564–1609 Prag). Der bereits seit 1591 am kaiserlichen Hof beschäftigte
Künstler malte das Gemälde, wie ein unten links unterhalb des Monogramms befindliches Datum verrät,
im Jahr 1605 für Kaiser Rudolf II. (reg. 1576 – 1612). Der in Prag residierende Monarch hatte eine ausgesprochene
Vorliebe für solche Darstellungen erotisch-mythologischer Themen: Auch zahlreiche andere Werke in seinen legendären
Kunstsammlungen widmeten sich der Geschichte vom Göttervater Zeus, der die schöne Leda in der Gestalt
eines Schwanes schwängerte.
Die Bildgenese ist anhand von drei erhaltenen Vorzeichnungen, von denen zwei aus dem Besitz der Albertina im Original
präsentiert werden, so ausführlich wie bei kaum einem anderen Gemälde der für Rudolf II. tätigen
Hofmaler dokumentiert. Auf dem kleineren der beiden Blätter fixierte er zunächst die endgültige
Positur der Schönen; während auf der zweiten, wesentlich größeren Wiener Zeichnung ihre Figur
schließlich größengleich mit der auf dem Gemälde ist: Tatsächlich verraten Griffelspuren
entlang ihrer Konturen, dass sie auf die grundierte Kupfertafel mechanisch übertragen wurden.
Für die Bildfindung nahm sich der Künstler eine antike, in verschiedenen Exemplaren überlieferte
Komposition des Themas als Ausgangspunkt. Daneben verraten der sanft durchmodellierte Körper und die sensibel
gebildeten, emailhaft schimmernden Oberflächen wesentliche Anregungen durch Hauptwerke Parmigianinos wie den
Bogenschnitzenden Amor und Correggios, die Rudolf sein Eigen nannte (derzeit ausgestellt in Kabinett 3). Wie nachhaltig
die Sinnlichkeit ihrer Kunst die sonstige Kabinettmalerei am Hof Rudolfs II. beeinflusste, machen die hier ebenfalls
präsentierten Kupfertafeln Hans von Aachens und Bartholomäus Sprangers aus dem Bestand des Museums deutlich.
Das Werk lässt sich erstmals im Inventar der Prager Kunstsammlungen von 1621 greifen, in dem unter der Nr.
1137 eine „Leda mit einem schwan vom Joseph Hainz“ aufgeführt wird. Nur zwei Jahre später veräußerte
Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619 – 1637) die kleine Kupfertafel dann zusammen mit einer Reihe weiterer Gemälde
und Goldschmiedearbeiten an den in Frankfurt a.M. ansässigen Kunsthändler und Juwelier Daniel de Briers,
um den Kauf einiger kostspieliger Schmuckarbeiten zu finanzieren. Seitdem galt das Bild als verschollen. Zu den
insgesamt 56 Gemälden, die 1623 aus den von Rudolf II. zusammengetragenen Prager Sammlungen verkauft wurden,
zählte auch Hans von Aachens Tarquinius und Lucretia. Das großformatige Historienbild, das im benachbarten
Saal IX ausgestellt ist, wurde erst im Jahr 1993 zurückerworben. Für drei Monate kehrt mit der Leda ein
weiteres der vor fast vierhundert Jahren veräußerten Kunstwerke wieder in den größten heute
noch zusammen bewahrten Teil der Gemäldesammlungen Rudolfs II. zurück.
Das Werk ist von 16. Dezember 2016 bis 12. März 2017 in der Gemäldegalerie zu sehen.
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