Diskussion über krankenversicherungsrechtlichen Status von Häftlingen
Wien (pk) – Einig waren sich im Nationalratsplenum alle Fraktionen am 15.12., dass die Kronzeugenregelung
eine sinnvolle Maßnahme ist. Sie wird deshalb mit einigen Abänderungen der derzeit geltenden Bestimmungen
auf weitere fünf Jahre verlängert, vor Ablauf dieser Frist soll eine Evaluierung vorgenommen werden.
Der Grundgedanke, dass der Aufklärungsbeitrag des jeweiligen Kronzeugen die Schwere seiner Tat übersteigen
und er bzw. sie von sich aus aktiv an die Staatsanwaltschaft herantreten muss, bleibt weiterhin aufrecht. Gerade
durch das ausdrückliche Abstellen des Gesetzgebers auf die Eigeninitiative des potenziellen Kronzeugen soll
sichergestellt werden, dass die Regelung keine "Deals" der Strafverfolgungsbehörden in Drucksituationen
ermöglicht. Im Übrigen soll der potenzielle Kronzeuge schon in einem möglichst frühen Stadium
des Verfahrens erfahren, ob seine Angaben für die Anerkennung des Kronzeugenstatus ausreichen. Neu ist nun
das Recht des Kronzeugen, gegen seine Ablehnung Beschwerde einzubringen. Der Status als Kronzeuge kann überdies
auch noch während der Hauptverhandlung beantragt werden.
Die Regelung sei auf der Höhe der Zeit, zeigte sich Justizminister Wolfgang Brandstetter überzeugt. Wie
die Vorsitzende des Justizausschusses Michaela Steinacker (V) unterstrich, habe man die Kritikpunkte aus dem Begutachtungsverfahren
sehr ernst genommen und unter Einbeziehung einer hochrangigen Expertengruppe den nun vorliegenden Gesetzentwurf
erarbeitet. Sowohl Steinacker als auch Johannes Jarolim (S) und Albert Steinhauser (G) hoben besonders hervor,
dass es in Österreich zu sogenannten Deals mit der Staatsanwaltschaft, wie diese beispielsweise in den USA
möglich sind, nicht kommen kann. Das würden die präzisen Regelungen verhindern. Alle drei RednerInnen
halten auch die Freiwilligkeit sowie die Verbesserung der Rechtssicherheit für Kronzeugen für wesentliche
Aspekte des Gesetzes.
Begrüßt wurde zudem die geplante Evaluierung nach fünf Jahren, da es bisher nur wenig Fälle
gegeben hat, wie Harald Stefan (F) anmerkte. Lediglich Steinhauser hält eine solche Evaluierung für nicht
unbedingt erforderlich. Er strich hervor, dass es bei der Kronzeugenregelung nicht um Milde gehe, sondern um einen
Anreiz, Verbrechen aufzuklären, die sonst nicht aufgeklärt werden könnten. Nikolaus Scherak (N)
meinte, die Kronzeugenregelung stehe zwar in einem Spannungsverhältnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien, dennoch
sei es gut, dass man sie hat.
Die Anregung von Steinhauser (G), über eine zivilrechtliche Ergänzung zur Kronzeugenregelung nachzudenken,
wurde vom Justizminister positiv aufgenommen. Jeder Kronzeuge setze sich der Gefahr von Schadenersatzforderungen
aus, erklärte Steinhauser, weshalb er es in Einklang mit dem Ressortchef für richtig hielte, im zivilrechtlichen
Bereich ein Haftungsprivileg anzudenken.
Die Novelle setzt darüber hinaus die EU-Richtlinie betreffend den Rechtsbeistand in die österreichische
Rechtsordnung um. Klargestellt wird damit, dass Beschuldigte die Möglichkeit haben, vor der Vernehmung einen
Verteidiger zu verständigen, beizuziehen oder zu bevollmächtigen. Ausdrücklich geregelt ist zudem
die Teilnahme eines Verteidigers auch bei der Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft.
Änderungen bringt die Vorlage aber auch bei der Diversion, die nun im Erwachsenenstrafrecht unter bestimmten
Umständen auch bei Todesfolge zulässig sein soll. Das gilt dann, wenn nahe Angehörige fahrlässig
getötet werden. Die Schuldigen seien hier ohnehin gestraft genug, wie Michaela Steinacker (V) anmerkte. In
diesen Fällen gibt es keinen generalpräventiven Grund zu strafen, meinte auch Nikolaus Scherak (N). Er
unterstützte die Neuerung ebenso wie Albert Steinhauser (G) explizit.
Ruth Becher (S) thematisierte in dieser Debatte die Auslieferung von Häftlingen und meinte unter Anführung
von in der Öffentlichkeit viel diskutierter Fälle wie jenem von Edward Snowden, dass hier nicht nur Justiz-
sondern auch Wertesysteme aufeinandertreffen. Der Europäische Haftbefehl habe sich bewährt, so Becher,
weshalb sie hoffe, dass dieser zum Vorbild für andere Länder wird.
Der von Harald Stefan (F) eingebrachte Entschließungsantrag, in dem die Freiheitlichen den Bundeskanzler
auffordern, darauf hinzuwirken, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beendet werden, um unter
anderem die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten nicht zu gefährden,
fand keine Mehrheit.
Ausgleichszahlung für Krankenversicherung von Häftlingen wird erhöht
Gemeinsam mit der Kronzeugenregelung diskutierten die Abgeordneten auch über die Änderung einer Vereinbarung
nach Art. 15a B-VG, die die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen
Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten betrifft. Da Insassen von Strafanstalten nicht krankenversichert
sind, müssen für sie bei stationärem Aufenthalt in Krankenhäusern die Tarife für PrivatpatientInnen
bezahlt werden. Daher wurde erstmalig im Jahr 2003 eine Vereinbarung mit den Ländern abgeschlossen, um im
Ergebnis eine Gleichstellung des Bundes mit den Krankenversicherungsträgern herzustellen. Berechnungsbasis
dieser Vereinbarung waren die vergleichsweise ermittelten Krankenhauskosten der Strafvollzugsverwaltung des Jahres
2000. In weiterer Folge wurde diese Vereinbarung immer für die jeweilige Dauer der Finanzausgleichsperiode
ohne Valorisierung verlängert. In diesem Zeitraum haben sich aber die Krankenhauskosten der Strafvollzugsverwaltung
kontinuierlich gesteigert. Konkret soll nun durch die Anhebung des jährlichen Pauschalbetrags der Länder
von 8,5 Mio. € auf 12,7 Mio. € die ursprünglich gegebene Gleichstellung mit den Krankenversicherungsträgern
teilweise wieder hergestellt werden.
Diese Vereinbarung bzw. deren Verlängerung stieß bei den Freiheitlichen auf heftigen Widerstand. Harald
Stefan, Christian Lausch und Philipp Schrangl halten es genauso wie Rupert Doppler (o.F.) nicht in Ordnung, dass
für Häftlinge beim Spitalsaufenthalt Tarife von PrivatpatientInnen bezahlt werden. Der Rechnungshof hätte
bereits 2012 diesen Zustand kritisiert, die Verlängerung der geltenden Regelung bringe dem Bund enorm hohe
Kosten, da die Tarife das dreifache von jenen der Gebietskrankenkasse ausmachen. In einem Entschließungsantrag
treten die Freiheitlichen daher dafür ein, die Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung
einzubeziehen.
Sie kamen jedoch damit nicht durch, obwohl grundsätzlich alle diesen Weg für den richtigen halten. Da
es darüber jedoch noch keine Einigung gibt, sei die Fortführung der Vereinbarung notwendig. Justizminister
Wolfgang Brandstetter erläuterte, dass er mit seinen bisherigen Initiativen beim Hauptverband noch nicht ans
Ziel gekommen sei. Der Minister machte jedoch darauf aufmerksam, dass es sich in jedem Fall um öffentliche
Gelder handle und hier wohl das psychologische Moment eine Rolle spiele. Wie Harald Troch von der SPÖ ausführte,
sei jedenfalls eine konkrete und zeitgemäße Lösung anzustreben, an der Krankenversicherung führt
ihm zufolge kein Weg vorbei. Als Alternatividee brachte er ein eigenes Justizspital wie in Deutschland in die Diskussion
ein. Hier müsste man sich aber die Kosten anschauen und auch die Sicherheitsfrage mitberücksichtigen,
sagte Troch. Die Vereinbarung passierte den Nationalrat mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ.
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