Im Tiroler Landesmuseum von 16.12.2016 – 26.3.2017
Innsbruck (tlm) - Die Künstlerin Gabriela Oberkofler beschäftigt sich mit der sogenannten Volkskultur,
mit Traditionen, Landschaften und durch die Landwirtschaft geprägten Lebensumständen ihrer Herkunftsregion
Südtirol. Für ihre Ausstellung im Tiroler Volkskunstmuseum hat sich die Zeichnerin vom Ausstellungsbereich
„Das prekäre Leben“ inspirieren lassen und interpretiert die darin behandelten Themen auf ihre ganz eigene
Weise.
In Gabriela Oberkoflers Arbeiten prallen Einsamkeit und Zerfall auf die vermeintlich identitätsstiftende Heimat.
Bunt und fröhlich erscheinen die Zeichnungen nur auf den ersten Blick, die formale Schönheit täuscht
aber nicht über die beunruhigenden Motive hinweg. Dadurch entwickelt sich ein Kontrast von großer poetischer
Intensität. PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, betont: „Wir freuen uns sehr
darüber, die Zeichnungen von Gabriela Oberkofler als erstes Museum Nordtirols zeigen zu dürfen“, und
fährt fort, „Oberkofler beleuchtet in ihren Zeichnungen mitunter auch Stereotype, die über das Leben
in den Alpen bestehen und regt an, über diese Klischees nachzudenken. Diese Herangehensweise ist für
eine Präsentation im Volkskunstmuseum äußerst spannend.“
Das prekäre Leben
Im Volkskunstmuseum hat sich Oberkofler vor allem mit dem Ausstellungsbereich „Das prekäre Leben“ auseinandergesetzt.
Dort wird auf die existenziellen Hoffnungen und Sorgen der Menschen eingegangen. Die kostbaren Alltagsobjekte,
die darin zu sehen sind, wurden einst in aufwändiger, detailreicher Arbeit hergestellt. BesucherInnen tauchen
in diesem Ausstellungsbereich in das reale Leben im 18. und 19. Jahrhundert auf den Bauernhöfen in Tirol ein.
Oberkofler hat in ihrer Serie „Votivfiguren“, die in ihrer Ausstellung zu sehen ist, versucht, sich in die damalige
Welt zurückzudenken und Einblick in die Lebenswelt von vor 300 Jahren zu geben.
Votivgaben
Wie sich die mit diesem Leben verbundenen Gefahren und Belastungen auf die Menschen ausgewirkt haben, hat die Künstlerin
gefesselt. Amulette, die in Zusammenhang mit Fruchtbarkeit und Geburt als Votivgaben eingesetzt wurden, stehen
im Zentrum von Oberkoflers Interesse und finden sich in zahlreichen ihrer Zeichnungen wieder. In ihrer Serie „Votivfiguren“,
die Oberkofler eigens für die Ausstellung entwickelt hat, platziert sie ihre Motive klein und vereinzelt auf
dem weißen Blatt. Akribisch reiht sie winzige, leuchtende Punkte und Striche aneinander, sodass ein pulsierendes
Gesamtbild entsteht. Der weiße Rand um das Objekt spielt für die Künstlerin eine zentrale Rolle.
„Oberkofler versucht, in ihren Zeichnungen ganz bewusst einzelne Objekte in den Mittelpunkt des Blattes zu stellen.
Dadurch wird die Aufmerksamkeit verstärkt auf das Motiv gelenkt“, betont Dr. Helena Pereña, Kuratorin
der Ausstellung.
Zeichentechnik
Rund eine Woche arbeitet Oberkofler an einer Zeichnung. Sie steckt viel Sorgfalt und Detailverliebtheit in ihre
Werke, die Wertschätzung der Künstlerin gegenüber ihren Motiven aussagen. Durch das Aneinanderreihen
von einzelnen Punkten, Linien, Strichen und Farben erreicht sie ein rhythmisches, dichtes Gesamtbild. Am Anfang
aber steht bei Oberkofler stets eine Bleistiftzeichnung, ein Gerüst, dessen Leerstellen ausgefüllt werden
und das zum Schluss wegfällt. Sie verwendet nur reine Farben und mischt diese nicht untereinander. Es werden
keine Punkte geschichtet, jeder Punkt steht für sich.
Neue Sichtweisen
Oberkoflers Zeichnungen weisen auf Vergangenes hin, werden allerdings durch ihre Bildsprache, die Wahl der Farben
etc. in die heutige Zeit überführt. Die Objekte werden dem gewohnten Kontext entzogen und bieten neue
Sichtweisen an. Die Künstlerin verändert auch Farbe und Form der Gegenstände dynamisch. Kleidungsstücke
für Kinder und Alltagsgegenstände verweisen auf ihre toten Besitzer, Liebesgaben wie eine Tabakdose erinnern
an erloschene Leidenschaft. In einer Installation mit Trachtenschuhen aus dem Depot des Tiroler Volkskunstmuseum
stehen durcheinander gebrachte Schuhpaare mit den Fersen nach außen auf einem runden Sockel. Durch die ungewöhnliche
Präsentation wird ihnen wieder Leben eingehaucht.
Gegenüberstellungen
Die größtenteils eigens für die Ausstellung entstandenen Zeichnungen werden in Dialog mit weiteren
Objekten aus dem Volkskunstmuseum und aus den Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen gezeigt.
Oberkofler hat eine Reihe von Tieren ausgewählt, die Fragen über das Verhältnis zwischen Mensch
und Tier aufwerfen. Die Raubtiere darunter sind für sie Ausdruck von Macht, Kraft und brachialer Gewalt. Darüber
hinaus hat sie eine Gruppe albinotischer Tiere ausgesucht, denen aufgrund eines Gendefekts das Pigment Melanin,
das bei Wirbeltieren die Farbe von Haut, Fell und Federn bestimmt, fehlt. Tiere kommen in den Zeichnungen der Künstlerin
immer wieder als Motiv vor und spielen eine zentrale Bedeutung für sie. Wild- und Raubtiere, Vögel, Hunde
oder Pferde stellt sie einzeln oder als Gruppe immer wieder verletzt, blutend oder tot dar. Oberkofler regt eine
allgegenwärtige Reflexion über Leben und Tod an. Teil der Ausstellung sind auch Interventionen in der
Schausammlung des Museums.
Über die Künstlerin
Gabriela Oberkofler wurde in Jenesien (Südtirol) geboren und hat an der University of Visual Arts, Corner
Brook, Neufundland, an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen und an der Staatlichen Akademie
für Bildende Kunst in Stuttgart studiert. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Stuttgart und wurde mit
zahlreichen Förderungen und Preisen ausgezeichnet, darunter der renommierte Paul-Flora-Preis 2014. Die Ausstellung
im Tiroler Volkskunstmuseum ist ihre erste museale Präsentation in Nordtirol.
Die Ausstellung wurde durch die Klocker Stiftung unterstützt.
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