Kräftige Inlandsnachfrage hält noch etwas an
Wien (wifo) - Die Inlandsnachfrage expandiert zur Zeit kräftig, die Steuerentlastung fördert eine
Ausweitung des Konsums dauerhafter Güter wohl noch bis Mitte 2017. Die Investitionen werden 2016 von Fahrzeuganschaffungen
getrieben, sodass die heimische Produktion weniger davon profitiert. Mit dem Auslaufen der Steuerreformeffekte
und dem Anziehen der Inflation wird sich das Wachstum etwas verlangsamen, da die hohe Arbeitslosigkeit die Konsumbereitschaft
dämpft und die Auslandsnachfrage nur mäßig zunimmt. Trotz robuster Beschäftigungsexpansion
übertrifft der Arbeitskräftezustrom weiterhin die Absorptionsfähigkeit des Arbeitsmarktes; die Arbeitslosenquote
steigt.
Die Nachfrage wächst in Österreich zur Zeit kräftig. Die privaten Haushalte weiten ihren Konsum
aufgrund der Einkommenssteigerungen durch die Steuerentlastung aus, und die Unternehmen vieler Branchen verzeichnen
eine Verbesserung ihrer Lage. Dies überträgt sich aber nur zum Teil auf die Herstellung von Waren in
Österreich, zumal 2016 vor allem Kraftfahrzeuge angeschafft werden und diese zum Großteil importiert
werden oder vorrätig sind. Zudem schrumpft die Exportnachfrage aus den USA und aus den MOEL 5 (Polen, Slowakei,
Slowenien, Tschechien, Ungarn); derzeit stützt besonders der Außenhandel mit dem Euro-Raum die Warenausfuhr.
Das außenwirtschaftliche Umfeld wird sich insgesamt etwas verbessern, wenn die Investitionsschwäche
in den USA abklingt und die Förderungen des mehrjährigen EU-Finanzrahmens wieder fließen, die den
Investitionszyklus einiger ostmitteleuropäischer Länder stark beeinflussen.
Günstiger als die Warenausfuhr entwickeln sich die Tourismusexporte. Die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen
wirkt wenig produktivitätssteigernd und hat daher einen starken Beschäftigungseffekt, erzeugt aber gleichzeitig
einen erhöhten Preisdruck. Daher liegt die Inflationsrate weiterhin über dem Durchschnitt des Euro-Raumes,
2016 aber zum zweiten Mal in Folge unter 1%. Aufgrund der Annahme einer Rohölverteuerung auf 57 $ je Barrel
zieht sie 2017 auf 1,7% an, sodass die realen Bruttolöhne pro Kopf stagnieren. Die Nettolöhne erhalten
2016 einen positiven Impuls durch die Steuerentlastung und werden danach von der kalten Progression wieder etwas
gedämpft. Die Beschäftigung expandiert 2016 schneller als im Vorjahr. Da sich gleichzeitig der durch
die Arbeitsmarktöffnung verstärkte Zustrom aus Osteuropa verlangsamt, steigt die Arbeitslosigkeit kaum.
In den kommenden Jahren wird sie aber wieder zunehmen, hauptsächlich aufgrund der Arbeitsmarktpräsenz
von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten.
Sobald die Wirkung der Steuerentlastung Mitte 2017 ausläuft, wächst die Konsumnachfrage wieder schwächer.
Die Ökologisierung der Dienstwagenbesteuerung dürfte 2016 erhebliche Vorzieheffekte ausgelöst haben,
sodass der Fahrzeugboom danach abflachen wird. Die Nachfrage nach Maschineninvestitionen wird sich angesichts der
mäßigen Auslandsnachfrage nur leicht verstärken. Die Bautätigkeit nimmt zu, dem steigenden
Wohnraumbedarf stehen aber oft Einkommensbeschränkungen und sehr hohe Grundstückspreise gegenüber.
Vor diesem Hintergrund wird die Expansion der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die das konjunkturbedingte Wirtschaftswachstum
von 1,3% 2016 auf 1,7% 2017 beschleunigt, 2018 wahrscheinlich auf 1,4% nachlassen. Eine geringere Zahl an Arbeitstagen
dämpft zudem die Wachstumsrate 2017. Damit ergeben sich Jahreswachstumsraten von jeweils 1,5% 2016 und 2017
sowie 1,4% 2018.
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Die laufende Konjunkturberichterstattung gehört zu den wichtigsten Produkten des WIFO. Um die Lesbarkeit
zu erleichtern, werden ausführliche Erläuterungen zu Definitionen und Fachbegriffen nach Möglichkeit
nicht im analytischen Teil gebracht, sondern im vorliegenden Glossar zusammengefasst.
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte
bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der
Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Gegensatz zu den an Eurostat gelieferten und auch von Statistik
Austria veröffentlichten "saison- und arbeitstägig bereinigten Veränderungen" der vierteljährlichen
BIP-Daten bereinigt das WIFO diese zusätzlich um irreguläre Schwankungen. Diese als Trend-Konjunktur-Komponente
bezeichneten Werte weisen einen ruhigeren Verlauf auf und machen Veränderungen des Konjunkturverlaufes besser
interpretierbar.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über
den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen
Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.
Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten
Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als
die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres
t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.
Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche
Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte
nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden,
Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro-Zone.
Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen
Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel
und Energie zu verwenden. So werden über 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex
(VPI 2015) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung
ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche
Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at ). Die Indikatoren
sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten
Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind
und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge
zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist
der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die
Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen
auch Personen mit aufrechtem Dienstverhältnis, die Kinderbetreuungsgeld beziehen bzw. Präsenzdienst leisten.
Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
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