Baur: "Offenheit, Bildung und Gleichstellung von Frauen sind die Voraussetzung für
Frieden"
Beirut/Innsbruck (lk) - Im Libanon, einem Land, das flächenmäßig kleiner als Tirol ist,
leben 2,5 Millionen Flüchtlinge. „Diese Zahl wird oft angeführt, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen
geht. Aus diesem Grund wollte ich mir die Situation vor Ort ansehen“, berichtet Soziallandesrätin Christine
Baur nach ihrer viertägigen Reise in den Libanon. „Dort, angrenzend an die Bürgerkriegsregion Syrien,
ist trotz vorweihnachtlicher Stimmung der Krieg nahe und spürbar. Gleichzeitig ist der Libanon voller Herbergssuchender“,
beschreibt LRin Baur die Atmosphäre.
Am 10.12. – dem internationalen Tag der Menschenrechte – besuchte die österreichische Delegation die Flüchtlingscamps
in die Bekaa-Ebene. Dort leben eine Million Menschen in behelfsmäßigen Zeltunterkünften, für
die sie monatlich pro Zelt, Wasser und Strom 230 Dollar (rund 217 Euro) bezahlen müssen. Ihren Lebensunterhalt
bestreiten die Flüchtlinge im Sommer mit Arbeiten in der Landwirtschaft um 5 Dollar (4,7 Euro) pro Tag. „Viele
der Flüchtlinge sind Kinder. Die Vereinten Nationen und unzählige NGOs leisten dort Hilfe, um die Situation
der Menschen auf der Flucht zu verbessern. Trotzdem sind die sinkenden Temperaturen im Winter ein großes
Problem“, so LRin Baur. Weitere hunderttausende syrische Flüchtlinge leben in den Städten in Häusern,
Garagen oder Ruinen. Auch sie versuchen einer Arbeit nachzugehen und sind in Konkurrenz mit vielen ArbeitsmigrantInnen,
u.a. aus Ägypten, Eritrea, Somalia, Indien, Sri Lanka, was immer wieder zu Spannungen führt.
Besuch beim Bildungsprojekt „Beth Aleph“
Neben Besuchen eines von der Caritas geführten Frauenhauses und eines SOS-Kinderdorfs sowie Gesprächen
an der Amerikanischen Universität und mit VertreterInnen der UNICEF (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen)
und des UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) stand auch ein Lokalaugenschein beim Caritas-Vorchulprojekt
„Beth Aleph“ auf dem Programm: Dort werden Kinder von Flüchtlingen und MigrantInnen auf das libanesische Schulsystem
vorbereitet, in dem neben Arabisch auch in Englisch und teilweise in Französisch unterrichtet wird. Die Schulen
im Libanon werden zu 80 Prozent privat geführt. Viele NGOs und die UNICEF sorgen dafür, dass auch die
Flüchtlingskinder eine Schulbildung erhalten, daher haben auch 74 Prozent dieser Kinder die Möglichkeit
eines Schulbesuches.
„Bildung ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um diesen Kindern eine gute Perspektive zu geben und ihnen die
Integration zu erleichtern“, sieht sich LRin Baur in ihrer Überzeugung bestätigt. Denn nur so lassen
sich soziale Spannungen vermeiden. „Die Gelder der Geberländer tragen viel zur politischen Stabilität
bei. Trotzdem ist es ein sehr labiles Gleichgewicht zwischen den Flüchtlingen und anderen armen Gruppen im
Libanon“, berichtet LRin Baur.
Emanzipation von geflüchteten Frauen ist besonders wichtig
Weitere wichtige Maßnahmen sind für Tirols Sozial- und Frauenlandesrätin die Selbstermächtigung,
Emanzipation und Gleichstellung von Frauen. „Geflüchtete Frauen tragen einen Großteil der gesellschaftlichen
und innerfamiliären Last. Sie müssen gestärkt werden, denn nur mit ihnen als Motor der Familie kann
ein gelingendes Miteinander funktionieren“, betont LRin Baur, die nach der Reise in den Libanon Bilanz zieht: „Die
Fluchtbewegung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ohnmacht und Hass sind aber keine
adäquaten Lösungen. Ganz Europa muss sich gemeinsam und pragmatisch der Situation stellen und sozial
verträgliche Schritte setzen, um ein Miteinander der Menschen auf der Flucht und der Menschen in der Aufnahmegesellschaft
zu gewährlisten. Mit Offenheit, Bildung und der Gleichstellung von Frauen können wir Frieden erreichen.“
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