Wien (belvedere) - Einhundert Jahre nach ihrem Tod ehrt das Belvedere die Wiener Malerin Tina Blau mit einer
Ausstellung im Rahmen der Reihe Meisterwerke im Fokus. Vom 16. Dezember 2016 bis 9. April 2017 präsentiert
die von Markus Fellinger kuratierte Schau 49 Gemälde aus allen Schaffensphasen von Tina Blau. Neben Hauptwerken
wie Frühling im Prater (1882, Belvedere) werden bisher kaum bekannte Arbeiten gezeigt, die im Zuge der Recherchen
zum neuen Werkverzeichnis der Künstlerin wiedergefunden werden konnten. Als erstes Museum in Österreich
präsentiert das Belvedere eine frei zugängliche Online-Version des im Research Center des Hauses erstellten
Werkverzeichnisses zu Tina Blau.
"Wir würdigen die Ausnahmekünstlerin Tina Blau mit der Ausstellung im Belvedere nicht nur als bedeutende
Malerin, sondern auch als modern denkende, unabhängige, emanzipierte Persönlichkeit. Sie hatte in ihrer
Rolle eine große Vorbildwirkung für die nachfolgenden Generationen junger Künstlerinnen",
so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere.
"Als wahrscheinlich erste österreichische Künstlerin reiste und wanderte Tina Blau durch Österreich
und halb Europa auf der Suche nach neuen Motiven. Im Zuge dessen studierte sie verschiedenste internationale Kunstströmungen
und erlangte ein breites Repertoire an künstlerischen Fähigkeiten. Ihre analytische Herangehensweise
und der bewusste Drang nach eigenständiger kreativer Entwicklung werden vor allem in ihren zahlreichen kleineren
Bildern und Ölstudien offenbar", so Markus Fellinger, Kurator der Ausstellung.
Leben und Wirken von Tina Blau
1845 als Tochter eines jüdischen Arztes in Wien geboren, zählt Tina Blau zu den erfolgreichsten Landschaftsmalerinnen
ihrer Zeit. Schon als 14-Jährige erhielt sie privaten Malunterricht von einem Schüler Waldmüllers.
Mit 16 Jahren unternahm sie bereits Studienreisen nach Böhmen und Siebenbürgen, wo ihre ersten großen
Landschaftsbilder entstanden. Der spätere Direktor des Kunsthistorischen Hofmuseums August Schaeffer erkannte
als erster das Talent der jungen Künstlerin und wurde zu einem wichtigen Förderer. Er riet ihr auch dazu,
die Natur vor Ort zu studieren.
Die junge Künstlerin finanzierte sich ihren Studienaufenthalt in der damaligen Kunstmetropole München
durch den Verkauf eines ihrer Bilder im Wiener Künstlerhaus. Noch während ihrer Studienzeit war sie ab
1872 maßgeblich an der Entwicklung des sogenannten „Österreichischen Stimmungsimpressionismus“ beteiligt.
Mit Emil Jakob Schindler verband sie bis 1879 eine Ateliergemeinschaft. Gemeinsam mit ihm und seinem Kreis malte
sie einfache Motive unter freiem Himmel in den Donauauen und im Prater, die in Komposition und Aufbau eine moderne
Auffassung der Landschaftsmalerei widerspiegelten.
Reisen verändert die Sichtweise
Durch ausgedehnte Aufenthalte in Ungarn, Holland, Italien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz holte sich
Tina Blau die aktuellsten Anregungen der europäischen Malerei. Außerdem konnte sie ihre Technik an den
unzähligen Motiven schulen, die sich ihr durchs Reisen erschlossen. In ihrem Hauptwerk Frühling im Prater
(1882, Belvedere) hatte sie ihren eigenen Stil bereits vollständig entwickelt. Dieser war von der Wiederentdeckung
des Biedermeierrealismus geprägt und bezog stilistische Tendenzen des Impressionismus mit ein. Für das
Gemälde erhielt Tina Blau im Pariser Salon 1883 eine „Mention honorable“. Dabei handelte es sich um die einzige
an ausländische Künstler vergebene Auszeichnung. Das damals in Wien beispiellose Gemälde machte
Tina Blau zu einer Künstlerin von europäischem Rang. In der Folge war sie auf fast allen bedeutenden
internationalen Ausstellungen vertreten.
Starke Frau – prägende Künstlerpersönlichkeit
Tina Blau setzte sich mit großem Engagement für nachfolgende Generationen junger Künstlerinnen
ein: Zunächst als Lehrerin an der 1884 gegründeten Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins
und später als Mitbegründerin und Lehrerin an der Kunstschule für Frauen und Mädchen in Wien.
Zu erwähnen sind auch ihre engen Freundschaften mit führenden Frauenrechtlerinnen wie Rosa Mayreder,
Auguste Fickert und Marianne Hainisch.
Tina Blau sah sich selbst am Höhepunkt ihres Schaffens damit konfrontiert, dass ihre künstlerische Leistung
immer in Bezug auf ihr Geschlecht beurteilt wurde. Anlässlich der Eröffnung der Modernen Galerie im Jahr
1903, dem heutigen Belvedere, wurde ihr ausgestelltes Gemälde Krieau im Prater (1902, Belvedere) vom Kunstkritiker
Adolf Kronfeld ebenfalls dahingehend beschrieben. Besonders Tina Blaus Bereitschaft, aus der Schule in die Natur
hinauszugehen, um zu malen, wie es damals lediglich die männlichen Kollegen taten, wird von dem Kritiker positiv
hervorgehoben. Dieser von „positivem Sexismus“ eingeschränkte Blick verwehrte jedoch die genuine Betrachtung
ihrer künstlerischen Produktion. Mit der Ausstellung im Belvedere zu ihrem 100. Todestag soll dies jedoch
wieder möglich werden.
Die begleitende Publikation zur Ausstellung enthält Essays u.a. von Kunsthistoriker Claus Jesina, der sich
mit der veränderten Sichtweise der Künstlerin durch ihre umfangreichen Reisen und dem Studium der Lichtverhältnisse
spezifischer Landschaften befasst. Julie M. Johnson beschreibt, was die Künstlerin Tina Blau in einer männlich
dominierten Kunstwelt zur Ausnahmeerscheinung ihrer Zeit machte und Kurator Markus Fellinger beschäftigt sich
in seinem Beitrag mit der Stilfindung der Künstlerin und der Bedeutung ihrer „Wiederentdeckung“ des Biedermeierrealismus.
Die Online-Version des im Belvedere neu erstellten, kompletten Werkverzeichnisses von Tina Blau ist unter http://werkverzeichnisse.belvedere.at abrufbar.
Ausstellungen der Reihe Meisterwerke im Fokus werden mit freundlicher Unterstützung des Dorotheum ermöglicht.
|