Europaweit erstes Mahnmal für aktive Gewaltfreiheit
Linz (stadt) - Nach einem mehrjährigen Prozess, der durch einen Antrag der Gemeinderatsfraktion der
Grünen Linz zur Errichtung eines „Denkmals für DeserteurInnen“ initiiert wurde, steht Linz nun vor der
Errichtung des europaweit ersten Mahnmals für aktive Gewaltfreiheit. Dieses Mahnmal soll die Vergangenheit
dieser Stadt reflektieren und zukunftsweisend auf ein friedliches Zusammenleben und eine konstruktive, gewaltfreie
Konfliktkultur wirken. Es soll ein sichtbares Zeichen der Friedensstadt Linz sein, das auch über die Landesgrenzen
hinaus Beachtung findet, und unterstreicht mit seiner Platzierung vor dem Neuen Rathaus die Bedeutung von Kunst
im öffentlichen Raum für Linz.
Das Mahnmal soll aber auch derjenigen ÖsterreicherInnen gedenken, die sich aktiv und ohne Gewaltanwendung
gegen das nationalsozialistische Gewaltregime stellten.
Die aktive Gewaltfreiheit ist ein Prinzip, das jegliche Form der Gewalt ablehnt und versucht, diese zu überwinden.
Gewaltfrei aktiv werden heißt, standhaft und öffentlich gegen Unrecht einzutreten, dabei auch im gefährlichen,
übermächtig erscheinenden Gegner den Menschen zu sehen und anzusprechen, hartnäckig am Dialog festzuhalten,
selbst wenn er unmöglich erscheint, und niemand anderem Leiden zuzufügen, sondern, wenn es denn sein
muss, Leiden auf sich zu nehmen. Aktive Gewaltfreiheit ist damit eine politische und gesellschaftliche Kraft, die
zur friedlichen Konfliktlösung beitragen kann.
Mit dieser Akzentsetzung des Mahnmals ist keine Verurteilung anderer Widerstandsakte, wie beispielsweise am 20.
Juli 1944 oder von Sabotageaktionen zur Behinderung der NS-Kriegsmaschinerie, verbunden. Es geht vielmehr um die
Erinnerung an erfolgreichen, strikt gewaltfreien Widerstand gegen öffentliches Unrecht in der Vergangenheit
(Gandhi, Martin Luther King, Cesar Chavez, Hildegard und Jean Goss-Mayr im Kampf gegen Diktaturen in Lateinamerika
oder Asien), in der Gegenwart (Kampf gegen Naturzerstörung, Atomwaffen und Atomkraft, Ablösung der autoritären
Regime in Serbien, Tunesien, Ägypten) und vor allem in der Zukunft unseres eigenen Landes.
Eigener Gestaltungs-Wettbewerb
Im Rahmen eines Wettbewerbs zur räumlich-künstlerischen Gestaltung des Mahnmals wurden von einer
siebenköpfigen Jury fünf KünstlerInnen mit Bezug zu Oberösterreich ausgewählt. Die nominierten
KünstlerInnen Nicole Six/Paul Petritsch, Renate Herter, Andrea Van der Straeten, Herwig Kempinger und Karl-Heinz
Klopf folgten der Einladung und präsentierten im Oktober heurigen Jahres ihre Entwürfe der Jury.
In einer eingehenden Diskussion aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven hat sich die Jury mit den vorgelegten
Arbeiten befasst und für den Entwurf von Karl-Heinz Klopf entschieden. Die Idee, die seiner Arbeit zugrunde
liegt, sind die elementaren Verhaltensaspekte für aktive Gewaltfreiheit:
- Versuche den Gegner persönlich zu begegnen!
- Verhandle!
- Überzeuge den Gegner!
- Schenke dem Gegner Vertrauen!
- Gehe mit dem Gegner respektvoll um!
Diese Aspekte der Verhandlung stellen die Ausgangsidee für den Entwurf dar. Die kreisrunde Plattform , mit
einem Durchmesser von drei Metern, stellt den gemeinsamen Aktionsraum dar und symbolisiert das konkrete Verhand-lungsfeld.
Auf der Plattform befinden sich eine zylindrische und eine kubische Sockel-Skulptur, welche für die unterschiedlichen
Positionen der GesprächspartnerInnen stehen. Sie sind DialogpartnerInnen, neigen sich trotz der Unterschiede
zueinander, gehen aktiv aufeinander zu. Hier wird das wesentliche Element der aktiven Gewaltfreiheit verdeutlicht:
Unabhängig davon, wer welche Position wie vertritt, wesentlich ist die positive Geste des Aufeinander-Zugehens
und das Eintreten in einen gemeinsamen Dialog. Die Skulptur aus weißem Betonguss soll eine Insel für
Kommunikation sein und die Essenz der aktiven Gewaltfreiheit für PassantInnen physisch erlebbar und aktiv
nachvollziehbar machen.
Das Mahnmal soll beim Brückenkopf der Nibelungenbrücke auf der Seite des Neuen Rathauses zur Aufstellung
kommen. Die Errichtung ist (einschließlich Durchführung des Wettbewerbs) mit Kosten in Höhe von
rund 50.000 Euro verbunden.
Kunst im öffentlichen Raum
Das „Mahnmal für aktive Gewaltfreiheit“ setzt die Reihe der erfolgreichen Wettbewerbe für Kunst im
öffentlichen Raum, die seit dem Kulturhauptstadtjahr 2009 seitens der Kulturdirektion der Stadt Linz ausgelobt
worden sind, fort. So wurde etwa 2012 mit Restmitteln der Kulturhauptstadt Linz09 der NORDICO Vorplatz mit der
Skulptur „eS“ des KünstlerInnenduos PRINZ-GAU/podgorschek neu gestaltet. Dieses „Stadtmöbel“ hat den
Außenraum des Museums völlig neu definiert und ist als multifunktional konzipierte Skulptur eine künstlerisch
clevere Lösung für aktive StadtnutzerInnen. Ebenfalls 2012 wurde als Erinnerung an die ehemalige Landesfrauenklinik
in der Lederergasse das von Elisabeth Kramer geschaffene Denkmal mit dem Titel „Betrachtungsgerät (gebären,
verwehren, genesen)“ errichtet. Die Anregung für das Denkmal kam von den Bauträgern der neuen Siedlung
am ehemaligen Areal der Landesfrauenklinik, GWG und LAWOG, welche gemeinsam mit der Stadt Linz und dem Land Oberösterreich
dafür den Auftrag vergaben. Mit seinen aktuellen Aktivitäten im Bereich Kunst im öffentlichen Rau
schließt Linz an die jahrzehntelange Tradition von Kunst im öffentlichen Raum an, an deren Beginn das
„forum metall“ und die heuer wieder nach Linz zurückgekehrte Nike von Haus-Rucker-Co stand.
Jury-Entscheidung
Ihre Entscheidung begründete die Jury folgendermaßen: Der Kommunikationsaspekt der Arbeit und die
Visualisierung eines Dialogfeldes sind ein schlüssiger und nachvollziehbarer Zugang zum Themenkomplex „Aktive
Gewaltfreiheit“. Die Arbeit ist für den öffentlichen Raum vor dem Neuen Rathaus ausgezeichnet geeignet,
da sie das Thema inhaltlich verständlich kommuniziert und für PassantInnen auch auf interaktive Weise
nachvollziehbar macht. Die Schaffung eines eigenen Raumes im (öffentlichen) Raum ist eine gelungene formale
Lösung für den konkreten Ort. Neben der stark befahrenen Verkehrsstraße und einem normalerweise
als Gehweg genutzten Transitraum entsteht hier vor dem Neuen Rathaus eine Einladung zum Dialog in einer dem Dialog
eher abträglich gestalteten Umgebung.
Die Jury hebt auch die Positivität der Arbeit hervor, die diese einer breiten Gruppe von RezipientInnen zugänglich
macht.
Folgende Personen gehörten der Jury an: Dr. Julius Stieber (Kulturdirektor der Stadt Linz), Direktorin Stella
Rollig (Künstlerische Direktorin der städtischen Museen), Dr.in Katharina Blaas-Pratscher (Land NÖ,
Leitung Kunst im öffentlichen Raum), Direktor Dr. Walter Schuster (Leiter Archiv der Stadt Linz), Dr.in Mag.a
Brigitte Kepplinger ((Johannes Kepler Universität, Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik), Dr.
Reiner Steinweg (Friedens- und Konfliktforscher, Friedensinitiative der Stadt Linz) und DI Harald Lueger (Abteilungsleiter
Bebauungsplanung).
Künstler-Biografie
Karl-Heinz Klopf wurde in Linz geboren, absolvierte ein Studium an der Hochschule für künstlerische
und industrielle Gestaltung Linz, lebt und arbeitet in Wien. In seiner künstlerischen Praxis beschäftigt
er sich mit der gebauten Umwelt und urbanen Sphären. Er arbeitet mit verschiedenen Medien, wie Zeichnung,
Film, Fotografie, Installation und Projekte im Kontext von Architektur und Urbanismus. 1982 gestaltete er in Zusammenarbeit
mit Gerhard Knogler die vielen LinzerInnen bekannte Zigarettenschachtel-Skulptur neben der Tabakfabrik.
Auszeichnungen: u.a. OÖ. Landeskulturpreis für Interdisziplinäre Kunstformen (2011), Preis für
„They“ Diagonale – Festival des österreichischen Films (2011), Preis für „By Way of Display“ Medien und
Architektur Biennale Graz (2003)
Einzel- und Gruppenausstellungen: u.a. Austrian Cultural Institute New York, MAK–Museum für angewandte Kunst,
Secession Wien, Landesgalerie Linz, Liverpool Biennale 2010, OK–Centrum für Gegenwartskunst, 9. Internationale
Istanbul Biennale, „Cities on the Move“ (Wien, Bordeaux, New York, London, Humblaebeck, Helsinki, Bangkok), LENTOS
Linz
Arbeiten im öffentlichen Raum / Kunst am Bau: u.a. Bundesrealgymnasium Kufstein, Bezirkshauptmannschaft Rohrbach,
Landesfrauenklinik Linz, Stadium Wals-Siezenheim Salzburg, Volksschule Engerwitzdorf, Platzgestaltung Hollabrunn,
Tabakwerke Linz
30 Jahre Friedensstadt
Mit der Erklärung zur Friedensstadt im Jahr 1986 hat sich Linz zum Ziel gesetzt, das Friedensengagement der
Menschen zu fördern und so einen aktiven Beitrag zur Erhaltung des Friedens – im Großen wie im Kleinen
– zu leisten. Der Gemeinderat der Stadt Linz bekennt sich damit zur moralischen und politischen Verpflichtung,
die Friedenssehnsucht und das Friedensengagement der Menschen dieser Stadt aufzugreifen und verstärkt zu einem
Grundprinzip kommunalpolitischen Handelns zu machen. Mit zahlreichen Aktivitäten, wie etwa der jährlichen
Friedenserklärung des Gemeinderates oder dem langjährigen ZeitzeugInnen-Programm „Es gärt!“ an Linzer
Schulen, setzt die Stadt Linz dieses Bekenntnis um. Dialogbereitschaft, Respekt und die Wahrnehmung von Vielfalt
als Chance sind Werte, welche die Grundlage für Frieden bilden. Um diese Werte auch der breiten Bevölkerung
ins Bewusstsein zu rufen, sind sichtbare Zeichen im öffentlichen Raum wichtige Impulsgeber für den gesellschaftlichen
Diskurs und eine persönliche Auseinandersetzung mit diesen Werten.
|