Wiener Gemeinderat zum Budget-Voranschlag 2017

 

erstellt am
14. 12. 16
11:00 MEZ

Generaldebatte sowie Spezialdebatten zu den Ressorts am 12. und 13.12.
Wien (rk) - Der 17. Wiener Gemeinderat hat den Budget-Voranschlag für das Jahr 2017 debattiert und beschlossen. Die Sitzung begann am 12.12. fand am 13.12. ihren Abschluss.
Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) eröffnete die Generaldebatte. Das Budget für 2017 sei „richtungsweisend“, erstmals lege die Stadtregierung den Finanzrahmen bis 2022 sowie einen Strategiebericht für die nächsten drei Jahre vor. Die Stadt schlage bis 2022 einen Konsolidierungspfad ein. Das Budget 2017 sehe Gesamteinnahmen von 12,8 Mrd. Euro und Gesamtausgaben von 13,4 Mrd. Euro vor. Die Stadt stelle einerseits zukunftsweisende Investitionen in Bildung, Wohnen und Gesundheit sicher, nehme aber Rücksicht auf die „ökonomischen Rahmenbedingungen“ im mittlerweile neunten Jahr der Weltwirtschaftskrise. „Wir gestalten die Zukunft der Stadt durch Investitionen“, sagte Brauner. Wien habe traditionell eine starke öffentliche Verwaltung, die es zu erhalten gebe. Diese müsse sich aber in Zeiten einer wachsenden Stadt und schwieriger Finanzlage anpassen und verändern, was auch passiere – etwa mit dem Reformprogramm „Wien neu denken“.

Die NEOS bezeichneten den Voranschlag als „unrealistisch“, Nachdotierungen – so wie im Vorjahr – seien zu erwarten. Die Verwaltungsreform basiere derzeit nur auf Ankündigungen. Schuldenrückzahlungen und Pensionsrücklagen belasteten das Budget und blockierten Mittel für tatsächliche Zukunftsinvestitionen.

Die ÖVP wollte das Argument der „Weltwirtschaftskrise“ nicht mehr gelten lassen. Andere Kommunen verzeichneten seit Jahren wieder ein Wirtschaftswachstum; in Wien bleibe es aus. Zurückzuführen sei dies auf das „Herausinvestieren“, was Wien laut ÖVP allerdings direkt „in die nächste Krise“ bringe. Die richtige Antwort wäre eine Politik des Sparens bei Ausgaben.

Die Grünen warfen der Opposition „Postfaktizität“ vor. Tatsächlich betrage die österreichweite Pro-Kopf-Verschuldung rund 40.000 Euro, während sie in Wien 3.000 Euro betrage. Und ja, die Weltwirtschaftslage habe sehr wohl Auswirkungen auf die Kommune.

Die FPÖ nannte das Budget „undurchdacht, nicht treffsicher und sozial ungerecht“. Dem Papier fehlten konkrete Sparpläne, dafür werde die Wiener Bevölkerung mittels Gebührenerhöhungen zusätzlich „geschröpft“. „Die Krise“ als Ausrede gelte nicht mehr, die Politik müsse sich stattdessen mit den neuen Rahmenbedingungen abfinden und entsprechend reagieren.

Debatte Finanzen, Wirtschaft und Internationales
Die NEOS nannten die „Wirtschaftskrise“ eine „Ausrede“ für die Wiener Schuldenpolitik. Es schade dem Standort, ständig von einer „Krise“ zu sprechen. In Städten wie München, Kopenhagen und Stockholm gebe es nämlich keine Krise, sondern vielmehr einen „massiven strukturellen Wandel“.

Die ÖVP forderte einen ausgeglichenen Haushalt statt neuer Investitionen. Trotz Rekordeinnahmen gehe sich „Wiens Rechnung nicht aus“, Ausgaben etwa für Krankenhaus Nord verhinderten dies. Weitere Problemstelle im Budget seien Frühpensionierungen im Beamtenbereich des Wiener Magistrats.

Die Grünen sagten, „klassische Einsparungspolitik“ bedeute steigende Jugendarbeitslosigkeit. Zudem sei es „Mythos“, dass Wien als Standort „hinterherhinkt“. Die Bevölkerung Wiens mache 20 Prozent der gesamtösterreichischen Population aus, gleichzeitig erbringe Wien 26 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung. Das Bundesland sei somit überdurchschnittlich produktiv.

Die FPÖ kritisierte die mangelnde Förderung von Klein- und Mittelunternehmen (KMU). Auf europäischer Ebene warnte sie vor einem „Schwarz-Weiß-Denken“, nämlich, dass die „Rechten“ die schlechten seien – und die Guten diejenigen, die an die EU glaubten.

Die SPÖ erinnerte daran, dass Wien die Durchschnitts-Forschungsquote der EU übererfülle. Erfreulich seien zudem die Zahlen der jährlichen Unternehmens-Neugründungen in der Stadt. Junge Nachwuchsgruppen in Forschung und Entwicklung (F&E) und geteilte Infrastruktur seien nur einige Beispiele für das „insgesamt gute Ökosystem“, welches „natürlich“ nicht unabhängig vom internationalen Rahmen gesehen werden könne.

   

Debatte Kultur, Wissenschaft und Sport
Die NEOS bedauerten, dass „der Anteil für Kultur am Budget jährlich zurückgeht“. Konsolidierungsmaßnahmen seien zwar wichtig, der Mehrwert von Kunst und Kultur jedoch „enorm“. Kunstschaffende hätten oft nur einen kleinen Gestaltungsrahmen, weil statt neuer Ideen historisch gewachsene Strukturen gefördert würden.

Die ÖVP sah das sinkende Kulturbudget im Widerspruch zur Höhe der Mittel für die Vereinigten Bühnen Wien (VBW), die einen großen Teil des Kulturbudgets ausmachten. Es sei notwendig, neue Kriterien und Ideen zu finden, Kulturfördermittel „besser und transparenter“ zu verteilen.

Die Grünen warnten vor Einsparungen bei der Kultur: Jeder Euro sei hier ein größerer Hebel als in anderen Bereichen. Sparen bei der Kultur sei weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich sinnvoll. Die Stadt lege deshalb den Fokus auf eine dezentrale Kulturpolitik mit Projekten jenseits des Gürtels. Eine Verzahnung von Kultur-, Sport- und sozialen Aktivitäten berge großes Potenzial für die Integration.

Die FPÖ meinte, betreffend Kulturangebot sei die Stadt gut aufgestellt – zu kritisieren seien aber „rote Versuche, die Kulturszene in den parteipolitischen Griff zu bekommen“. Kritik fanden die Freiheitlichen am Zustand der Wiener Sportstätten, wovon zahlreiche arg sanierungsbedürftig seien.

Die SPÖ erklärte, dass Budget sei mit jenem aus den Vorjahren nicht vergleichbar, weil neue Aufgaben und Magistratsabteilungen zur Geschäftsgruppe gewandert seien. Weil Kunst und Kultur für alle WienerInnen in gleichem Maße zugänglich sein müsse, werde das Angebot „in kulturell vernachlässigten Gebieten“ ausgebaut.

Debatte Gesundheit, Soziales und Generationen
Die NEOS wollten das Gesundheitssystems in öffentlicher Hand behalten. Damit dieses finanzierbar bleibe, brauche es eine Finanzierung aus einer Hand, und zwar gleichermaßen für Spitäler und den niedergelassenen Bereich. Um die Zahl der BMS-EmpfängerInnen künftig zu reduzieren, brauche es Reformen schon im Bildungsbereich.

Die ÖVP bekannte sich zur hohen Dotierung des Gesundheits- und Sozialbudgets. Zu kritisieren sei aber, wie der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) mit diesem Geld umgehe. Im KAV herrsche „Misswirtschaft, Intransparenz, Ineffizienz und das Abwälzen von Verantwortlichkeiten“.

Die Grünen erinnerten daran, dass der KAV einer der größten Gesundheitsversorger Europas sei; es gehe darum, „lösungsorientiert zu arbeiten“. Die soziale Verantwortung von Rot-Grün zeige sich im Budget, das Mittel für Obdachlosenhilfe sowie Programme zur Sucht- und Drogenkoordination vorsehe. Wien sei eine Stadt, in der sich niemand schämen müsse, Hilfe anzunehmen.

Die FPÖ sah im KAV ein „Versagen der politischen Führung“. Das Krankenhaus Nord sperre „womöglich nie auf“. Für das Spitalskonzept 2030 gebe es keine Ausfallsicherheit, „keinen Plan B“. Förderungen von Wiener Kindergärten müssten strenger kontrolliert werden, und zwar rückwirkend bis zum Jahr 2000.

Die SPÖ sagte, die Stadt gebe 25 Prozent des Budgets für Gesundheit und Soziales aus, das sei Spitze in Europa. Beispiele für das soziale Augenmaß im Budgets seien u.a. Pflegekonzept 2030 mit Schwerpunkt mobiler Pflege, die neue Wohnungslosenhilfe, die neuen Familienzentren der MAG ELF sowie der Fonds Soziales Wien (FSW) mit seinem erfolgreichen Konzept von „Integration ab Tag eins“.

Debatte Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung
Die NEOS vermissten konkrete Pläne für den Ausbau von Öffis und S-Bahn. Das Parkpickerl in seiner derzeitigen Form sei „ein Fleckerlteppich und Abzocke“. Es brauche ein flächendeckendes Parkraumkonzept für ganz Wien.

Die ÖVP sagte, auch wenn das Verkehrsressort nur zwei Prozent der städtischen Gesamtausgaben ausmache, werde hier „vieles in die falsche Richtung geplant“. Die Volkspartei wollte AnrainerInnenparken auch in Bezirken ohne Parkpickerl, den Ausbau von Park & Ride-Anlagen für EinpendlerInnen und eine rasche Umsetzung des Lobautunnels.

Die Grünen erinnerten daran, dass Wien gerade die „expansivste Phase der Stadtgeschichte“ erlebe. In zwölf Jahren wachse Wien um die Größe von Graz. Das verfolgte Modell zur Parkraumbewirtschaftung wirke nicht nur verkehrsberuhigend, sondern fördere auch die Umwelt. FußgängerInnen und Fahrräder bekämen mehr Platz, der öffentliche Raum werde attraktiviert.

Die FPÖ kündigten ihre Unterstützung beim Forcieren von Elektroautos an. Kritisch sahen sie die derzeitige Ampelregelung: Grüne Wellen seien die Ausnahme, durch Staus steige die Abgasbelastung. Die Öffis gehörten ausgebaut, zum Beispiel mittels Verlängerung der U-Bahn-Linie U3 bis Schwechat.

Die SPÖ wollte die Parkraumbewirtschaftung lieber als „Parkraummanagement“ verstanden wissen. Von dieser „Erfolgsgeschichte seit 1959“ hätten bislang alle BewohnerInnen profitiert. Schwerpunkt 2017 sei die Erhöhung der Verkehrssicherheit, sogenannte „Unfallhäufungsstellen“ würden entschärft.

   

Debatte Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung
Die NEOS forderten sozialen Wohnbau, der „treffsicher, generationengerecht und werthaltig“ sei. Dazu brauche es ein Monitoring, die Miete müsse dem Einkommen angepasst werden.

Die ÖVP sah das Hauptproblem darin, dass sozialer Wohnbau „nicht treffsicher“ sei und Eigentum zu wenig gefördert werde. Beim Wohnungsneubau müsse mehr Rücksicht auf das Platzbedürfnis von Familien genommen werden. Die Jungfamilienförderung solle an das Alter des Kindes und nicht der Eltern gebunden werden.

Die Grünen sahen die Themen Klimaschutz und Energie als wesentlich. Als Paradebeispiel diene ein Bauprojekt im 11. Bezirk, das ohne Energie aus fossilen Brennstoffen auskomme.

Die FPÖ sah aktuell Wohnbedarf für 35.000 Menschen, diese Zahl ergebe sich auch aus dem Zuzug von Flüchtlingen. Die Reihe von „Vergabe- und Verrechnungsskandalen“ im Umfeld von Wiener Wohnen hätte mit strengeren Kontrollen verhindert werden können.

Die SPÖ sagte: Mit der „Wohnbauoffensive“ werde das Neubauvolumen um ein Drittel gesteigert, auf 9.000 neue geförderte Wohnungen pro Jahr. Die Anzahl neuer Gemeindewohnungen werde bis zum Jahr 2020 auf 4.000 neue Einheiten verdoppelt. Bau- und Planungsverfahren würden durch vereinfachte Abläufe verkürzt: Zwischen Flächenwidmung und Schlüsselübergabe würden künftig nur mehr 32 Monate vergehen.

Debatte Frauen, Bildung, Integration, Jugend und Personal
Die NEOS lobten das Jugendcollege, welches jungen Flüchtlingen „ausgezeichnete Chancen“ biete. Gleichzeitig wiesen sie auf Missstände an Schulen hin, bedingt durch die hohe Anzahl von SchülerInnen ohne Deutschkenntnisse. In den „Zukunftsbereichen“ Bildung und Integration dürfe laut NEOS nicht gespart werden.

Die ÖVP befürwortete das erhöhte Budget für Kinderbetreuung, kritisierte jedoch deren mangelnde Qualität aufgrund des „Ausbaudrucks“. Wien müsse Kindern mehr PädagogInnen und Platz zur Verfügung stellen. Gegen Radikalisierung müsse die Stadt schärfer vorgehen, entsprechende Programme sollten bereits an Schulen greifen.

Die Grünen verwiesen bei der Budgetkürzung im Ressort darauf, dass diese nur Publikationen betreffe. Bei Gewaltbetreuung werde keinesfalls gespart. Frauenpolitik werde von zwei Themen dominiert, nämlich Gewalt und Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Darauf sei auch das Budget ausgelegt.

Die FPÖ meinte, die Mehrheit in der Stadt stehe der Integrationspolitik eher skeptisch gegenüber. Integration werde Privatvereinen überlassen, deren Leistungen würden nicht ausreichend überprüft. Der Magistrat solle prüfen, ob er diese Leistungen nicht selbst übernehmen könne.

Die SPÖ betonte, dass Frauenpolitik in Wien „Querschnittsmaterie“ sei. Zwei Projekte seien hervorzuheben: Die Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ und der Wiener Frauenpreis, der heuer zum 15. Mal verliehen wurde. Der 24-Stunden-Frauennotruf sei in Europa „einzigartig“. Aufgabe sei es, gegen jede Form von Gewalt anzukämpfen und sich für alle Opfer einzusetzen.

Debatte Umwelt und Wiener Stadtwerke
Die NEOS forderten mehr Transparenz im Budget, nur so kämen „hohe Werbeausgaben und Gebührenerhöhungen ans Licht“. Es gebe keine schlüssigen Kalkulationen hinter den Gebührenerhöhungen von Wasser, Kanal und Müll. Das Valorisierungsgesetz gehöre abgeschafft.

Die ÖVP wollte den Verkehr „ökologisch zukunftsfit“ machen, dies verlange eine neue Kompetenzverteilung zwischen den Ressorts Verkehr und Umwelt sowie den Ausbau der E-Mobilität. So solle der Magistrat seine Fahrzeugflotte auf Elektroautos umrüsten.

Die Grünen hoben Einrichtungen wie die MA 22 hervor, welche mit diversen Initiativen die städtische Luftqualität verbesserten.

Weitere Beispiel für gelungene Umweltpolitik seien das Trinkwasserkraftwerk am Schafberg sowie die Wiederansiedelung des Sterlets, einer Fischart, in der Donau.

Die FPÖ beklagte, dass ihre konstruktiven Vorschläge von den Stadtregierungsparteien stets abgelehnt würden. Diese beinhalteten u.a. Anträge zur bienenfreundlichen Bepflanzung von Parkanlagen, zum Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag sowie den Erhalt des UNESCO-Weltkulturerbes am Steinhof.

Die SPÖ attestierte der FPÖ ein „Antragsablehnungstrauma“: Die MA 22 wisse auch ohne Opposition, dass sie in Parks Gebüsche zu pflanzen habe. Zahlreiche Projekte seien nur mit Hilfe bewusster Budgetmittelverteilung realisiert worden, etwa das „Netzwerk Natur“, der Ökobusinessplan oder die Aktion Ökokauf Wien.

Abstimmungen
Der Budget-Voranschlag für das Kalenderjahr 2017 wurde mit den Stimmen der Stadtregierungsparteien SPÖ und Grüne beschlossen. Ebenso beschlossen wurden die Voranschläge für die Unternehmungen Krankenanstaltenverbund (KAV), Wien Kanal sowie Wiener Wohnen.

In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter http://www.wien.gv.at/infodat/ können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden, dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten.

 

 

 

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