Grazer ForscherInnen entdecken Archaeen im Weltraum – Untersuchung resistenter Mikroorganismen
an Bord der ISS
Graz (meduni) - Seit dem Jahr 2000 ist die internationale Raumstation ISS dauerhaft bewohnt. Doch nicht
nur AstronautInnen bewohnen das größte künstliche Objekt im Erdorbit, sondern auch unzählige
Mikroorganismen. WissenschafterInnen der Med Uni Graz haben nun herausgefunden, wie sich das Mikrobiom in der internationalen
Raumstation ISS über die letzten Jahre hinweg verändert hat. So zeigen einige Mikroben eine unerwartete
Resistenz gegen so manches Antibiotikum, das sich im Arzneischrank der ISS befindet. Zudem gelang den ForscherInnen
auch erstmalig der Nachweis, dass Archaeen - Vertreter der sogenannten dritten Domäne des Lebens - auch außerhalb
des Ökosystems der Erde existieren können. Diese wichtigen Entdeckungen fließen direkt in die Vorbereitung
längerer Raummissionen, wie beispielsweise eine bemannte Reise zum Mars, ein.
Blinde Passagiere: Billionen von Mikroben reisen ins Weltall
Nicht erst seit Raumschiff Enterprise träumt die Menschheit von der Erforschung der "unendlichen Weiten"
und der Entdeckung von Leben auf einem anderen Planeten. Eine Voraussetzung dafür ist u.a. die Weiterentwicklung
der bemannten Raumfahrt. Daher wird intensiv untersucht, wie sich das Leben im All auf AstronautInnen, Raumfahrzeuge
und Raumstationen auswirkt. Univ.-Prof.in Dr.in Christine Moissl-Eichinger, Professorin für interaktive Mikrobiomforschung
im Rahmen der interuniversitären Forschungskooperation "BioTechMed-Graz", angesiedelt an der Med
Uni Graz und ihr Team sind federführend in diese Thematik eingebunden. Im Rahmen des FFG geförderten
Forschungsprojektes "Archaeelle und bakterielle Extremophile an Bord der Internationalen Raumstation - ARBEX"
werden derzeit unter der Leitung von Christine Moissl-Eichinger die Auswirkungen der extremen Bedingungen in der
ISS auf die Diversität und Funktion der Mikroorganismen an Bord untersucht.
Der Mensch trägt täglich etwa 100 Billionen Mikroorganismen - das Mikrobiom - mit sich, welche sich großteils
auf der Haut und im Darm befinden. Das Mikrobiom übernimmt im Körper wichtige Aufgaben und Funktionen
und reist mit AstronautInnen auch mit in den Weltraum. So ist die ISS beispielsweise auch die neue Heimat unzähliger
Mikroorganismen geworden. "Die natürliche mikrobielle Besiedelung des menschlichen Körpers und damit
seiner biotischen und abiotischen Umgebung stellt die bemannte Raumfahrt vor einige Herausforderungen", erklärt
Christine Moissl-Eichinger.
Evolution im All: Resistente Bakterien im Weltraum
Mikroorganismen werden in der Raumstation ua. zu einem Risiko für die Bordtechnik, da sie Oberflächen
angreifen können, bzw. auch die Crew, indem sie unter Umständen mit erhöhter Virulenz aufwarten.
Aufgrund des Einflusses anderer Parameter im Weltraum wie Schwerelosigkeit, erhöhte Strahlung etc. reagieren
sie mit besonderen Anpassungsstrategien und Resistenzen. "Auch die AstronautInnen stehen unter Stress. Ihr
Immunsystem leidet während des Weltraumfluges und so sind sie empfänglicher für Infektionen",
so Christine Moissl-Eichinger. Zudem wird vermutet, dass die Wirksamkeit mancher Medikamente, darunter auch Antibiotika,
im Weltraum vermindert wird.
Die Entwicklung von Resistenzen von Mikroorganismen an Bord der ISS über die Jahre hinweg wird im Projekt
ARBEX erforscht. Dazu wurden nun ältere (8-12 Jahre) und neuere Staubproben (4 Jahre) der ISS untersucht und
deutliche Hinweise gewonnen, dass sich das Mikrobiom über die Jahre hinweg verändert hat. "Einige
nicht krankheitserregende Bakterien der alten Proben zeigten sich resistent gegenüber Austrocknung und Hitzeschocks
und es stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie, sie diese Fähigkeiten im All erworben haben. Zudem zeigten
diese Mikroben eine unerwartete Resistenz gegen manche Antibiotika, die sich auch im ISS Arzneischrank befinden",
fasst Christine Moissl-Eichinger die Ergebnisse zusammen.
Nächster Halt: Mars
Zum ersten Mal gelang auch der Nachweis von Archaeen außerhalb des Ökosystems Erde. Diese Mikroben sind
Bestandteil des menschlichen Mikrobioms und werden offensichtlich auch in die ISS mit übertragen. Wie lange
sie nun dort überdauern, oder welche Aufgabe sie im "Biotop ISS" übernehmen, bzw. ob sie wie
ihre bakteriellen Kollegen dort auch spezielle Resistenzen entwickeln können, ist bislang unbekannt. Erkenntnisse
dieser Art sind wichtig, um in Zukunft langfristigere Raumflüge - wie etwa eine bemannte Mission zum Mars
- zu planen. "Bei solchen Flügen ist es wichtig, die mikrobielle Artenvielfalt in einem Raumschiff zu
kennen und kontrollieren zu können, um eine Infektion der AstronautInnen oder Schäden am Raumschiff zu
vermeiden", sagt Christine Moissl-Eichinger. Schon heute können diese Ergebnisse auf der Erde für
die mikrobielle Kontrolle andere isolierter, menschenbewohnter Einrichtungen genutzt werden, wie beispielsweise
in industriellen Reinräumen, Arktisforschungsstationen oder auch Intensivstationen von Krankenhäusern.
Derzeit bereitet sich das internationale ForscherInnenteam rund um Christine Moissl-Eichinger auf die geplante
Probenahme in der ISS im nächsten Jahr vor. Zusammen mit KollegInnen aus Deutschland (Deutsches Zentrum für
Luft und Raumfahrt, DLR), Russland, Großbritannien, USA und der Schweiz, werden die Proben nach der Rückkehr
analysiert. Die neuen Daten werden zeigen, ob sich das Mikrobiom in der ISS weiter verändert hat und sich
weitere Strategien der ISS Mikroorganismen entwickelt haben, um über lange Dauer, abgeschirmt von natürlichen,
ökologischen Lebensräumen, zu bestehen.
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