EU-Ausschuss des Bundesrats sieht Harmonisierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
weitgehend positiv, nur FPÖ dagegen
Wien (pk) - Das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat trotz einiger Fortschritte – die letzte Harmonisierung
fand im Jahr 2013 statt - noch einen weiten Weg zurückzulegen. Das hat nicht zuletzt die Flüchtlingsbewegung
des Vorjahres und deren Folgen deutlich gemacht, wo Strukturschwächen des Systems offenkundig wurden. Insbesondere
stellen auch Sekundär-Migration und Asyl-Shopping ein großes und ungelöstes Problem innerhalb der
EU dar, die immer wieder versuchte faire Verteilung von AsylwerberInnen innerhalb der EU funktioniert nicht.
Nach wie vor bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Art der Verfahren,
die Leistungen für Asylsuchende, die Anerkennungsquoten und die Art des Schutzes. Die bisherigen Regelungen
im Hinblick auf Vorschriften zur Bestimmung des für Anträge auf internationalen Schutz zuständigen
Mitgliedstaats (einschließlich der Eurodac-Datenbank zum Abgleich der Fingerabdruckdaten von AsylbewerberInnen)
sowie auf gemeinsame Normen für die Asylverfahren, die Aufnahmebedingungen und die Anerkennung und den Schutz
der betreffenden Personen reichen nicht aus. Die noch immer uneinheitlichen Standards haben eine unausgewogene
Verteilung von Asylsuchenden und damit eine ungleiche Belastung unter den EU-Mitgliedstaaten zur Folge.
Wie man seitens des Innenministeriums im heutigen EU-Ausschuss des Bundesrats betonte, stand bislang der Schutz
der Flüchtlinge im Vordergrund. Mit einem umfassenden Paket an Rechtsakten versucht die EU-Kommission nun
auf eine, wie sie in den Erläuterungen betont, "integrierte, nachhaltige und ganzheitliche EU-Migrationspolitik"
hinzuwirken, dabei werden auch die Verpflichtungen von AsylwerberInnen gesetzlich klarer verankert. Es gelte, ein
wirksames und effizientes Asylsystem zu etablieren, um eine gerechte und nachhaltige Verteilung der Verantwortung
zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, zugleich aber auch hinreichende und menschenwürdige Aufnahmebedingungen
in der gesamten EU zu schaffen, heißt es in den Unterlagen zu den Gesetzesvorhaben. Gleichzeitig müsse
die EU gegen irreguläre und gefährliche Migrationsströme vorgehen und Schleppern das Handwerk legen.
Daher seien einerseits Asylanträge von Personen, die keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben, zügig
zu bearbeiten und die betreffenden MigrantInnen anschließend rasch rückzuführen. Die EU möchte
aber schutzbedürftigen Personen aus Drittstaaten auch legale und sichere Wege in die EU ermöglichen.
Bereits im Mai dieses Jahres hat die EU-Kommission ein erstes Paket zur Reform und Harmonisierung mit drei Prioritäten
vorgelegt: Kernpunkt dabei ist die Dublin-Verordnung mit dem Ziel, ein tragfähiges und faires System einzuführen,
mit dem jenes Mitgliedsland festgelegt wird, das für die Prüfung der jeweiligen Asylanträge zuständig
ist. Eine neue Ausrichtung hat auch die Asylagentur der EU erhalten, die das reibungslose Funktionieren des europäischen
Asylsystems gewährleisten soll. Schließlich soll auch das Eurodac-System (europaweiter Fingerabdruckabgleich
von Asylsuchenden und Menschen ohne Aufenthaltsrecht) gestärkt werden, um die Sekundärmigration zu überwachen
und irreguläre Migration zu bekämpfen.
Mit dem zweiten Paket, das dem EU-Ausschuss am 20.12. zur Diskussion vorlag, will die EU die Reform des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems vollenden: Es betrifft die Harmonisierung der Aufnahmebedingungen, der Anerkennungskriterien
für Asyl und subsidiären Schutz, der Verfahren und schließlich der Neuansiedlungspolitik zur geregelten
legalen Migration und Eindämmung der Schlepperkriminalität. Dabei sollen die Anerkennungs-Richtlinie
und die Verfahrens-Richtlinie zu Verordnungen umgewandelt werden, die dann unmittelbar in den Mitgliedstaaten rechtskräftig
werden. Einen Umsetzungsspielraum gibt es dabei nicht. Österreich müsste damit sein Asylgesetz in großem
Umfang ändern, erfuhren die Bundesrätinnen und Bundesräte aus dem Innenministerium. Dort hofft man
auch auf einen Abschluss der diesbezüglichen Verhandlungen vor der Übernahme der österreichischen
Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018.
Österreich würde von Harmonisierung profitieren
Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) begrüßten die Initiativen der
EU grundsätzlich, da sie eine Harmonisierung des Asylsystems auf EU-Ebene für notwendig halten. Von einem
solchen, vor allem von einem Verteilungsmechanismus, würde Österreich profitieren, waren sie sich einig
und wurden in dieser Auffassung seitens der im Ausschuss anwesenden ExpertInnen des Innenressorts bestätigt.
Wesentlich seien einheitliche Standards und praktikable Regelungen, sagte Mayer, von letzteren sei man noch nicht
ganz überzeugt, merkte man dazu seitens des Ministeriums an.
Im Gegensatz dazu stieß sich Monika Mühlwerth (F/W) an den geplanten Verordnungen, da solche den Nationalstaaten
keinen Handlungsspielraum belassen. Die Freiheitlichen seien grundsätzlich gegen eine Asyl-Union genauso wie
gegen eine Sozial-Union, bekräftigte Mühlwerth. Sie zweifelte auch daran, dass Residenzpflichten und
eine faire Verteilung auch nach den angedachten Neuerungen funktionieren werden.
Österreich hat wie ganz Europa einen Migrationsbedarf, warf Stefan Schennach (S/W) in die Diskussion ein.
Trotz seiner positiven Haltung zu dem Gesamtpaket zeigte er sich skeptisch im Hinblick auf die Residenzpflicht
und warnte davor, Menschen völlig die Bewegungsfreiheit zu nehmen. Asylsuchende brauchen einen Lebensspielraum,
betonte er, Aufgabe werde es sein, eine den Menschenrechten verpflichtete Verknüpfung von Residenzpflicht
und Leistungskürzungen zu finden. Dem stimmte Edgar Mayer (V/V) zwar zu, meinte aber, es könne nicht
angehen, dass AsylantInnen von einem Land Europas in ein anderes ziehen und weiterhin Leistungen aus dem ursprünglichen
beziehen.
Die betreffenden Personen würden nicht völlig in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, erfuhr man
aus dem Innenministerium, Sozialleistungen würden aber nur dann ausbezahlt, wenn man an einem bestimmten Ort
wohnhaft ist. Ziel sei es vor allem, den massiven Zuzug in die Ballungsräume einzudämmen.
EU plant Harmonisierung der Aufnahmebedingungen ...
Ein Teil des Pakets betrifft die Änderung der Aufnahme-Richtlinie, um die Aufnahmebedingungen in der EU weiter
zu harmonisieren, die Anreize zur Sekundärmigration zu verringern und Maßnahmen zur Förderung der
Eigenständigkeit und der Integrationsaussichten zu setzen. Es sei unerlässlich, dass die AntragstellerInnen
in dem für sie zuständigen Mitgliedstaat bleiben, unterstreicht die Kommission. So sieht der Richtlinienentwurf
die Einführung gezielter Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und eine wirksamere Kontrolle des Aufenthaltsorts
der Asylsuchenden sowie strenge Konsequenzen für Verstöße vor. Zudem ist eine weitere Harmonisierung
der Möglichkeiten für die Zuweisung eines bestimmten Aufenthaltsorts, die Auferlegung von Meldepflichten
und die Beschränkung der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen auf Sachleistungen vorgesehen.
Im Sinne einer besseren Integration drängt die Kommission auf einen rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt, konkret
innerhalb von höchstens sechs Monaten nach Einreichung des Antrags. Der Zugang zum Arbeitsmarkt müsse
in völligem Einklang mit den Arbeitsmarktstandards erfolgen, betont man seitens der Kommission. Der Abbau
der derzeitigen erheblichen Diskrepanzen unter den Mitgliedstaaten sei auch deshalb unerlässlich, um ein beschäftigungsbezogenes
Asyl-Shopping und die Anreize zur Sekundär-Migration zu verringern.
Von österreichischer Seite wird darauf hingewiesen, dass der erweiterte Arbeitsmarktzugang Kernkompetenzen
der Nationalstaaten betrifft. Kritisch sieht man vor allem überbordende Vorgaben hinsichtlich der Notwendigkeit
individueller Bescheide bei Wohnsitzfestlegungen und Arbeitsmarktzugang. Auch sei die Frist, für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge innerhalb von fünf Tagen einen Vormund zu bestellen, zu kurz.
und der Anerkennung ...
Trotz gewisser Angleichungen nationaler Vorschriften im Jahr 2011 gibt es noch immer Unterschiede innerhalb der
EU in Bezug auf die Anerkennungsquoten, die Geltungsdauer der gewährten Aufenthaltstitel, ferner beim Zugang
zu Rechten sowie bei Entscheidungen über die Art des jeweils gewährten Schutzstatus. Die Anerkennungs-Richtlinie
soll nunmehr durch eine in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Verordnung ersetzt werden. Die geplanten
Neuerungen zielen auf eine weitere Harmonisierung der gemeinsamen Kriterien für die Zuerkennung von internationalem
Schutz, mehr Konvergenz bei Asylentscheidungen und eine Residenzpflicht der Flüchtlinge ab.
Bei der Prüfung von Anträgen sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, der gemeinsamen Analyse
und Orientierungshilfe zur Lage in den Herkunftsländern zu folgen, die von der Asylagentur der EU und den
europäischen Netzen für Herkunftsländer- informationen bereitgestellt wurden.
Der Schutz der Asylsuchenden soll lediglich so lange gewährleistet werden, so lange die Gründe für
Verfolgung und ernsthafte Gefährdung bestehen. Damit ist die Verpflichtung der EU-Länder verbunden, systematisch
und regelmäßig den Status zu überprüfen, wenn sich die Lage im Herkunftsland der betreffenden
Personen wesentlich ändert. Außerdem wird klargestellt, dass sich die betreffenden Personen in dem Mitgliedstaat
aufhalten müssen, der ihnen Schutz gewährt. Sollte diese in einem anderen EU-Land aufgegriffen werden,
so hat das laut Kommissionsvorschlag Konsequenzen – die Kommission spricht von "negativen Anreizen".
Die Rechte von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wird, soll ebenfalls weiter vereinheitlicht werden.
In diesem Zusammenhang sieht Österreich die Ausweitung des Familienbegriffs auf erwachsene Geschwister sowie
den erweiterten Zugang zu Sozialleistungen für subsidiär Schutzberechtigte kritisch.
sowie der Verfahren und ...
Auch die geltende Verfahrens-Richtlinie plant die Kommission zu einer unmittelbar in den EU-Staaten geltende Verordnung
umzuwandeln. Diese sieht ein einheitliches Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes vor, das laut
Kommission "effizient und ausgewogen" sei. Ermessenskriterien werden darin gestrichen, Verfahrensvorschriften
vereinfacht, gestrafft und konsolidiert. Damit will die Kommission ein höheres Maß an Harmonisierung
und Einheitlichkeit beim Ausgang von Asylverfahren erreichen.
Konkret geht es um einfachere, klarere und kürzere Verfahren anstelle der derzeit uneinheitlichen Verfahrensvorschriften
in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die 6-Monats-Frist für die Entscheidungen wird beibehalten, für offensichtlich
unbegründete und unzulässige Anträge sind erheblich kürzere Fristen vorgesehen. Enthalten sind
darin auch Verfahrensgarantien zum Schutz der Rechte der AntragstellerInnen, um zu gewährleisten, dass Asylanträge
im Rahmen eines strafferen und kürzeren Verfahrens angemessen geprüft werden. Die geplante Ausweitung
der Rechtsberatung würde jedoch in Österreich bei der hohen Anzahl an Asylanträgen größere
finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen.
Der Entwurf sieht zudem strengere Vorschriften vor, um Missbrauch zu verhindern, offensichtlich missbräuchliche
Anträge zu sanktionieren und Anreize zu Sekundär-Migration zu beseitigen, indem die Antragsteller während
der Dauer des Verfahrens zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet und deutliche Konsequenzen bei Verletzung
ihrer Pflichten festgelegt werden. Der Vorschlag enthält insbesondere klare, ausführliche und verbindliche
Listen von Gründen für eine beschleunigte Prüfung oder eine Ablehnung von Anträgen als offensichtlich
unbegründet oder nicht weiter betrieben.
Zudem legt der Verordnungsentwurf harmonisierte Vorschriften über sichere Herkunfts- und Drittstaaten zur
Vereinheitlichung der verfahrensrechtlichen Folgen fest, wobei dieser Prozess schrittweise innerhalb der auf das
Inkrafttreten folgenden fünf Jahre vor. Danach sollen die nationalen Listen durch europäische Listen
oder Benennungen ersetzt werden.
EU legt Rahmen für legale Einreise in die Union vor
Schließlich plant die EU, einen stärker strukturierten, harmonisierten und dauerhaften Neuansiedlungsrahmen
in der gesamten Union zu schaffen, um Vertriebenen, die internationalen Schutz benötigen, einen legalen Weg
zur Einreise in die EU zu ermöglichen. Zwar würden in der EU seit vielen Jahren Neuansiedlungen vorgenommen,
doch bislang beruhten alle derartigen Initiativen auf nationalen oder multilateralen Programmen bzw. wurden sie
ad hoc durchgeführt. Wie die Kommission in der Begründung für das harmonisierte Konzept festhält,
dient Neuansiedlung dem Ziel, denjenigen Schutz zu bieten, die ihn benötigen, und gleichzeitig die Schutzsuchenden
von der Nutzung irregulärer und gefährlicher Routen abzuhalten, sodass die Schleppernetzwerke nicht mehr
von dieser Situation profitieren können.
Der Entwurf zielt darauf ab, ein gemeinsames Konzept festzulegen, das Drittstaatsangehörigen, die internationalen
Schutz benötigen, eine sichere und legale Einreise in die Union ermöglicht und sie damit auch vor der
Ausbeutung durch Schleusernetze schützt. Er soll auch dazu beitragen, den durch spontan eintreffende Personen
verursachten Druck auf die Asylsysteme der Mitgliedstaaten zu verringern und die Verantwortung mit Ländern,
in die eine große Zahl von Schutzsuchenden vertrieben wurde, zu teilen und sie zu entlasten. Die EU will
damit aber auch einen Beitrag zu den globalen Neuansiedlungsbemühungen leisten.
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