Mutiges Auftreten gegen Mobbing, Ausgrenzung und Gewalt im Alltag ist notwendig
Wien (pk) - "Machen wir den Bundesrat zur Kammer der Zivilcourage, machen wir 2017 gemeinsam zum Jahr
der Lösung: Zum Jahr der digitalen Courage". Mit diesen Appellen umriss Bundesratspräsident Mario
Lindner am 21.12. seine beiden politischen Schwerpunkte, die er im letzten Halbjahr als steirischer Präsident
der Länderkammer mit Nachdruck verfolgt hat: Kampf gegen den Hass, vor allem im Internet, und eine wirksame
und vorausschauende Politik des Bundesrats, die nicht unbedingt der Tagespolitik verpflichtet ist. Lindner übergibt
sein Amt mit Jahreswechsel an seine Kollegin Sonja Ledl-Rossmann aus Tirol.
Mit dem Thema "Digitale Courage", zu dem der Bundesrat eine Enquete abgehalten hat, habe man definitiv
einen Nerv der Zeit getroffen, sagte Lindner - auch unter Hinweis auf das enorme mediale Echo auf diese Initiative.
Mit dem Grünbuch zur digitalen Courage habe man zudem den ersten, wissenschaftlichen fundierten Katalog mit
Vorschlägen an die Politik in diesem Bereich vorgelegt. Der Bundesrat habe es damit geschafft, dieses Thema
auf die überparteiliche parlamentarische Ebene zu heben und es hier neu zu definieren. Hass im Netz sei ein
Thema, das Problembewusstsein sei da, die Lösungsansätze fehlten aber. Lindner sprach in diesem Zusammenhang
die um sich greifende Verunsicherung und das Misstrauen gegenüber der Politik und PolitikerInnen an, woraus
sich oft geballte Wut entwickle, die sich dann im Internet Luft verschaffe – oft mit furchtbaren Auswirkungen auf
die Betroffenen.
Dieser Entwicklung könne man mit den herkömmlichen politischen Mitteln so gut wie gar nicht beikommen,
unterstrich Lindner, weshalb es sein Ziel gewesen sei, dieser Frage eine neue Perspektive und eine neue Richtung
zu geben, und das sei gelebte, digitale Zivilcourage. "Wir müssen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger
davon überzeugen, selbst couragiert gegen Hass und Diskriminierung im Netz aufzutreten", so der Bundesratspräsident,
"wir müssen sie dabei unterstützen, sie fördern und auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen."
Das Thema dürfe mit dem 31. Dezember 2016 nicht abgehackt werden, drängte Lindner seine Kolleginnen und
Kollegen in der Länderkammer, weiter initiativ zu bleiben. Nicht nur weil es für das Ansehen dieser Kammer
wichtig sei, sondern weil es moralisch und politisch richtig sei.
Demokratie braucht den permanenten Willen, besser zu werden
Damit leitete der Präsident auf den Bundesrat selbst über, auf die immer wieder im Raum stehende
Frage, ob man denn die zweite Kammer überhaupt brauche. "Wir müssen uns diese Frage nicht nur gefallen
lassen, sondern sie auch beantworten", bekräftigte Lindner. Österreich brauche einen starken, aktiven
und präsenten Bundesrat. Die Stärke der Länderkammer liege nicht im unmittelbaren Zentrum der Tagespolitik,
was vielleicht für die hektische Mediendemokratie "nicht immer sexy genug" sei. Es handle sich aber
dabei um eine Politik, die weniger aufgeregt sei, die aber wirke, denn der Bundesrat stoße langfristige Projekte
an – wie etwa die Frage des digitalen Wandels und der digitalen Courage. Man könne langfristige Projekte anstoßen
und über Legislaturperioden hinweg Schwerpunkte setzen. Der Bundesrat sei auch die Kammer der Kinderrechte
mit einem eigenen Ausschuss, man verfüge auch über einen Zukunftsausschuss und mit dem EU-Ausschuss stehe
man zurecht im Zentrum der österreichischen Europapolitik.
Das alles reiche aber nicht, räumte Lindner ein und rief dazu auf, sich selbstkritisch zu fragen, was man
besser machen könnte. Er wolle einfach nicht akzeptieren, dass man sich als Länderklammer permanent für
seine Arbeit rechtfertige müsse. "Demokratie braucht den permanenten Willen, besser zu werden, sich weiterzuentwickeln.
Nehmen wir uns das zu Herzen", sagte Lindner. In diesem Sinne regte er beispielsweise an, den Zukunftsausschuss
noch aktiver einzusetzen. Hier gehe es nicht um Partei- oder Regierungspolitik, sondern darum, dass man als Mitglied
dieser Kammer ein neues Selbstverständnis brauche. Auch wenn der Bundesrat mehr Kompetenzen benötige,
so gebe es noch Spielräume, die man ausreizen könne. "Trauen wir uns mehr zu! Seien wir mutiger!",
so Lindner zum Abschied.
Terror und Gewalt - Antwort muss mehr Demokratie und mehr Menschlichkeit sein
Der Bundesratspräsident ging auch auf den jüngsten Terror in Berlin ein und beschwor alle, sich niemals
der Angst zu beugen: "Unsere Antwort auf Gewalt muss Tag für Tag mehr Demokratie, mehr Menschlichkeit
sein." Aber man dürfe aber auch nicht auf jene Akte von Gewalt und Ausgrenzung vergessen, die Tag vor
Tag vor unseren Augen passieren. Lindner nannte als Beispiel den brutalen Übergriff auf ein junges Mädchen
in Wien, der auf Facebook mehr als 2,8 Millionen Menschen erreichte oder die Gewalt gegen zwei junge Männer,
die sich auf offener geküsst hatten. "Niemand, absolut niemand hat das Recht, Gewalt gegenüber Kindern,
Frauen und Männern auszuüben", appellierte Mario Lindner. Er wünsche sich vom Jahr 2017, dass
kein Mensch aufgrund seines Geschlechts, seines Alters, seiner Herkunft, seiner Religion, seiner sexuellen Orientierung
oder einer Behinderung, jemals wieder Mobbing, Ausgrenzung oder Gewalt erfahren muss. Er werde nicht aufhören,
seine Stimme zu erheben, wenn Menschen diskriminiert werden. Die europäische Menschenrechtskonvention sei
einzuhalten!
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