Warum private Haushalte in Zentral- und Südosteuropa den Euro bevorzugen
Wien (oenb) - In zahlreichen Ländern Zentral- und Südosteuropas spielt neben der lokalen Währung
der Euro sowohl als Zahlungsmittel als auch zur finanziellen Vorsorge eine wichtige Rolle. In Serbien etwa verwendet
laut einer Euro-Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) mehr als die Hälfte der Menschen den Euro
als Zahlungsmittel bei Immobilientransaktionen. Der Anteil des Euro am gesamten Bargeldumlauf beträgt in Serbien
beinahe 60 % und in Mazedonien 38 %. Im Kosovo und in Montenegro ist der Euro überhaupt offizielle Währung,
auch wenn beide Länder nicht der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion angehören. Eine
neue OeNB-Studie geht der Frage nach, warum private Haushalte in Zentral- und Südosteuropa Zahlungen in Euro
bevorzugen.
Insgesamt waren weltweit Ende Oktober 2016 rund 1.129 Mrd EUR im Umlauf. Etwa 15 % bis 25 % davon werden für
Zahlungstransaktionen verwendet. Schätzungen zufolge zirkulieren 25 % bis 35 % des Euro-Bargelds außerhalb
des Euroraums. Für den großen Stellenwert des Euro in Südosteuropa sind weiterhin Netzwerkeffekte
und das geringe Vertrauen in die Stabilität der jeweiligen Landeswährung entscheidende Faktoren. Neben
der Erwartung, dass der Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre als offizielle Landeswährung eingeführt
wird, spielt in der gesamten Region auch die Erinnerung an schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit (Hyperinflation,
Konfiskation von Ersparnissen) eine wichtige Rolle.
Vertrauen in die Währung entscheidend
Thomas Scheiber und Caroline Stern (beide OeNB) untersuchten in einer im aktuellen Heft der OeNB-Reihe Focus
on European Economic Integration (FEEI) veröffentlichten Studie mögliche Ursachen für Währungssubstitution
in zentral- und südosteuropäischen Ländern auf Basis einer Datenerhebung vom Herbst 2014. Dabei
zeigt sich, dass für den Abbau der vor allem in Südosteuropa hohen Währungssubstitution in Zukunft
– trotz der großen Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern – zuverlässige Institutionen
und politische Entscheidungen, die das Vertrauen der Menschen in die jeweilige Landeswährung stärken,
entscheidend sein werden. Dies würde auch wesentliche volkswirtschaftliche Vorteile, vor allem eine bessere
Wirksamkeit der Geldpolitik und eine größere Widerstandsfähigkeit der Länder gegenüber
Schocks bedeuten.
Schlechte Erfahrungen und Netzwerkeffekte
Die Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas haben eine lange Geschichte der Währungssubstitution:
Früher war es die D-Mark oder der Schilling, heute wird vor allem der Euro neben der jeweiligen Landeswährung
als Zahlungsmittel verwendet (Euroisierung). Derlei Phänomene zeigen sich zumeist nach makroökonomischen
Krisen wie Hyperinflation, Währungs- oder Bankenkrisen. Ein Vergleich mit der sogenannten Dollarisierung (also
der Verwendung des US-Dollar außerhalb der USA) in Lateinamerika zeigt, dass die Verwendung der Fremdwährung
nicht notwendigerweise wieder zurückgeht, zumindest nicht vollständig, sobald ein Land seine volkswirtschaftliche
Lage stabilisiert hat. In der ökonomischen Literatur werden zwei Erklärungen genannt: Erstens bleibt
die Währungssubstitution aufrecht, weil Bevölkerung und Unternehmen weiterhin an der zukünftigen
Stabilität der Landeswährung zweifeln, selbst wenn der Wechselkurs schon einige Zeit lang stabil oder
die Inflationsrate bereits länger niedrig ist. Zweitens kann es vorteilhaft sein, eine fremde Währung
zu verwenden, wenn ein großer Teil der Bevölkerung und der Unternehmen dies auch tut. In der Fachsprache
wird dies als Netzwerkeffekt bezeichnet. Wenn die Währungssubstitution während der Krisenperiode ein
ausreichend hohes Ausmaß erreicht hat, etabliert sich die fremde Währung als allgemeines Zahlungsmittel,
das dann auch nach der Krise für bestimmte Zahlungen weiter verwendet wird. Für beide Erklärungen
gilt, dass sie letztlich auf einen Vertrauensverlust in die Landeswährung zurückgeführt werden können,
wobei das in der Krise verspielte Vertrauen offenbar nur sehr langsam zurückkehrt.
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