München (idw) - In vielen Impfstoffen werden Viren abgetötet, so dass sie dem Patienten nicht schaden
können. Üblicherweise geschieht dies durch Chemikalien. Fraunhofer-Forscher gehen einen anderen Weg und
bestrahlen die Erreger mit Elektronen. Die Vorteile der neuen Methode: Es fallen keine giftigen Abfälle an.
Zudem geht die Inaktivierung der Erreger schneller und schonender vonstatten.
Kinderlähmung, Grippe, Hepatitis A: Ein kleiner Pieks – und Krankheitserreger haben keine Chance. Die meisten
Impfungen beruhen auf Totimpfstoffen, bei denen die Viren abgetötet sind. Die Erreger können dem Patienten
also nichts mehr anhaben. Dennoch erkennt das Immunsystem sie und bildet die entsprechenden Antikörper und
damit einen wirksamen Schutz. Bislang tötet man die Erreger durch Chemikalien, üblicherweise wird Formaldehyd
verwendet. Das bringt jedoch mehrere Nachteile mit sich: Formaldehyd ist – ebenso wie andere verwendete Chemikalien
– giftig. Um die Risiken für Mensch und Umwelt gering zu halten, kommen die Substanzen nur stark verdünnt
zum Einsatz. Die Erreger müssen daher lange in der Chemikalie lagern, bis sie abgetötet sind. So braucht
Formaldehyd etwa zwei Wochen, um Polio-Viren, den Auslöser der Kinderlähmung, den Garaus zu machen. Dieser
Zeitaufwand ist für die Industrie ein Nachteil. Zudem greift Formaldehyd auch die Proteine der Viren an, gegen
die das Immunsystem Antikörper bildet. Es verändert die Viren also, die Wirksamkeit des Impfstoffs sinkt.
Viren schonender und effizienter inaktivieren
Eine vielversprechende Alternative haben Forscher der Fraunhofer-Institute für Zelltherapie und Immunologie
IZI, für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, für Organische Elektronik, Elektronenstrahl-
und Plasmatechnik FEP und für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickelt. »Wir bestrahlen
die Erreger mit nieder-energetischen Elektronen«, verrät Dr. Sebastian Ulbert, Arbeitsgruppenleiter
am IZI. Statt mehreren Tagen oder gar Wochen reichen einige Millisekunden aus, um die Viren oder Bakterien abzutöten.
Das bedeutet einerseits einen wesentlich geringen Zeitaufwand für die Impfstoffherstellung. Andererseits zerstören
die Elektronen nur die Nukleinsäuren der Viren und Bakterien, während deren Proteine heil bleiben. Die
Bestandteile, auf die unser Immunsystem mit der gewünschten Immunantwort reagiert, sind also auch nach der
Bestrahlung noch intakt. Ein weiterer Vorteil: Es fallen keine giftigen Chemikalien an.
Zwar gibt es schon lange Versuche, die Erreger mittels Strahlung abzutöten – allerdings war der experimentelle
Aufwand bislang kaum zu stemmen. So konnte beispielsweise die radioaktive Bestrahlung aus Sicherheitsgründen
nur hinter dicken Mauern stattfinden, keinesfalls in den Produktionshallen der pharmazeutischen Industrie. »Die
Bestrahlung mit den niederenergetischen Elektronen ist dagegen in einem normalen Labor möglich«, so
Ulbert. Im Labormaßstab, also mit etwa zehn bis 15 Millilitern, belegten die Forscher bereits, dass das Verfahren
einwandfrei funktioniert: Die Viren sind nachweislich abgetötet, und in ersten Tests im Tiermodell bewies
der Impfstoff einen umfassenden Schutz.
Erreger automatisch und in großen Mengen abtöten
In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler die Viren nun auch in großen Mengen inaktivieren.
Das ist jedoch nicht so leicht: Denn die Elektronen dringen weniger als einen Millimeter tief in die Flüssigkeit
ein, in der die Viren schwimmen. Die bestrahlte Flüssigkeit muss also in dünnen Schichten vorliegen,
damit auch alle Übeltäter von den Elektronen erreicht werden. Die Forscher entwickeln nun zwei entsprechende
Prototypen für die automatische Inaktivierung der Erreger, finanziert von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.
Der erste Prototyp ist fast fertig: Bei ihm wird die Lösung für die Bestrahlung in Beutel abgefüllt
– die Beutel sorgen dafür, dass die Flüssigkeitsschicht dünn genug bleibt. Bei einem zweiten Ansatz
erzeugen die Wissenschaftler den dünnen Flüssigkeitsfilm, indem sie die Lösung über Rollen
laufen lassen. In etwa fünf Jahren, so hoffen sie, könnten die klinischen Studien für die Herstellung
von Impfstoffen beginnen.
Die neue Technik beschränkt sich jedoch nicht allein auf Impfsubstanzen. »Über die Elektronenbestrahlung
können wir auch Hochsicherheitsmaterial inaktivieren, ohne es zu zerstören«, erläutert Ulbert.
Dann könnten beispielsweise Blutproben von Ebola infizierten Patienten so behandelt werden, dass sie sich
gefahrlos in normalen Laboren untersuchen lassen.
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