An der TU Wien wurde eine neue Methode entwickelt, mit der man Quantenzustände rasch und
präzise messen kann.
Wien (tu) - Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist eine medizinische Anwendung, die wohl den meisten ein
Begriff ist – meistens aufgrund eigener schmerzlicher Erfahrungen. Die Patient_innen absorbieren – und infolge
emittieren wieder – elektromagnetische Wellen in alle Raumrichtungen, die dann aufgezeichnet werden. Auf Basis
dessen werden daraus später 3D-Bilder oder 2D-Schnitte rekonstruiert. Umgelegt auf die physikalische Grundlagenforschung
ersetzt man lediglich Patient_innen durch ein Quantenobjekt und die elektromagnetischen Wellen durch eine Quantenmessung.
Das Resultat ist eine Quantentomographie (quantum state tomography).
Quantenzustände rekonstruieren, ohne Nachbearbeitung
Die Quantentomographie zielt darauf ab, den Quantenzustand eines Objekts, so wie er von seiner Quelle emittiert
wird, zu rekonstruieren, noch bevor er sich zu verändern beginnt – sei es durch eine Messung oder durch Wechselwirkungen
mit seiner Umwelt. Im Laufe der Jahre wurde diese Technik zu einem unverzichtbaren Werkzeug im Forschungsgebiet
der Quantentechnologie, ihre theoretischen Grundlagen wurden bereits in den 1970er Jahren geschaffen. Ihre experimentelle
Umsetzung gehört heute zum Tagesgeschäft im Umgang mit einer Vielzahl von Quantensystemen. Das Funktionsprinzip
der Quantentomographie – wie auch ihres medizinischen Gegenstücks der MRT-Untersuchung – ist es eine Serie
von Messungen aus verschieden räumlichen Richtungen durchzuführen, um so den Quantenzustand eindeutig
erfassen zu können. Nichtsdestotrotz ist hierfür eine erhebliche Nachbearbeitung der Messdaten, das sogenannte
„post-processing“, notwendig, um die gesammelten Informationen sinnvoll auswerten zu können. Das führt
schließlich zum gewünschten Resultat, dem ursprünglichen Quantenzustand des Objekts. Alles in allen
ein immenser Rechenaufwand.
Als Folge davon wurde 2011 eine neue, direktere Methode entwickelt, die die Rekonstruktion des Quantenzustands
ohne Nachbearbeitung der Messdaten ermöglichte. Jedoch hatte diese neue Methode eine andere Schwachstelle:
Sie bediente sich sogenannter „schwacher Messungen“, ein Messkonzept das das Quantensystem weitestgehend ungestört
lässt und lediglich eine geringe Menge an Information extrahiert. Für gewöhnlich ist eine Messung
ein massiver Eingriff in ein Quantensystem, bei dem sämtliche typische Quanteneffekte wie Verschränkung
und Interferenz unwiederbringlich zerstört werden. Eine „schwache Messung“ vermeidet diesen Umstand, allerdings
müssen die Messungen aufgrund des geringen Informationszuwachses oft wiederholt werden – eine nicht unerhebliche
Problematik in der praktischen Anwendung. Einem Forschungsteam am Atominstitut der TU Wien unter der Leitung von
Stephan Sponar ist es nun gelungen, diese beiden Methoden zu kombinieren und die positiven Aspekte beider Verfahren
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zu vereinen. „Dabei wurde die Notwendigkeit der „schwachen Messungen“ aus dem direkten Messprozess des Quantenzustands
entfernt und anstelle dieser, gewöhnliche – also starke Messungen – eingesetzt. Das Resultat ist, dass der
Quantenzustand nun genauer, aber auch mit wesentlich geringerem Zeitaufwand, bestimmt werden kann,“ erklärt
Sponar. Die Ergebnisse der Forschung wurden nun im Fachjournal "Physical Review Letters" veröffentlicht.
Neutroneninterferometrie als Messtechnik der Wahl
Im Experiment bedienten sich Sponar und sein Team einer Messtechnik, die als Neutroneninterferometrie bezeichnet
wird. Sie basiert auf der Wellennatur des Neutrons, das ein fester Bestandteil des Atomkerns ist und rund zwei
Drittel des Universums ausmacht. Befinden sich Neutronen jedoch außerhalb des Atomkerns, etwa durch Kernspaltung
in einem Forschungsreaktor, dann verhalten sie sich wie eine Welle. Dieses Phänomen wird auch als Welle-Teilchen-Dualismus
bezeichnet und stellt als solches eine Grundlage der Quantenmechanik dar. Im Inneren des Neutroneninterferometers
wird der einfallende Neutronenstrahl an einem Strahlteiler (einer dünnen Silizium-Scheibe) in zwei kohärente
Teilstrahlen aufgeteilt, welche nach Durchlaufen unterschiedlicher Wege zur Interferenz gebracht werden. Das eigentliche
Experiment wurde am Institut Laue-Langevin in Grenoble durchgeführt, wo die Forschungsgruppe des Atominstituts
einen permanenten Strahlplatz unterhält.
Die Resultate der Forschung sind nicht auf Neutronen beschränkt: Vielmehr lassen sie sich auf sämtliche
Quantensysteme wie Photonen, Ionen in Magnetfallen oder supraleitende Qubits anwenden. Die Resultate könnten
großen Einfluss darauf haben, wie in Zukunft Quantenzustände bestimmt werden und stellen eine wertvolle
Ressource hinsichtlich neuer Entwicklungen auf dem Sektor der Quanteninformationsverarbeitung dar.
Originalpublikation: Tobias Denkmayr
et al. Experimental demonstration of direct path state characterization by strongly measuring weak values in a
matter-wave interferometer.
Physical Review Letters 118, 010402 (2017): http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.118.010402
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