Innsbruck (universität) - Jahrzehntelang hielt sich die Lehrmeinung, dass sich alle Fische, Amphibien und
Reptilien als Kaltblüter in der Genomorganisation deutlich vom Menschen und anderen Warmblütern unterscheiden.
Radka Symonova vom Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck hat dies, gemeinsam mit
einem internationalen Forscherteam, nun anhand umfangreicher zytogenomischer Forschung am archaischen Knochenhecht
widerlegt und im Journal of Experimental Zoology publiziert.
Fische sind wichtige Modellorganismen und aus der medizinischen Forschung nicht mehr wegzudenken. Ein beliebter
Modellorganismus ist z.B. der Zebrafisch (Danio rerio), der der Entwicklung neuer Diagnostiken und Therapien dient.
Diese Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen wird allerdings aufgrund der Genetik erschwert: „Beim Zebrafisch
und allen anderen Knochenfischen wurde das Erbgut vor hunderten Millionen Jahren verdoppelt und liegt in verschiedenen
Linien der Fische wieder unterschiedlich reduziert – also rediploidisiert – vor“, erklärt Radka Symonova vom
Forschungsinstitut für Limnologie der Uni Innsbruck. . Erst in diesem Jahr wurde das Genom des Knochenhechtes
(Lepisosteus oculatus) sequenziert – die Abfolge der Nukleotidbausteine Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und
Guanin (G) aufgeklärt – und publiziert. Grund für diese besondere Aufmerksamkeit war, dass der archaische
Knochenhecht eine Fischlinie in der Stammesgeschichte repräsentiert, die sich noch vor der Genomverdopplung
von den Knochenfischen abgespalten hat. „Das Genom des Knochenhechtes dient daher als wichtiger Bezug für
das Verständnis der Evolution jener Gengruppen, die u.a. auch für menschliche Krankheiten verantwortlich
sind und damit als Bindeglied zwischen Knochenfischen und Landwirbeltieren verstanden werden“, beschreibt Symonova.
Das ist aber nicht die einzige Besonderheit, die der Superfisch Knochenhecht vorzuweisen hat.
Ähnlichkeit zu Säugetieren
Die Nukleotide A, T, C und G sind die Grundbausteine der DNA, also der Erbsubstanz in der Zelle. Die Abfolge
dieser genetischen Bausteine hat neben der Protein-Codierung zahlreiche entscheidende, zellregulatorische Funktionen.
Mit ihrem internationalen Forscherteam hat Radka Symonova durch die zytogenomische Analyse zweier Knochenhechtgattungen
(Atractosteus und Lepisosteus) erstmals bemerkt, dass der Anteil von G und C auf deren Chromosomen für Fische
äußerst ungewöhnlich ist: Bei den Knochenhechten konnte damit erstmals eine GC-Kompartimentierung
bei Fischen nachgewiesen werden. Die Folgerung daraus überraschte selbst die Wissenschaftler: „Unsere Ergebnisse
lassen den Schluss zu, dass die Genomorganisation der Knochenhechte mehr Ähnlichkeit zu den Säugetieren
als zu anderen Fischen hat. Wir nehmen an, dass der Knochenhecht eine konvergente Evolution zu den tetrapoden Lebewesen
durchlaufen hat, das heißt, dass er sich parallel zu jenen Organismen entwickelt hat, von denen in weiterer
Folge die Säugetiere abstammen“, sagt Radka Symonova. „Diese Erkenntnis wirft ein ganz neues Licht auf die
Genomevolution der Wirbeltiere und fordert jetzt eine große Revision der bisherigen Hypothesen, Daten und
auch Herangehensweisen.“
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