Linz (stadt) - Investitionen für nachhaltiges Wachstum brauchen vor allem eine europäische Energiestrategie
und neue Ausbildungs- und Arbeitszeitmodelle in Österreich
Die Industrie ist das Rückgrat der Wirtschaft in Linz, Österreich und Europa. Vor allem die Stahlindustrie
in Österreich sieht sich in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart mit großen Herausforderungen
konfrontiert:
- Eine Benachteiligung im europäischen und internationalen Wettbewerb durch
österreich-spezifische Verschärfungen („golden plating“) beim Emissionshandel.
- Den steigenden Energiebedarf für den Einsatz von umweltfreundlichen Zukunftstechnologien
bei einer gleichzeitig fehlenden europäischen Energiestrategie.
- Zunehmende Probleme in der Lehrlingsausbildung von bzw. für Zulieferbetriebe.
- Die Notwendigkeit und der Wunsch der Belegschaften nach flexibleren Arbeitszeitmodellen.
Die Bewältigung dieser vier zentralen Herausforderungen bildet neben der Spezialisierung und der dafür
notwendigen Forschung den Grund-stein, um angesichts weltweiter Konkurrenz und Überkapazitäten als Industriestandort
wettbewerbsfähig zu bleiben.
„Bei diesen speziellen Anforderungen sind wir als Politiker gefordert, unsere Industrie zu unterstützen“,
so der Linzer Bürgermeister Klaus Luger. „Tun wir das nicht, ist für mich bedauerlicherweise nachvollziehbar,
wenn Investitionen am Standort zunehmend nicht mehr begründbar sind und ausbleiben. Am Beispiel der Chemieindustrie
und am Exempel Großbritanniens zeigen sich die drastischen Folgen, wenn Industrieproduktionsstandorte in
Frage gestellt werden.“
„Die VOEST Alpine Stahl hat in der Vergangenheit gezeigt, dass ihr an einer zukunftsorientierten und umweltfreundlichen
Produktion gelegen ist“, so Konzernbetriebsratsvorsitzender Hans Karl Schaller. „Fairer Wettbewerb bedeutet für
uns auch nicht, dass Klimaziele und Sozialstandards nach unten geschraubt werden sollen. Bevor aber für die
europäische Industrie die Schrauben immer weiter nach oben gedreht werden, braucht es zuerst Strategien, damit
andere Regionen unser Niveau erreichen und vor allem am Energiesektor die Voraussetzungen für den Einsatz
von umweltfreundlichen Zukunftstechnologien geschaffen werden.“
Im Linzer Gemeinderat sollen deshalb auch die Anstrengungen des Linzer Stahlkonzerns gewürdigt und per Resolution
entsprechende politische Maßnahmen eingefordert werden.
Vorhandene Klimaziele weltweit durchsetzen statt „golden plating“
20 Millionen Euro jährlich hat alleine die VOEST in Österreich in der CO2-Handelsperiode 2008 bis 2012
für Zertifikate aufwenden müssen. In der aktuellen Periode bis 2020 zeichnet sich ein durchschnittlicher
jährlicher Aufwand von mindestens 30 Millionen Euro ab. In anderen, auch europäischen Ländern, werden
konkurrierende Unternehmen hingegen durch „Gratis-Verschmutzungsrechte“ unterstützt. Das verzerrt natürlich
die Wettbewerbssituation, noch dazu, wo die Stahlproduktion weltweit durch Überkapazitäten gekennzeichnet
ist. „Vor allem in China hat die Produktion von Stahl unter günstigeren Rahmenbedingungen zugenommen, während
mittlerweile die Nachfrage auf den chinesischen Märkten eingebrochen ist“, beleuchten der Linzer Bürgermeister
Klaus Luger und Konzernbetriebsratschef Hans Karl Schaller die Marktlage. Natürlich sei für eine Industriestadt
wie Linz eine Produktion, bei der Luft- und Umweltverschmutzung hintangehalten werden, wünschenswert, aber:
„Wenn anderswo die Schornsteine wie wild rauchen und das Klima weltweit zerstört wird, hilft es wenig, wenn
im kleinen Österreich die Klimaziele übererfüllt werden. Dadurch werden hier Arbeitsplätze
gefährdet und wir setzen eine andere wichtige Lebensgrundlage der Menschen aufs Spiel!“
Die VOEST produziert bereits jetzt in Österreich den saubersten Stahl. Diesen Spitzenplatz im globalen Vergleich
will man auch beibehalten, weshalb ständig in die Anlagen investiert wird. Die jährlich steigenden Umweltaufwendungen,
die von internationalen Mitbewerbern in anderen Regionen nicht geleistet werden müssen oder subventioniert
werden, wirken allerdings stark wettbewerbsverzerrend.
Darum muss es jetzt zuerst einmal zum Schulterschluss der europäischen Politik mit der Industrie kommen. „Ziel
muss es sein, Strategien und Druck zu entwickeln, damit die bislang vereinbarten Klimaziele von allen erreicht
werden“, sind sich Luger und Schaller einig.
Nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit durch Spezialisierung und neue Technologien
Die Stahlindustrie in Österreich zeichnet sich glücklicherweise durch eine hohe Spezialisierung aus.
Das hat ihr bisher nicht nur den Rücken im globalen Wettbewerb noch halbwegs freigehalten, sondern ist auch
Ergebnis jahrzehntelanger intensiver Forschungsaktivitäten. „Natürlich konzentrieren wir uns dabei nicht
nur auf die Entwicklung besonderer Qualitäts- statt Massenware, sondern forschen auch in Richtung noch umweltfreundlicherer
Produktion“, erläutert Konzernbetriebsratsvorsitzender Schaller die Bemühungen der VOEST. Trotzdem wird
es vermutlich noch mindestens 20 Jahre brauchen, bis die Stahlindustrie auf Technologien umsteigen kann, die CO2-frei
sind. Voraussetzung dafür sind zwei Dinge: einerseits die weitere Intensivierung der Forschung, um die Zukunftstechnologien
auch sicher zu machen, denn die umweltfreundliche Alternative zum Kohlenstoff ist Wasserstoff. Auf der anderen
Seite braucht es auch Umstellungen bei der Energieerzeugung, denn die neuen Technologien, die teilweise bereits
jetzt einsetzbar wären, haben einen hohen Energiebedarf.
Europäische Energielösung: Grundvoraussetzung für Investitionen in die Zukunft
„Deshalb ist eine gesamteuropäische Energiestrategie dringend notwendig“, fordern Luger und Schaller.
„Das derzeitige Flickwerk und die teilweise völlig fehlgeleitete Förderpolitik müssen ein Ende haben.“
Europa sieht sich derzeit mit einer veralteten Energieinfrastruktur, mangelnder Versorgungssicherheit durch die
fehlende Vereinbarkeit von Energieerzeugung und Energieverteilung sowie verbesserungsfähiger Energieeffizienz
konfrontiert. Eine Folge davon ist, dass die Energiepreise im Vergleich zu anderen Regionen überdurchschnittlich
hoch sind. Für die Zukunft ist daher nicht nur der Aufbau einer zuverlässigen Netzinfrastruktur notwendig,
sondern vor allem die Zusammenschaltung von Produktion und Verteilung durch die Verwirklichung des Energiebinnenmarktes.
„Die Energieprobleme der Industrie lassen sich nur auf europäischer Ebene lösen, darauf sollte sich die
österreichische Politik bei ihrem Einsatz in der EU konzentrieren. Kanzler Kern hat das glücklicherweise
offenbar bereits erkannt“, setzt VOEST-Konzernbetriebsratsvorsitzender Hans Karl Schaller seiner Hoffnung in die
angekündigte Energieoffensive des österreichischen Bundeskanzlers. „Auch hier gilt es, durch den Einsatz
neuer Technologien effizienter und damit nachhaltiger zu handeln“, sieht Bürgermeister Klaus Luger wichtige
Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung.
Technikschwerpunkt an Schulen und Förderung der Lehre gegen Fachkräftemangel
Die dritte große Herausforderung für die Stahlindustrie am Standort Linz und in ganz Österreich
besteht im zunehmenden Mangel an Fachkräften. Große Unternehmen wie die VOEST können dabei noch
auf eine große Nachfrage nach den angebotenen Lehrplätzen zurückgreifen. Trotzdem muss auch hier
mittlerweile ungleich mehr in die Ausbildung investiert werden, weil teilweise fehlende Grundkenntnisse aus der
Pflichtschule für die Qualifizierung nachgeholt werden müssen. Für kleinere Zulieferfirmen wird
der Mangel an ausreichend vorgebildeten Lehrkräften allerdings zusehends zum Problem. „Das unterstützt
mich in meiner Forderung nach einer Verbesserung der Schulbildung. Als Stadt wollen wir uns verstärkt dafür
einsetzen, dass der Technologievermittlung in den Linzer Pflichtschulen ein Schwerpunkt gewidmet wird“, berichtet
Bürgermeister Klaus Luger aus den Vorhaben der oberösterreichischen Landeshauptstadt am Bildungssektor.
Auch hier sehen Luger und Schaller den Vorstoß des Kanzlers positiv, der die Lehre aufwerten und ihr ähnlich
viel öffentliche Aufmerksamkeit und finanzielle Zuwendungen wie der Ausbildung an höheren Schulen widmen
will.
Flexibilisierung statt Liberalisierung: neue Arbeitszeitmodelle braucht das Land!
Der vierte und letzte wesentliche Standortnachteil sind die Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung. „Die
Umstellung vom Vier-Schicht- auf den Fünf-Schicht-Betrieb war ein Segen für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, von dem letztlich auch das Unternehmen profitiert hat“, weiß Hans Karl Schaller. Auch hier braucht
es allerdings die entsprechenden Rahmenbedingungen. Vieles, das heute einem großen Konzern wie der VOEST
bereits möglich ist, bleibt kleineren Unternehmen und ihren MitarbeiterInnen verwehrt. „Die Umsetzung flexibler
und mitarbeiterfreundlicher Arbeitszeitregelungen ist äußerst komplex, in der VOEST artet das mittlerweile
in hunderte verschiedene Modelle für die unterschiedlichen Beschäftigungsbereiche aus“, wünscht
sich Hans Karl Schaller hier Bereinigungen. Dabei geht es um Flexibilisierung, nicht totale Liberalisierung: „Die
Politik ist schon gefordert, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dahingehend zu unterstützen, dass ein
ausgewogenes Verhältnis aus Arbeit und Freizeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich
sind. Bürokratie und starre Systeme führen aber immer öfter dazu, dass diese Zielsetzungen kaum
erreicht werden und dadurch Arbeitsplätze verloren gehen. Damit ist auch niemandem geholfen“, sieht Bürgermeister
Klaus Luger ebenfalls großen Handlungsbedarf.
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