Geänderter Tarif für Personen in Wohngemeinschaften, Wohnen wird als Sachleistung
bezirksweise gedeckelt, gesetzlich festgeschriebene Integrationskriterien und verstärkte Anreize, Arbeit wieder
aufzunehmen
Innsbruck (lk) - In der Regierungssitzung vom 16.01. beschloss die Tiroler Landesregierung die Neuregelung
der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Tirol. Nachdem der Bund an der Umsetzung einer bundeseinheitlichen
Mindestsicherung für ganz Österreich gescheitert ist, geht Tirol einen eigenständigen Weg, der im
Gleichklang mit Vorarlberg und in Anlehnung an die derzeitigen Regelungen in Salzburg ausgestaltet wird. Dies allen
voran auch deshalb, um im Westen Österreichs eine einheitliche Lösung sicherzustellen. Die Tiroler Landesregierung,
unter Federführung von LH Günther Platter, LHStvin Ingrid Felipe und der fachzuständigen Soziallandesrätin
Christine Baur, bekennt sich auch mit der Mindestsicherung NEU zu dem Grundsatz, dass diese ein Instrument zur
Vermeidung und Bekämpfung von Armut und damit von sozialer Ausschließung sein muss. Die Entwicklungen
der letzten Jahre, nämlich dass sich die Anzahl der Mindestsicherungsempfänger in Tirol von 11.500 im
Jahr 2010 auf rund 17.000 im Jahr 2016 erhöht hat und sich die Ausgaben nicht zuletzt durch die erhöhte
Anzahl der BezieherInnen aus Nicht-EU-Staaten gesteigert haben, macht eine Neuregelung der Mindestsicherung auch
für Tirol nach dem Grundsatz der Kostendämpfung unabdingbar. Die Gesamtausgaben bei der Mindestsicherung
sind im Vergleichszeitraum von 2005 (19 Millionen Euro) auf 2016 (56 Millionen Euro) gestiegen.
Die zentralen Änderungen der Mindestsicherung NEU, auf die sich die Tiroler Landesregierung heute geeinigt
hat, sind:
- eigener, verminderter Tarif für Personen in Wohngemeinschaften, Wohnen als
Sachleistung inklusive Zuweisungsrecht der Behörde, bezirksweise Deckelung der Wohnkosten
- Beibehaltung der vierteljährlichen Sonderzahlungen für jene Menschen,
die dringend Unterstützung benötigen (Minderjährige, MindestrentnerInnen, AlleinerzieherInnen, Menschen
mit Behinderung)
- Ausbau des Anreizsystems zur (Wieder-)Aufnahme einer Arbeit
- Änderung der Mindestsicherungssätze für Kinder (dem stehen Zuschläge
für Mehrkindfamilien bei der Familienbeihilfe gegenüber)
- Einschränkung der Anspruchsberechtigung bei Auslandsaufenthalten und für
nicht erwerbsfähige EU-BürgerInnen und Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten des EWR-Abkommens
- Tiroler Integrationskompass wird als Bestandteil der Mindestsicherung verankert
Verminderter Tarif für Personen in Wohngemeinschaften
Für Personen, die in Wohngemeinschaften leben, wird künftig ein neuer Richtsatz eingezogen. Dieser lag
bisher bei 633 Euro pro Person und wird künftig mit 473 Euro neu festgesetzt. Durch das gemeinsame Wirtschaften
in diesen Wohngemeinschaften ergeben sich Synergien, die im Optimalfall zu weniger Ausgaben etwa in den Bereichen
Hausrat, Strom und Heizung für jeden Einzelnen führen.
Wohnen als Sachleistung inklusive Zuweisungsrecht der Behörde
Wohnen wird in Tirol künftig vermehrt als Sachleistung geregelt. Das Land Tirol hat künftig die Möglichkeit,
MindestsicherungsempfängerInnen eine Wohnung zuzuweisen, die Tiroler Sozialen Dienste werden mit der Bereitstellung
von Wohnungen beauftragt. Wird eine Wohnung von den BezieherInnen nicht angenommen, kann dies zum Entfall der Wohnleistung
führen.
Bezirksweise Deckelung der Wohnungskosten
Auf Basis des aktuellen Immobilienpreisspiegels wird es künftig eine gesetzlich festgelegte, bezirksweise
absolute Deckelung der Wohnungskosten geben. Die Höhe der Deckelung wird an Tiroler Wohnungskosten von Wohnungen
mit mittlerem Wohnwert angepasst. Über diesen für jeden Bezirk eigens festgesetzten Betrag wird es keine
darüber hinausgehende Übernahme der Wohnkosten mehr geben. Ein entsprechender Vorschlag wurde vom Wohnungsreferenten
der Tiroler Landesregierung, LR Johannes Tratter, bereits ausgearbeitet und wird der Stadt Innsbruck und dem Tiroler
Gemeindeverband, die eine Deckelung der Wohnkosten verlangt haben, zur Stellungnahme übermittelt.
Einschränkung der vierteljährlichen Sonderzahlungen
Der Kreis der Anspruchsberechtigten für die vierteljährlichen Sonderzahlungen in Höhe von 76 Euro
für DauerbezieherInnen wird eingeschränkt. Weiterhin gewährt werden die Sonderzahlungen jener Menschen,
die die Unterstützung dringend benötigen. Darunter fallen Minderjährige (mit Anspruch auf Familienbeihilfe),
MindestrentnerInnen, AlleinerzieherInnen und Menschen mit Behinderung (ab 50 Prozent Beeinträchtigung).
Ausbau des Anreizsystems zur (Wieder-)Aufnahme einer Arbeit
Betroffene sollen für eine befristete Zeit eine Aufzahlung aus der Mindestsicherung bekommen, wenn die Bezahlung
der Beschäftigung geringfügig über dem Richtsatz der Mindestsicherung liegt. Es gibt zwar bereits
jetzt eine Freibetragsregelegung im Gesetz, diese greift aber nicht in der gewünschten Form. Deshalb soll
die Regelung noch attraktiver gestaltet werden, damit MindestsicherungsbezieherInnen möglichst schnell wieder
in den Arbeitsprozess finden.
Änderung der Mindestsicherungssätze für Kinder
Weil die Familienbeihilfe des Bundes progressiv gestaltet ist – je mehr Kinder, desto höhere Beiträge
– und seit der Steuerreform auch der Kinderabsetzbetrag bei geringen Einkommen ausbezahlt wird, werden die Mindestsicherungssätze
für Kinder in Zukunft gestaffelt. Für Minderjährige mit Familienbeihilfe werden demnach folgende
Prozentsätze des Ausgangswertes festgelegt: 1. und 2. Kind: 24,75 Prozent (wie bisher); 3. Kind: 22,75 Prozent;
4 bis 6. Kind: 15 Prozent; ab dem 7. Kind: 12 Prozent.
Einschränkung der Anspruchsberechtigung bei Mindestsicherung
Im Mindestsicherungsgesetz NEU wird klargestellt, dass Leistungen aus der Mindestsicherung bei Auslandsaufenthalten
nach maximal zwei Wochen eingeschränkt bzw. gestrichen werden. Weitere Einschränkungen des Mindestsicherungsanspruches
gibt es für nicht erwerbsfähige EU-BürgerInnen und Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten
des EWR-Abkommens. Diese sollen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes keinen Anspruch auf Mindestsicherung
haben. Auch nach drei Monaten haben nur jene Anspruch auf Mindestsicherung, die ArbeitnehmerInnen oder selbständig
sind. Insbesondere Hartz-IV-BezieherInnen aus Deutschland sollen damit abgehalten werden, nach Tirol zu ziehen.
Tiroler Integrationskompass als Bestandteil der Mindestsicherung
Schon im Rahmen des Asylverfahrens werden AsylwerberInnen im Rahmen von Deutschkursen, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Im neuen Tiroler Mindestsicherungsgesetz wird die Verpflichtung verankert, dass
Deutsch-, Orientierungs- und Wertekurse zu absolvieren sind. Bei Nichtbeachtung sind schrittweise Kürzungen
bis zu 66 Prozent der Mindestsicherungsleistung möglich. Für Orientierungs- und Dokumentationszwecke
wird ein Tiroler Integrationskompass geschaffen.
LH Günther Platter zeigt sich mit der Neuregelung der Mindestsicherung für Tirol zufrieden, mahnt aber
auch ein, dass jedes Sozialsystem nur so gut sein könne, wie es finanzierbar sei, denn nur dadurch sei eine
nachhaltige und langfristige Absicherung möglich. „Die Mindestsicherung ist ein Instrument zur Vermeidung
und Bekämpfung von Armut und damit von sozialer Ausschließung. Das Ziel muss sein, dass die Menschen
möglichst auf eigenen Beinen stehen und ihr Leben selbst bestreiten können. Aber das Ziel kann nicht
sein, dass der Weg immer öfter in die Mindestsicherung führt, aber nicht mehr heraus. Genau das Gegenteil
muss der Fall sein. Und dafür haben wir mit der heutigen Fixierung der Eckpunkte des neuen Tiroler Mindestsicherungsgesetzes
Rechnung getragen“, so der Landeshauptmann, der als aktuell Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz einmal mehr
klarstellt: „Die beste Lösung wäre eine bundesweite gewesen. Aber diese erscheint derzeit leider nicht
realisierbar. Deshalb nehmen wir stattdessen im Gleichklang mit Vorarlberg und in Anlehnung an die Salzburger Regelungen
eine Novellierung des Mindestsicherungsgesetzes vor.“
LHStvin Ingrid Felipe betont, dass Tirol auch in turbulenten Zeiten für soziale Sicherheit sorgt. „Wer, aus
welchen Gründen auch immer, in eine Notlage gerät, der erhält die Unterstützung für ein
menschenwürdiges Leben. Dazu hat sich Tirol immer bekannt, dazu bekennen wir uns auch weiterhin. Demnach wird
es in Tirol auch keine generelle und undifferenzierte Deckelung der Mindestsicherung geben. Die Aufnahme von flüchtenden
Menschen in unserem Land hat neue Anforderungen an die Planbarkeit gestellt. Tirol hat bei der Integration dieser
Menschen bisher aber immer den Weg ‚Fördern und Fordern‘ eingeschlagen. Diesen Grundsatz wollen wir mit einem
sozialen Ausrufezeichen auch weiterhin verfolgen.“
Die für die Mindestsicherung in Tirol zuständige Landesrätin Christine Baur ergänzt, dass „mir
als Soziallandesrätin die Sicherstellung besonders wichtig ist, dass die Mindestsicherung als letztes soziales
Netz weiterhin die Teilhabe an der Gesellschaft garantiert und eine Unterstützung darstellt, bis selbständiges
Leben wieder möglich ist.“
Die Novelle zum Tiroler Mindestsicherungsgesetz soll zügig ausgearbeitet und in Begutachtung geschickt werden
und dem Mai-Landtag zur Beschlussfassung zugeführt werden. Inkrafttreten soll das neue Mindestsicherungsgesetz
dann mit 1. Juli 2017.
Einsparungen
Die Tiroler Landesregierung geht als Planungsgrundlage von einem Einsparungsvolumen von insgesamt rund fünf
Millionen Euro aus.
Beispiel für die Mindestsicherung neu:
Zwei alleinstehende Personen in einer Wohngemeinschaft erhielten als Lebensunterhalt bisher insgesamt 1.266 Euro
(2 x 633 Euro). Künftig erhalten sie 946 Euro (2 x 473 Euro).
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