Festveranstaltung 40 Jahre Volksanwaltschaft mit Bundespräsident Van der Bellen im Parlament
Wien (pk) - "Jede Bürgerin und jeder Bürger hat heute mit der Volksanwaltschaft auf dem Weg
zum Recht einen Vermittler zur Seite", würdigte Nationalratspräsidentin Doris Bures am 30.01. zu
Beginn der Festveranstaltung im Nationalratssitzungssaal die Volksanwaltschaft zum 40-jährigen Bestehen, an
der auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilnimmt. Die VolksanwältInnen Günther Kräuter,
Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer haben heute gemeinsam mit Nationalratspräsidentin
Doris Bures ins Parlament eingeladen. Zu Gast ist auch der Ombudsman der Republik Polen, Adam Bodnar, der nach
Nationalratspräsidentin Bures und den VolksanwältInnen seine Festrede vorträgt.
Vor 40 Jahren hat der österreichische Nationalrat "dem kleinen David Staatsbürger gegen den großen
Goliath Verwaltung eine Schleuder in die Hand gegeben" zitierte Bures die Darstellung des damaligen Abgeordneten
und späteren Bundespräsidenten Heinz Fischer aus der beschlussfassenden Sitzung. Im Jahr 1977 entstand
so für BürgerInnen eine leicht zugängliche und kostenlose Anlaufstelle für Situationen, in
denen selbst eine höchstentwickelte Verwaltung mit ihrem sonstigen Rechtsschutz an ihre Grenzen stoße.
Es sei wohl wenig verwunderlich, so Bures, wenn sie als Präsidentin des Nationalrates ganz besonders den wertvollen
Beitrag hervorhebe, den die Volksanwaltschaft zur parlamentarischen Kontrolle und zur Gesetzgebung leistet. Deren
jährliche Tätigkeits- und anlassbezogene Sonderberichte würden das Parlament in die Lage versetzen,
Verwaltungsmissständen mit politischer Kontrolle zu begegnen. Auch bei der Weiterentwicklung der Rechtsmaterie
an sich, bei der Behandlung von Petitionen und Bürgerinitiativen und als parlamentarische Schiedsstelle bei
Untersuchungsausschüssen komme der Volksanwaltschaft eine wichtige Rolle zu.
Bures hob weiters hervor, dass die Volksanwaltschaft und ihr Aufgabenspektrum sich in den vergangenen 40 Jahren
stetig weiterentwickelt haben. Vor 5 Jahren wurde die Institution zum "Menschenrechtshaus der Republik"
ausgebaut, denn seither hat die Volksanwaltschaft - mit ihren sechs Kommissionen und durch den Menschenrechtsbeirat
beraten - das verfassungsrechtliche Mandat, die Einhaltung der Menschenrechte zu schützen und zu fördern.
Maßgeblich dem Engagement der MitarbeiterInnen der Volksanwaltschaft und den drei VolksanwältInnen im
Besonderen sei es zu verdanken, dass sich die Volksanwaltschaft bewährt habe und aus gutem Grund noch heute
bestehe, wandte sich die Nationalratspräsidentin an die anwesenden VertreterInnen der Volksanwaltschaft. In
den Worten von Bruno Kreisky brauche es dazu "unbequeme Persönlichkeiten, volksverbundene Menschen, die
sich täglich über Unrecht ärgern können und nicht abgestumpft sind". Die österreichische
Volksanwaltschaft hatte in den vergangenen 40 Jahren viele solcher Persönlichkeiten, viele von ihnen seien
heute anwesend. Zu den Feierlichkeiten am Ort der Beschlussfassung bedankte sich Bures bei ihnen allen, besonders
bei den drei amtsführenden VolksanwältInnen Kräuter, Brinek und Fichtenbauer und wünschte für
die Zukunft, dass noch viele weitere Jubiläen folgen werden.
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Kräuter: Präventiver Schutz von Menschenrechten gewinnt an Bedeutung
Die Missstände und Mängel hätten sich in den späten 1970igern in Österreich rasch gezeigt,
die Wurzeln einer unabhängigen Bürgervertretung würden jedoch in Schweden liegen, erzählte
der Vorsitzende der Volksanwaltschaft Günther Kräuter über den Beginn der Institution in seiner
Rede. Als Kontrollinstrument mache sich die Volksanwaltschaft bei der Regierung von Natur aus nicht beliebt, für
Kräuter stützt sich die Institution aber auf das Vertrauen der BürgerInnen, die Kompetenzen ihrer
VolksanwältInnen und MitarbeiterInnen sowie auf den Respekt seitens Politik und Verwaltung. "Der Einsatz
der Volksanwälte und Mitarbeiter haben die Institution geprägt", so Kräuter.
Einen Paradigmenwechsel sieht er im Bereich der Menschenrechte, die von individuellen institutionellen Bemühungen
hin zu einem breiten Anliegen der gesamten Bevölkerung wandern würden. Auch das sei eine Mission der
Volksanwaltschaft, so Kräuter. Für ihn wird mit Blick auf politische Entwicklungen etwa in den USA der
präventive Schutz von Menschenrechten zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Brinek: Die Qualität der Volksanwaltschaft liegt in ihrer Unabhängigkeit
Einen Dank richtete Volksanwältin Gertrude Brinek an die BürgerInnen für ihr Vertrauen in die Volksanwaltschaft.
In den letzten 40 Jahren haben sich mehr als eine halbe Million Menschen an die Institution gewandt, 5609 Gespräche
wurden persönlich geführt. "Ich weiß, wie es der österreichischen Seele geht", so
Brinek. Für sie ist die größte und weitreichendste Kompetenzerweiterung der letzten Jahre das verfassungsmäßige
Mandat zum Schutz der Menschenrechte. Mit diesem Auftrag seien nämlich weitere Kooperationen verbunden – mit
Bildungseinrichtungen, der Demokratiewerkstatt des Parlaments, mit der Wissenschaft und der Öffentlichkeit,
um das Bewusstsein vom Menschenrechtsschutz zu verstärken und zu vertiefen.
Die besondere Qualität der österreichischen Volksanwaltschaft liegt für Brinek in ihrer Unabhängigkeit
und der soliden ressourcenmäßigen Ausstattung. Politik und Verwaltung könnten nicht im Facebook-Tempo
und in Speeddating-Methoden arbeiten. Eine der Herausforderungen für die Zukunft sieht Brinek darin, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen.
Fichtenbauer will für Volksanwaltschaft gleiche Prüfkompetenzen wie im Rechnungshof
"Wir tun das Werk von Menschen für Menschen", sagte Volksanwalt Peter Fichtenbauer. Dennoch gibt
es für ihn nach wie vor "weiße Flecken" in der Rechtsstaatlichkeit, die aus seiner Sicht beseitigt
werden müssen. Handlungsbedarf für den Gesetzgeber sieht er etwa in der Polizeiausbildung. Demnach sollte
gesetzlich abgesichert werden, dass die Volksanwaltschaft als Institution samt ihren gesetzlichen Zuständigkeiten
entgegen der geltenden Praxis Teil der Polizeiausbildung wird.
Fichtenbauer appellierte außerdem an das Parlament, die Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft weiter
auszubauen. Geht es nach ihm, soll diese – analog zum Rechnungshof – auf ausgegliederte Gesellschaften, an denen
die öffentliche Hand zu mindestens 50% beteiligt ist, ausgeweitet werden. Die Kontrolllücke sei evident,
bei der Forderung handle es sich um einen "bescheidenen Geburtstagswunsch der Volksanwaltschaft".
Die Augen dürften außerdem nicht vor dem Problem der chronisch kranken Kinder im Schulsystem verschlossen
werden. Auf gesetzlicher Ebene hält er die Einführung von medizinischen Ausbildungsmodulen in den Pädagogischen
Akademien, eine Amtshaftung für LehrerInnen im Fall von Hilfeleistungen für die Kinder sowie das in anderen
Ländern bekannte Systems des "school nursing" für sinnvoll.
Polnischer Ombudsmann Bodnar ruft zum Wiener Kongress der Bürgerrechte auf
"Zum Glück sind wir in Wien, wo der Geist der europäischen Idee greifbar ist", sagte der polnische
Ombudsmann Adam Bodnar in seiner Festrede. Als ein Bürger Europas sei Wien heute der beste Ort, wo man Veränderungsprozesse
in Gang setzen könne. Es brauche einen neuen Wiener Kongress, der nicht die Rolle des Staates im künftigen
Europa bestimmen, sondern die Bürgerrechte aufs Neue definieren soll.
Zuvor hatte Bodnar auf aktuelle Menschenrechtsprobleme aufmerksam gemacht. Für ihn schien es etwa lange unvorstellbar,
dass die Idee des Rechtsstaates und die Rolle der Verfassung angezweifelt werden, oder, dass sich die flüchtlingsfeindliche
Stimmung so rasant ausbreiten könne. Ombudsmänner würden sich inmitten dieses "Wirbels"
befinden, zwischen dem Druck der Regierenden sowie ihren Befürchtungen vor Terroranschlägen einerseits
und den Erwartungen der MitbürgerInnen, staatlichen Eingriffen in das Privatleben entgegenzuwirken, andererseits.
Seine Schlussfolgerung: Die Rolle des Ombudsmanns als Vermittler zwischen Staatsgewalt und den BürgerInnen
gewinne an Bedeutung. Es brauche gemeinsame Lösungen, die Krise sei zu groß, als dass sie ein Land oder
eine Institution alleine meistern könnte. "Wir müssen aktiv sein", so Bodnars Appell.
Bodnar unterstrich auch die "besten Beziehungen" zwischen Polen und Österreich. Symbolcharakter
habe u.a. die Unterstützung Kräuters samt KollegInnen vom International Ombudsman Institute, als im letzten
Jahr die Befürchtung aufkam, dass die Unabhängigkeit des polnischen Ombudsmanns beschnitten werden könnte.
Van der Bellen: Volksanwaltschaft hat unverzichtbare Rolle im Staatswesen
Sowohl für BeschwerdeführerInnen, als auch für den Ausbau des Rechtsstaats habe die Volksanwaltschaft
eine unverzichtbare Rolle im Staatswesen, sagte der seit wenigen Tagen amtierende Bundespräsident Alexander
Van der Bellen in seinen Grußworten. Jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger habe mit
der Volksanwaltschaft auch außerhalb der Gerichte die Möglichkeit, sich zu beschweren und sich im Einzelfall
gegen Behördenwillkür zu wehren. Die Garantie und Förderung der Menschenrechte sei nicht immer selbstverständlich,
daher sei auch die präventive Menschrechtskontrolle eine wichtige Sache. Die Volksanwaltschaft hat sich über
Jahrzehnte bewährt und sei - auch durch die mediale Präsenz - einem Großteil der BürgerInnen
bekannt.
Ein Baustein in der außenpolitischen Bedeutung Österreichs sei auch, dass das Generalsekretariat des
IOI seinen Sitz in der Volksanwaltschaft in Wien hat. Bedauerlich sei es, wenn auf der Welt Ombusmann-Institutionen
in Bedrängnis kommen, so Van der Bellen. Deren Unabhängigkeit sei jedenfalls zu unterstützen. Die
Arbeit der Volksanwaltschaft sei sehr ernst zu nehmen, denn es sind Institutionen, von denen Bürgernähe
durchgesetzt und garantiert werden kann. Dies sei eine wertvolle Errungenschaft über Jahre, unterstrich der
neue Bundespräsident.
Zur Geschichte der Volksanwaltschaft
1977 als Provisorium auf Initiative von Bruno Kreisky eingerichtet, verzeichnet die Volksanwaltschaft mittlerweile
rund 20.000 Beschwerden von BürgerInnen im Jahr.
1981 wurde die Institution dann in der Verfassung verankert und damit auch ihre Aufgabe, Missstände in der
österreichischen Verwaltung aufzuzeigen. Das Generalsekretariat des International Ombudsman Institute (IOI),
der globalen Organisation für die Vernetzung unabhängiger Verwaltungskontrollorgane, hat ihren Sitz seit
2009 in der Volksanwaltschaft.
Mit Juli 2012 wurde die Volksanwaltschaft zum Menschenrechtshaus in Österreich. Seitdem ist sie verfassungsrechtlich
für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zuständig. Beraten und begleitet wird sie vom
Menschenrechtsbeirat, sechs regionale Menschenrechts-Kommissionen leisten außerdem in den Bundesländern
präventive Arbeit zum Schutz der Menschenrechte. Grundlage für ihren Menschenrechts-Auftrag sind UN-Menschenrechtsverträge,
durch die sich die Republik Österreich zu bestimmten menschenrechtlichen Garantien und internationalen Standards
verpflichtet hat. Konkret wurde mit der Kompetenzerweiterung der Volksanwaltschaft das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention
(OPCAT) und den darin geforderten "Nationalen Präventionsmechanismus" (NPM) sowie Regelungen der
UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt.
Der Prüfungsauftrag umfasst alle Einrichtungen, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen besonders stark
Gefahr laufen, Misshandlung, unmenschlicher Behandlung und freiheitsentziehenden Maßnahmen wehrlos ausgesetzt
zu sein.
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