Pop – Film – Österreich
Graz (diagonale) - „Immer diese Popmusik, Popmusik, Popmusik! Wo führt das nur hin?“ Auf diese den
Lyrics der EAV entnommene Frage, sei heuer erwidert: auf jeden Fall zur Diagonale’17 nach Graz. Mit dem historischen
Spezialprogramm 1000 Takte Film sucht die Diagonale’17 nach Einflüssen (österreichischer) Popkultur auf
den österreichischen Film und vice versa – schlaglichtartig, facettenreich, neugierig und unterhaltsam. Gemeinsam,
aber aus unterschiedlichen Blick- und Hörwinkeln, spüren das Österreichische Filmmuseum, das Filmarchiv
Austria, das ORF-Archiv und der Musiker und Journalist Robert Rotifer popkulturellen Phänomenen in Film und
Fernsehen nach.
Verbunden mit Begriffen wie „Austropop 2.0“ durfte sich die österreichische Popkultur, besonders die jüngere
Generation, zuletzt über große Aufmerksamkeit freuen. Pop ist darüber hinaus in den letzten Jahren
hierzulande wieder verstärkt als Austragungsort politischer Auseinandersetzungen in Erscheinung getreten.
Nach der letztjährigen Reihe Österreich: zum Vergessen setzt die Diagonale ihre Befragung österreichischer
Identität und deren Bewegtbilder deshalb heuer am „Schauplatz Pop“ fort. Der Programmschwerpunkt versammelt
Arbeiten, für die Pop mit Subversion, Gegenkultur und Dissidenz einherging, ebenso wie Filme, die von einem
neugierigen, unmittelbaren, gegenwartsfixierten Fortschrittsglauben angetrieben werden. Und schließlich filmische
Positionen, die zu einer Zeit entstanden, in der Pop längst selbstreferenziell geworden war und seine eigenen
Kulturtechniken zu reflektieren begann. Hier ein erster Ausblick:
Ausgehend von jenem Moment, in dem mit der Besetzung der Wiener Arena im Sommer 1976 Pop, Film und politische Haltung
in besonderer Weise näher zusammenrückten, untersucht das von Alejandro Bachmann verantwortete Programm
des Österreichischen Filmmuseums das Ineinander(-Wirken) von Pop und Film: Die Figur des Drifters steht dabei
im Zentrum einer Bewegung, die herausfinden möchte, wie Popkultur in Filmen sichtbar wird, was an Pop grundlegend
filmisch sein könnte und wie Pop und Film sich gegenseitig infizieren – sei es in dokumentarischen Zugängen
oder fiktionalen Formen. Das Programm mit dem Titel This is not America – Austrian Drifters versammelt Arbeiten
von John Cook, Peter Ily Huemer, Barbara Albert, Kurt Kren, Dietmar Brehm, Karin Fisslthaler und vielen mehr.
Das von Paul Poet kuratierte Programm Austro-Pop-Film – Starschnittpositionen zum österreichischen Kino des
Filmarchiv Austria hingegen zeigt Rock- und Popgrößen in tragendenden Filmrollen: So bekleiden neben
Hansi Lang auch Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros Hauptrollen im Programm. Als Bonustrack hat Paul Poet zwei
filmische Zeitkapseln aus dem ORF-Archiv im Gepäck.
Ebenfalls aus dem ORF-Archiv kommt das schonungslose Porträt einer Pop-Ikone: Bei einem energiegeladenen Konzert
im Praterstadion zeigt Hansi Lang – Ich spiele Leben (R: Rudi Dolezal, AT 1984) seinen Protagonisten am Höhepunkt
seiner Karriere, ehe Rudi Dolezal die Zerbrechlichkeit eines Grenzgängers und die Folgen eines Lebens im ständigen
Rampenlicht hervorkehrt: „Für manche wird die offene Art schockierend sein, mit der Hansi Lang die Dinge beim
Namen nennt, aber ich halte das für eine viel größere Leistung, als eine Maske aufzusetzen und
etwas vorzugaukeln", schrieb der Regisseur 1984.
Den Blick aus der Perspektive der österreichischen Musikszene liefert Robert Rotifer. Der in London lebende
Journalist, Radiomoderator, Musiker und Exkurator des Popfest Wien widmet seine zwei Programme dem Techno und Indie-Pop.
So erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Jugendkultur und dem elektronischen Musikgenre in und über
Stefan Ruzowitzkys Spielfilmdebüt Tempo (AT 1996), an dessen Soundtrack Szenegrößen wie Peter Kruder
und Patrick Pulsinger musikalisch mitwirkten. Letzterer wiederum tritt auch in der ORF-Kurzreportage Techno in
Wien (AT 1992) über die damals blühende Szene rund um die legendären Gasometer-Raves auf. Um die
Person des Regisseurs und Musikers Wolfgang Möstl – bekannt mit seinen Bands Mile Me Deaf, Sex Jams u. a.
– kreist der zweite Programm-Sampler: Neben dem Tour-Tagebuch Durchgang (AT 2017) seiner Band Mile Me Deaf sind
darin das DIY-Punk-Ästhetik-Musikvideo You’re Walking Maze (AT 2012) sowie der preisgekrönte Spielfilm
Talea (R: Katharina Mückstein, AT 2014) zu sehen, für dessen Filmmusik der Steirer zusammen mit der Musikerin
und Künstlerin Veronika Eberhart verantwortlich zeichnet.
Nicht zuletzt schlägt sich der diesjährige Schwerpunkt auch in den cineastischen Stadtentdeckungen des
Street Cinema Graz nieder: Auf den Straßen von 8020 Graz werden ehemalige und aktuelle Tummelplätze
Grazer Musik- und Popkultur zur Projektionsfläche für Musikvideos.
Hidden Track: Der Programmtitel der Reihe ist eine Reminiszenz an die Band Chuzpe und ihren legendären Albumtitel
„1000 Takte Tanz“. Ebenfalls mit dieser Band zu tun hat ein Dokumentarfilm, der den historischen Schwerpunkt in
den aktuellen Filmwettbewerb hinein verlängert. Weitere Updates zum Programm folgen.
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