Jungen Menschen wünschen sich sichere Arbeitsplätze und neue Formen der Partizipation
Wien (pk) - Einen aktuellen und umfassenden Überblick über Situation und Perspektiven junger Menschen
in Österreich bietet ein dreiteiliger Bericht des Familienministeriums, der nun dem Nationalrat vorliegt (
III-330 d.B.). Auf insgesamt 436 Seiten werden nicht nur Zahlen, Daten und Fakten aus unterschiedlichen Quellen
und Studien präsentiert, sondern auch die Einschätzungen der Jugendlichen selbst in Form des "Better-Life-Index
Jugend" ausführlich dargestellt. Beide Dokumente wurden vom "Department Migration und Globalisierung
der Donau-Universität in Krems" sowie von der Statistik Austria erstellt und dienen als Grundlage für
den dritten Abschnitt mit dem Titel "Österreichische Jugendstrategie", der die politische Dimension
in den Mittelpunkt rückt.
Massiver Rückgang des Anteils der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung
Der erste Berichtsteil, der unter dem Titel "Wissen um junge Menschen in Österreich" firmiert, ist
eine Aufbereitung aktueller Jugenddaten, wobei neben umfangreichem statistischen Material auch zahlreiche rezente
Jugendstudien berücksichtigt wurden. Mit Stichtag 1.1.2016 gab es 1,607.298 Menschen im Alter von 14 bis 30
Jahren in Österreich, was einem Anteil von 18,5% entspricht. Durchschnittlich bestand ein Jahrgang in dieser
Altersgruppe aus mehr als 100.000 Personen; seit vier Jahren geht diese Zahl aber sehr stark zurück. Die AutorInnen
nehmen an, dass sich dieser Trend in den nächsten 20 Jahren weiter fortsetzen wird.
Die demographische Alterung der Gesellschaft sei seit einiger Zeit feststellbar und liege zum einen an einem Rückgang
der Geburtenzahlen, zum anderen an der Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung. Insgesamt betrug das
Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung im Jahr 1980 noch 37 Jahre; 2014 erreichte es bereits
42,3 Jahre. Vorarlberg gilt dabei mit einem Durchschnittsalter von 40,8 Jahren als das "jüngste"
Bundesland, während die EinwohnerInnen des Burgenlandes (44,5 Jahre) und Kärntens (44,1 Jahre) zu den
durchschnittlich ältesten zählen. Generell könne man von einer Ausdehnung der Jugendphase ausgehen,
die durch eine Verlängerung der schulischen Ausbildung, einem späteren Eintritt in den Arbeitsmarkt und
einem höheren Alter beim Verlassen des elterlichen Haushalts gekennzeichnet sei.
In der Altersgruppe der 14- bis 30-Jährigen sind mit Stichtag 1.1.2016 genau 319.396 Personen ausländischer
Staatsangehörigkeit zu finden (19,9%). Betrachtet man neben der Staatsbürgerschaft als Merkmal den Migrationshintergrund
(MH), der in Bevölkerungsstatistik als "in Österreich lebend und selbst oder beide Elternteile nicht
in Österreich geboren" definiert ist, so zeige sich im Jahresdurchschnitt 2015 ein Gesamtanteil von 21,4%.
Bezogen auf die Altersgruppe 0 bis 14 Jahre beträgt der Wert 24,4%. Die Reihenfolge der Herkunftsländer
wird dabei von Deutschland angeführt, gefolgt von der Türkei, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Rumänien,
Polen und Ungarn.
Längere Bildungszeiten und steigende Jugendarbeitslosigkeit
In den letzten Jahren ist ein anhaltender Trend zu einer Verlängerung der Ausbildung in der Schule zu beobachten,
wobei von diesem Trend besonders berufsbildende Höhere Schulen (BHS) profitieren. Gleichzeitig gibt es einen
Rückgang bei der dualen Ausbildung, also den berufsbildenden Pflichtschulen. Neben der wachsenden Bildungsbeteiligung
und der längeren Verweildauer im formalen Bildungssystem kann man auch einen Rückgang bei den Schulabbrüchen
feststellen. Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit nicht-deutscher Umgangssprache ist jedoch weiterhin besonders
von Abbrüchen betroffen. So sind von den 18- bis 24-Jährigen mit Migrationshintergrund 15,5% als frühe
Schul- und AusbildungsabgängerInnen zu zählen, während ansonsten nicht einmal jeder zwanzigste Jugendliche
(4,6%) in diese Kategorie fällt. Insgesamt haben 3.191 Personen (Stand 2013/14) die Sekundarstufe 1 nicht
abgeschlossen (3,5%); bei Jugendlichen mit nicht-deutscher Umgangssprache liegt der Wert noch um einiges höher
(7,8%). 2016 beschloss der Nationalrat eine allgemeine Ausbildungspflicht bis 18 Jahre, wodurch sich die beruflichen
Chancen der Jugendlichen in den nächsten Jahren verbessern sollen.
Auch die Verteilung der SchülerInnnen mit nicht-deutscher Umgangssprache ist österreichweit sehr unterschiedlich,
die größte Anzahl weise Wien auf, die geringste Kärnten. Der niederösterreichische Bezirk
Zwettl hat mit 0,9% den kleinsten Anteil fremdsprachiger SchülerInnen, während im Wiener Bezirk Brigittenau
mit 64,3% die höchste Dichte an Kindern und Jugendlichen mit nicht-deutscher Umgangssprache in den Schulen
vorzufinden ist.
Eine Verlängerung der Jugendphase sei auch aus der Veränderung der Erwerbstätigenquote bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen deutlich zu erkennen, stellen die AutorInnen des Berichts fest. Waren 1994 noch etwa 44%
der 15- bis 19-Jährigen und 72% der 20- bis 24-Jährigen erwerbstätig, so sind es 2014 nur mehr 35%
respektive 67%.
Seit dem Jahr 2000 steigt die Jugendarbeitslosigkeit überproportional an; im Jahr 2015 lag sie bei den 15-
bis 24-Jährigen schon bei 10,6%. Zwar sei die Quote in Österreich nur etwa halb so hoch wie im Schnitt
der EU-28, räumen die AutorInnen ein, Österreich falle aber zunehmend zurück. So schneide etwa Deutschland
mit einer Jugendarbeitslosenquote von 7,2% deutlich besser ab.
Etwas höheres Armutsrisiko für Jugendliche in Österreich
Die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten in Österreich beträgt laut Statistik Austria rund
1,6 Millionen Menschen; ein Viertel davon betrifft die Altersgruppe der 10- bis 29-Jährigen. Das Gefährdungsrisiko
für Jugendliche liege bei 21,6% und falle damit etwas höher als der auf die gesamte Bevölkerung
errechnete Wert (19,2%) aus. Vorwiegend aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation in Folge der Wirtschaftskrise
ist die Zahl der Jugendlichen in Haushalten mit geringer oder fast keiner Erwerbsintensität deutlich angestiegen,
wobei dieser Anstieg aber dem Schnitt in der Gesamtbevölkerung entspricht. Speziell bei den Jugendlichen hat
sich hingegen die Zahl jener, die von hohen Wohnkosten besonders betroffen sind, deutlich erhöht. In drei
Bereichen gab es hingegen deutliche Fortschritte: eine Verbesserung des Wohnstandards, eine Verringerung des Anteils
von Erwerbstätigen mit niedrigem Stundenlohn sowie eine deutliche Zunahme der Bildungsaktivität.
Neben den statistischen harten Fakten wurden auch Studien und Untersuchungen aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich
sekundäranalytisch behandelt, heißt es im Bericht. Diese belegen, dass Jugendlichen und jungen Erwachsenen
die angespannte Lage in Wirtschaft und Arbeitsmarkt durchaus zu denken gibt. So zeige sich, dass die Mehrheit der
Jungen vor allem einen sicheren Arbeitsplatz haben möchte: 56% der Befragten einer Studie des Instituts für
Jugendkulturforschung aus dem Jahr 2014 stimmen der Aussage "mir ist es vor allem wichtig, einen sicheren
Arbeitsplatz zu haben" voll und ganz zu. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung im Beruf ist demgegenüber
nur für 44% der Befragten besonders wichtig. Der Wunsch, im Beruf Karriere machen zu können, spielt die
geringste Rolle, nichtsdestotrotz ist die Bereitschaft, Überstunden zu machen, vorhanden.
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Freizeitverhalten: Fitness- und Computerszene stehen hoch im Trend
Beim Freizeitverhalten dominieren nach wie vor Sozialkontakte mit Freund/innen, Musik, Mediennutzung sowie Ausgehen
und Sport betreiben. Jugendkulturelle Szenen stellen für drei Viertel aller Jugendlichen einen Raum für
Identitätsarbeit in der Freizeit dar, wobei Fitness- und Computerszene die am meisten angesagten Jugendkulturen
darstellen. Während die Computerszene jung und männlich ist, stellt die Fitnessszene auch für weibliche
Jugendliche eine Option dar. Typisch weibliche Szenen seien "Ökos" sowie "Indie/Alternative",
während Fußball eine klare Männerdomäne darstellt. Für Jugendliche mit Migrationshintergrund
sei neben der Fitnessszene vor allem "Hip-Hop" und "House" von Bedeutung.
Hinsichtlich der Mediennutzung stellen sich digitale Medien als absolute Selbstverständlichkeit für Jugendliche
dar. So besitzen fast 95% der Personen von 14 bis 29 Jahren in Österreich ein Smartphone und haben damit -zumindest
theoretisch – ständig Zugang zu den Angeboten des Internet. Bei der Nutzung stehen aber nicht mehr Informationssuche,
Kommunikation oder Online-Social-Communities im Vordergrund, sondern vielmehr werden von den meisten Personen Musikvideos
online angesehen. Was die sozialen Medien angeht, so werden derzeit WhatsApp (94%), YouTube (87%), Facebook (69%),
Instagramm (55%), Snapchat (52%) und Twitter (25%) am intensivsten genutzt. Die Trendforschung nimmt aber auch
schon eine Sättigung an digitalen Angeboten und eine bewusste Abkehr von diesen wahr. Jugendpolitisch relevant
sei jedenfalls die Frage nach den notwendigen digitalen Kompetenzen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass etwa ein
Drittel der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren schon einmal Fotos oder Videos mit sexuellem Inhalt
auf das Handy zugeschickt bekommen hat, also mit dem Thema Sexting konfrontiert war.
Hohe Skepsis gegenüber institutioneller Politik, aber Interesse an neuen Partizipationsangeboten
Das Interesse Jugendlicher an Politik hat in den letzten Jahren keine grundlegenden Änderungen erfahren, ist
dem Bericht zu entnehmen. Nach wie vor bestehe aber eine hohe Skepsis gegenüber institutioneller Politik,
besonders gegenüber Parteien und PolitikerInnen. Laut den Ergebnissen der letzten "European Social Survey"
zeigten sich 9,1% der 15- bis 30-jährigen ÖsterreicherInnen als sehr interessiert, 22,5% als interessiert,
40,6% als kaum interessiert und 27,9% als gar nicht interessiert. Trotzdem sind die Jugendlichen nicht politisch
inaktiv, sie nutzen aber offenbar andere Partizipationsmöglichkeiten als Wahlen oder Abstimmungen. So sind
Petitionen oder Boykotte, aber auch die Mitarbeit in Organisationen interessante Angebote für junge Menschen.
Better-Life-Index: Schlechtere Werte bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund
Der Better-Life-Index Jugend basiert auf den Daten von EU-SILC 2013, einer umfassenden Haushaltserhebung zu Einkommen
und Lebensbedingungen in Europa, sowie auf den zehn Dimensionen der Lebensqualität, wie sie im Projekt "Wie
geht's Österreich?" verwendet werden. Die Gruppe der Jugendlichen zwischen 16 und 30 Jahren, die 2013
im Rahmen von EU-SILC in Österreich befragt wurde, umfasste 2.132 Personen, wobei ein Großteil von ihnen
auch über die subjektive Lebensqualität Auskünfte gab. Außerdem wurden Jugendliche und ExpertInnen
explizit eingebunden. Neben einer österreichweiten Online-Befragung von 15- bis 30-jährigen Jugendlichen
fanden unterschiedliche Workshops aus den Bereichen Gesundheit, Prävention, Jugendarbeit, Jugendwohlfahrt
und Jugendpolitik statt, mit dem Ziel, spezifisches Fachwissen für die Erstellung des Index zu berücksichtigen
.
Im Durchschnitt beträgt der Wert des Better-Life-Index Jugend (BLI-J) für junge Menschen zwischen 16
und 29 Jahren 78,2 (von 100 möglichen) Punkten. Erwachsene im mittleren Alter (30 bis 59 Jahre) erreichen
nur 75,6 Punkte. Mit Ausnahme der materiellen Lebensbedingungen und der Bildung (die sich als Kategorie aber nicht
als altersfair erwiesen hat) weisen Jugendliche und junge Erwachsenen in fast allen Lebensbereichen höhere
Werte auf. Die deutlichsten Unterschiede zeigen sich dabei bei der Gesundheit und beim subjektiven Wohlbefinden.
Der Index zeigt keinen signifikanten Unterschied zwischen jungen Frauen und jungen Männern. Größere
Unterschiede gibt es jedoch in den Bereichen Gesundheit, Bildung, soziale Beziehungen, Freizeit, Sicherheit und
Qualität der gesellschaftlichen Organisation. Während junge Männer bei den Themen Gesundheit, Freizeit
und vor allem Sicherheit weiter vorne liegen, verfügen Mädchen und junge Frauen über eine bessere
Ausbildung und erlangen höhere Werte in den Bereichen Beziehung und gesellschaftliche Organisation. Auffällig
ist auch, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund in den meisten Bereichen schlechtere Werte aufweisen als
ihre österreichischen AltersgenossInnen. Auch junge Menschen ab 20 ohne weiteren Bildungsabschluss sind in
allen Sektoren stark benachteiligt. Das gleiche gilt für arbeitslose Personen, die in fast allen Dimensionen
niedrigere Werte haben.
Einen umfassenden Überblick über die aktuellen jugendpolitischen Schwerpunktsetzungen (mit einem besonderen
Fokus auf das Jugendressort) bietet schließlich Teil C des Berichts. Nach einer allgemeinen Darstellung der
Jugendstrategie werden anhand dreier Rahmenziele die konkreten Vorhaben sowie deren Umsetzungsstand angeführt.
Im besonderen geht es dabei um die zahlreichen Aktivitäten der jugendpolitischen Stakeholder: Ministerien,
Bundesjugendvertretung, Bundesnetzwerke der offenen Jugendarbeit, Jugendinformation und Landesjugendreferate.
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