Neuer FWF-Spezialforschungsbereich für experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität
Innsbruck
Wien/Innsbruck (universität) - Der Wissenschaftsfonds FWF hat die Einrichtung eines neuen Spezialforschungsbereichs
zur Erforschung des wirtschaftlichen Verhaltens von Menschen genehmigt. In den nächsten vier Jahren stehen
rund 3,5 Millionen Euro zusätzlich für die experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität
Innsbruck zur Verfügung.
Die Wirtschaftsfakultäten der Universität Innsbruck sorgen mit ihrer Forschung seit Jahren immer wieder
für internationale Aufmerksamkeit. Das zeigen auch die Platzierungen im vielbeachteten Handelsblatt-Ranking,
wo immer wieder Vertreter aus Innsbruck auf den vordersten Plätzen gereiht werden. Diese Forschung wird nun
durch die Einrichtung eines FWF-Spezialforschungsbereichs weiter gestärkt. Die Forschungsgruppen um Michael
Kirchler und Jürgen Huber am Institut für Banken und Finanzen, von Loukas Balafoutas und Matthias Sutter
am Institut für Finanzwissenschaften sowie von Rudolf Kerschbamer und Markus Walzl am Institut für Wirtschaftstheorie,
Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte werden sich gemeinsam mit Vertrauensgütern, Anreizen im Finanzsystem
und dem wirtschaftlichen Verhalten des Menschen befassen.
„Wir wollen zum Beispiel untersuchen, wie unterschiedliche Anreiz- und Entlohnungssysteme Betrug, Risikoverhalten
und Markteffizienz beeinflussen und wie persönliche Eigenschaften, soziale Normen und Statusdenken menschliches
Verhalten und die Marktergebnisse steuern“, erklärt der Sprecher des neuen Spezialforschungsbereichs, Michael
Kirchler. Zur Untersuchung dieser Fragen kombinieren die Innsbrucker Wirtschaftswissenschaftler theoretische Modellierungen
mit Laborexperimenten und Feldstudien. „Die experimentelle Wirtschaftsforschung der Universität Innsbruck
genießt international bereits einen hervorragenden Ruf. Der Spezialforschungsbereich wird den Bereich weiter
stärken und zu unserer Reputation als eine der führenden Forschungsuniversitäten in Österreich
beitragen“, freut sich Rektor Tilmann Märk. Das rund 25 Köpfe umfassende Expertenteam wird durch die
FWF-Förderung um 12 Personen erweitert und damit zu einer der weltweit größten und führenden
Forschungsgruppen auf diesem Gebiet anwachsen.
Was sind Vertrauensgüter?
Von Vertrauensgütern sprechen Ökonomen in Märkten, in denen Kunden schlechter über ihre
eigenen Bedürfnisse Bescheid wissen als die Anbieter der Produkte. Beispiele sind Gesundheit, Reparaturen
oder Finanzdienstleistungen. „Für einen Kunden ist es oft schwierig einzuschätzen, ob eine bestimmte
Reparatur wirklich nötig ist, welche medizinische Behandlungen am besten geeignet sind oder ob Risiken von
Anlageprodukten richtig dargestellt werden“, sagt Michael Kirchler. Sie müssen deshalb darauf vertrauen, dass
die Anbieter ihren Informationsvorteil nicht ausnutzen. „Ein Problem dabei ist, dass die Informationsasymmetrien
auf Märkten für Vertrauensgütern zu Betrug, Ineffizienzen und zu mangelhaften Leistungen für
Kunden führen können, wie beispielsweise die letzte Finanzkrise gezeigt hat“, erklärt Kirchler.
Die Innsbrucker Wirtschaftsforscher werden zum Beispiel Laborexperimente mit international tätigen Bankern
und Finanzexperten machen, um zu untersuchen wie sich ihr Risikoverhalten verändert, wenn exzessives Nehmen
von Risiken tatsächlich negative Auswirkungen für Dritte hat. Sie werden auch Feldexperimente mit Taxifahrern
durchführen, um zu untersuchen welche Persönlichkeitseigenschaften und ökonomischen Präferenzen
Unehrlichkeit und unmoralisches Verhalten erklären. In einem dritten Beispiel wollen sie umfassende Laborexperimente
mit tausenden Probanden durchführen, in denen die theoretischen Vorhersagen, wie Reputation, Wettbewerb und
verschiedene institutionelle Designs das Verhalten von Verkäufern und die Effizienz von Märkten beeinflussen,
unter kontrollierten Bedingungen getestet werden.
Politik, Unternehmen und Studierende profitieren
Mit ihren Untersuchungen geben die Innsbrucker Forscher grundlegende Einblicke in das Funktionieren von alltäglichen
Vertrauensgütermärkten und zeigen auf, wie individuelles Verhalten, Anreizstrukturen und der institutionelle
Rahmen auf diesen Märkten zusammenspielen. Die Ergebnisse liefern aber auch ganz konkrete Einsichten für
Politik und Regulierungsbehörden, wie Vertrauensgütermärkte besser organisiert werden können.
Eine ganz neue Perspektive erwarten sich die Forscher auch auf Märkte für Finanzberatung und Fondsmanagement,
die seit der Finanzkrise unter starker Kritik stehen. Von der Forschungskompetenz der am Spezialforschungsbereich
beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler profitieren auch die Studierenden der Universität Innsbruck,
denn die theoretische und experimentelle Verhaltensforschung fließt wesentlich in die Ausbildung der Wirtschaftsstudierenden
an der Universität Innsbruck ein. „Die Absolventinnen und Absolventen unserer Masterstudien erfahren die neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrem Gebiet, sind kritisch geschult und somit in Unternehmen sehr begehrt“,
betont Michael Kirchler abschließend.
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