Agilität: Erfolgsfaktor und Herausforderung – neben Digitalisierung wichtigster Trend
in Handel und Industrie – industrieübergreifende Tagung an der TU Graz
Graz (bettertogether) - Neun von zehn Unternehmen verspüren extrem volatile Märkte und unvorhersehbare
Entwicklungen als Risiko für den wirtschaftlichen Erfolg. Neun von zehn Managern sehen daher die Agilität
ihres Unternehmens als kritischen Faktor für Erfolg. Acht von zehn Unternehmen wollen agiler werden. Das hat
das Institut für Innovation und Industrie Management an der Technischen Universität Graz im Zuge seiner
Forschungsarbeiten zum Thema Agilität festgestellt.
Das Institut unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Ramsauer veranstaltete am 03.02. unter dem Motto „Erfolgsfaktor
Agilität“ eine industrieübergreifenden Tagung. Rund 150 Topmanager und Geschäftsführer folgten
den Ausführungen des hochkarätigen Panels. Speaker wie Karl-Friedrich Stracke, President Fahrzeugtechnik
& Engineering bei Magna Steyr, und Christoph Lütke Schelhowe, Vice President Customer Experience bei Zalando,
berichteten in der Aula der TU Graz darüber, wie sie damit umgehen, dass in der globalisierten Wirtschaft
des Jahres 2017 nichts mehr planbar und alles möglich scheint. Das Fazit: Neben der Digitalisierung ist die
Agilität von Unternehmen, also das Vorbereiten auf Unvorhersehbares, die wahrscheinlich wichtigste Herausforderung
der Dekade.
Prof. Christian Ramsauer: „Agile Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich proaktiv auf Unsicherheiten
vorbereiten und etwa Szenarien durchspielen und potentielle Handlungsmöglichkeiten erarbeiten. Dadurch können
sie sehr schnell auf Veränderungen reagieren und mit allen Elementen der Wertschöpfungskette ihre wirtschaftliche
Situation verbessern.“
Ebenfalls präsentiert wurde das Buch „Erfolgsfaktor Agilität“, herausgegeben von Prof. Ramsauer, Detlef
Kayser (Lufthansa) und Christoph Schmitz (McKinsey). Im Zuge der Forschungen haben die Autoren festgestellt, dass
acht von zehn Vorständen und Geschäftsführern angeben, die Agilität ihrer Unternehmen mittelfristig
steigern sowie die Anpassungsfähigkeit ihrer Unternehmen an schnell wechselnde Kundenforderungen erhöhen
zu wollen.
Zudem besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Agilität von Unternehmen und deren Profitabilität
sowie Break-Even-Level: Die Analysen der Autoren zeigen, dass agile Unternehmen mit einem Break-Even-Level (BE)
von weniger als 60 Prozent des Umsatzes auf knapp 12 Prozent Umsatzrentabilität kommen. In Sachen Agilität
durchschnittlich aufgestellte Unternehmen mit einem BE zwischen 60-80 Prozent erreichen lediglich 7,4 Prozent Umsatzrentabilität,
unterdurchschnittlich agile Unternehmen hingegen mit einem BE größer als 80 Prozent überhaupt nur
2,5 Prozent Umsatzrentabilität schaffen. Agile Unternehmen, die ihre Ressourcen schneller als andere anpassen
und verteilen können, erzielen schließlich im Schnitt einen um 2,4 Prozent höheren Shareholder
Return als nicht agile Unternehmen.
Autoindustrie im Umbruch, Agilität überlebenswichtig
Eine besonders betroffene Branche ist die Autoindustrie, die derzeit vor einem der größten Umbrüche
seit Jahrzehnten steht. Die Digitalisierung treibt Themen wie Elektromobilität und Autonomes Fahren voran.
Noch nie war die Variantenvielfalt in der Autoindustrie so groß wie heute. Gleichzeitig steigt der Kostendruck,
vor allem seit Zulieferer aus Schwellenländern technologisch aufgeholt haben. Immer wieder schütteln
Wirtschaftskrisen die globalen Märkte durch. Neue Player aus der Elektronikindustrie drängen auf das
Spielfeld. Also werden Investitionsentscheidungen bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinausgezögert. Dazu
kommen die so genannten Black-Swan-Ereignisse, wie sie der amerikanische Ökonom Nicholas Taleb nennt: Ereignisse,
von denen man allgemein geglaubt hat, sie wären gar nicht möglich. Tsunamis oder Erdbeben, die Spezialisten,
die alle Hersteller global beliefern, einfach lahmlegen. Oder geopolitische Verwerfungen, Kriege, Krisen, Handelskonflikte,
Drohungen.
„All diese Effekte sind seit Jahren zu beobachten. Nur schlagen sie heute gemeinsam durch und überlagern sich“,
so Prof. Ramsauer bei der Tagung in Graz. „Agilität ist ein ganzheitliches Konzept, um an dieser geballten
Masse an Unsicherheit die für das Unternehmen relevanten Themen zu identifizieren und denen dann auch zu begegnen.
Das ist bereits heute für immer mehr Unternehmen überlebenswichtig.“
Fallbeispiel Magna Steyr
Der Automobilzulieferer Magna Steyr in Graz muss als weltweit führender markenunabhängiger Engineering-
und Fertigungspartner für Automobilhersteller in einem volatilen Umfeld bestehen. Wenn bestehende Aufträge
auslaufen, und sich gleichzeitig neue geplante Projekte verzögern ist das eine große Herausforderung.
Ebenso, wenn in kurzer Zeit viele neue Aufträge hereinkommen: Nachdem das Unternehmen kürzlich mehrere
Fahrzeugprojekte gewonnen hat, muss es in kurzer Zeit die Produktionskapazitäten aufbauen und über 3.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden.
„Die Märkte sind volatiler und unsicherer als bisher und darauf müssen wir reagieren. Agilität hilft
uns, mit Unsicherheit proaktiv umzugehen, uns auf mögliche Herausforderungen vorzubereiten und im Fall des
Falles deutlich rascher zu reagieren. Ein Beispiel sind Agreements mit der Belegschaft, die wir für einzelne
Szenarien bereits getroffen haben. Dabei wird vorab ohne Zeitdruck vereinbart, wie wir auf gewisse Situationen
reagieren können. Davon profitiert sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Agilität
bringt also einen Benefit für alle Beteiligten“, erklärt Karl-Friedrich Stracke, President Fahrzeugtechnik
& Engineering bei Magna Steyr.
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