Erste umfassende Werkschau des deutschen Malers in Wien, von 3. Februar bis 5. Juni 2017
Wien (21erhaus) - Die Frage, wie Malerei heute auf politische, soziale und mediale Realitäten reagieren
kann, bildet den Ausgangspunkt für das künstlerische Schaffen Daniel Richters. Er hinterfragt die Möglichkeiten
der Malerei genauso radikal wie das gegenwärtige Weltgeschehen. Richter zählt international zu den prägenden
Malern seiner Generation und ist für Wien nicht zuletzt aufgrund seiner Professur an der Akademie der bildenden
Künste von großer Bedeutung. Unter dem Titel Lonely Old Slogans zeigt das 21er Haus erstmals eine umfassende
Werkschau des deutschen Malers in Wien.
Die Überblicksschau folgt mit 52 Arbeiten Richters Entwicklung von den frühen farbintensiv-abstrakten
Gemälden bis heute. Nach den großformatigen figurativen Szenerien der 00er-Jahre mit ihren (kunst-)historischen,
politischen und popkulturellen Bezügen widmen sich seine neuen Arbeiten wieder abstrakter einer explizit menschlichen
Körperlichkeit und politischen Grenzziehung.
Daniel Richters Œuvre teilt sich grob in drei Schaffensperioden. Als der Künstler in den frühen 1990er-Jahren
zu malen begann, wurde die Malerei in Europa als künstlerisches Medium der Vergangenheit erlebt, dem man weitgehend
mit den Mitteln der Ironie, Distanz sowie Zerlegung begegnete. Richter war sich dieser Malereikontroversen und
Diskurse sehr wohl bewusst, doch anstatt eine defensive Haltung dazu einzunehmen, näherte er sich dem Genre
ganz direkt mit einer Fülle von expressiven Formen, Farben und malerischen Methoden.
Den Mitte der 1990er-Jahre entstandenen dichten, abstrakt-ornamentalen Gemälden setzte er um die Jahrtausendwende
großformatige, figurative und narrative Bilder einer gesellschaftspolitischen Wirklichkeit entgegen. Sie
sind bühnenhaft aufgebaut und erzählen Geschichten über die Widersprüchlichkeiten unserer Zeit.
Diese Arbeiten machten Richter in der jüngeren Generation deutscher Maler zu einer berühmten und gefeierten
Figur. Die Werke dieser zweiten Schaffensphase formieren den Kern der Ausstellung.
Ein charakteristisches Stilmittel des Malers ist das Mischen unterschiedlicher stilistischer und kompositorischer
Elemente zu einem höchst ambivalenten, nicht eindeutig interpretierbaren Szenario.
Mit seinen jüngsten Arbeiten kehrt Richter teilweise zurück zur Abstraktion. Mit einem Startpunkt in
pornografischen Bildern hat der Künstler eine neue Bildsprache entwickelt und reizt in sehr reduzierter, fast
choreografischer Form die Möglichkeiten der Malerei aus. Seine Kunstwerke sind wandlungsfähig, gesellschafts-
sowie körperpolitisch und erinnern an den amerikanischen abstrakten Expressionismus.
Daniel Richter ist ein politisch motivierter Maler, nicht nur aufgrund seiner Herkunft aus der linksautonomen Hamburger
Punk-Szene oder der Wahl seiner Themen, sondern vor allem aufgrund der Aufmerksamkeit und des kritischen Blicks,
die er seinem Publikum abverlangt. Die Bildtitel – die Lonely Old Slogans – machen es dem Betrachter einfacher
und schwerer zugleich. Manchmal scheinen sie das Geschehen präzise zu beschreiben, dann positionieren sie
sich wieder dadaartig am Rande des Verständlichen. So sprengen Richters Bilder ihren natürlichen Bedeutungsrahmen
und verweisen nach außen. Sie wollen keine konkreten historischen Ereignisse festhalten, sondern versuchen
vielmehr einen bestimmten Geist der Gegenwart einzufangen, der vom Verschwinden der großen politischen Utopien
gekennzeichnet ist.
„Das 21er Haus kann dank der guten Zusammenarbeit mit dem Lousiana Museum of Modern Art und dem Camden Arts Centre
erstmals eine umfassende Retrospektive Daniel Richters in Österreich zeigen. Der in Wien lehrende Maler reflektiert
und visualisiert seit über zwanzig Jahren gesellschaftsrelevante und kunsthistorische Fragestellungen. Seine
neuesten Arbeiten machen einen Wandel und eine bemerkenswerte Weiterentwicklung im Œuvre des Künstlers sichtbar“,
erklärt Stella Rollig, Generaldirektorin Belvedere und 21er Haus.
Kurator Axel Köhne ergänzt: „Richters Malerei reagiert und befragt nicht nur unsere sich ständig
verändernde Wirklichkeit, sondern auch die Kunstgeschichte selbst. So zeigen gerade seine neuen topografisch-abstrakten
Arbeiten eine Radikalität, für die sich kaum historische Referenzen finden lassen. Das permanente Ausloten
von Grenzen und Möglichkeiten auf der Leinwand macht Richters Arbeit so autonom und einzigartig.“
Die Ausstellung wurde organisiert vom Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk in Zusammenarbeit mit dem
21er Haus, Wien und dem Camden Arts Centre, London.
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