ORF: Oppositionskritik von Gebührenstruktur bis zu politischer Einflussnahme
Wien (pk) - Die Koalition stellte sich am 01.02. im Nationalrat im Zuge einer in vielen Punkten kontroversen
Diskussion klar hinter den ORF. Dieser habe eine wesentliche Funktion für die Demokratie und den Rechtsstaat,
es gebe ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Verschiedenste, teils heftig vorgetragene
Kritikpunkte am ORF kamen von der Opposition – so äußerten die Abgeordneten unter anderem Bedenken zur
Objektivität und zu den "Zwangsgebühren" und bemängelten fehlende Transparenz und politische
Einflussnahme.
Zwei Entschließungsanträge, einerseits von den Grünen zur Selbstvertretung behinderter Menschen
im Publikumsrat und andererseits von den NEOS, mit dem Ziel, durch die GIS keine Länderabgaben einzuheben,
fanden im Plenum keine Mehrheit. NEOS-Mandatar Matthias Strolz erhielt im Zuge seiner Wortmeldung gegen die ÖVP
einen Ordnungsruf für den Vorwurf einer strafbaren Handlung.
ORF-Jahresbericht 2015 schließt an positive Bilanzen der Vorjahre an
Die Diskussionsvorlage lieferte der ORF-Jahresbericht 2015, der dem ORF attestiert, eines der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen
Medienunternehmen Europas zu sein. Er habe strukturelle Herausforderungen frühzeitig gemeistert, sei stabil
in schwarzen Zahlen und produziere heute mehr Programm denn je. Zudem sei es 2015 gelungen, die öffentlich-rechtliche
Position weiter zu stärken. Damit schließe der Sender nahtlos an die positiven Bilanzen der vergangenen
Jahre an, trotz herausfordernder Rahmenbedingungen und der Durchführung des "Eurovision Song Contest".
Laut Bericht wurden auch wieder alle Programmvorgaben wie der öffentlich-rechtliche Kernauftrag erfüllt.
Der TV-Marktanteil blieb insgesamt stabil, auch die ORF-Radiosender konnten sich weiter behaupten. Für die
Zukunft sieht sich der Sender gut gerüstet, man sei auf dem Weg "vom Public Service Broadcaster zum multimedialen
Public Service Network". Der Bericht wurde vom Plenum mehrheitlich angenommen.
Gebühren sichern Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste einen wesentlichen Beitrag für Demokratie und Rechtsstaat,
betonte SPÖ-Mediensprecher Josef Cap. Der ORF sei herzeigbar und besitze eine Reichweite von täglich
rund 5,8 Millionen ZuseherInnen. Daher müsse darum gekämpft werden, Werbegelder in Österreich zu
halten, meinte Cap im Hinblick auf andere deutschsprachige Sender. Auch Fraktionskollege Peter Wittmann hielt ein
Plädoyer zugunsten des ORF. Der öffentlich-rechtliche Auftrag könne ausschließlich durch die
Einhebung von Gebühren gesichert werden. Eine Abschaffung derselben würde zu einem Verlust dieses Auftrags
führen, befürchtete Wittmann. Öffentliche Sender wirken "Fake News" entgegen indem sie
versuchen, Objektivität in Aussendungen herzustellen. Daher sei der ORF einer Abschaffungsdiskussion nicht
würdig.
In dieselbe Kerbe schlug auch die ÖVP. Werner Amon betonte, ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk und damit
der Zugang zu Informationen sei nur durch Gebühren möglich. Daher verschließe er sich auch nicht
einer Gebührenerhöhung, wenn damit eine Reform des ORF einhergehe. Ein Anliegen war Amon beispielsweise
die Novellierung der Bestimmungen über die Festlegung der Gebührenhöhe durch den ORF-Stiftungsrat.
Auch Wolfgang Gerstl (V) betonte, der ORF sei zu 60% gebührenfinanziert. Der öffentliche Auftrag, beispielsweise
ein breites Informationsangebot zu schaffen, österreichische Identität zu vermitteln und Kunst und Kultur
zu fördern, könne nicht zur Gänze durch private Sender abgedeckt werden. Zu einer inhaltlichen Diskussion
über Reformen war neben Gerstl auch Fraktionskollege Michael Hammer bereit. Hammer lobte insbesondere den
Kanal ORF III sowie die TVthek, hinterfragte jedoch die Qualität der Programmabfolge auf ORF1. Der ORF müsse
professionalisiert werden, unterstrich Hammer. Ziele sollten ein Flächenprogramm mit starkem Österreich-Bezug
sowie eine Digitalisierungsstrategie sein, bekannte sich Rouven Ertlschweiger (V) zu mehr Qualität. Zudem
seien Strukturreformen notwendig und auch die Kosten für Sportübertragungen müssten überdacht
werden, stellte Ertlschweiger unisono mit Bernd Schönegger (V) fest. Die öffentlich-rechtliche Position
müsse ausgebaut und reformiert werden, so Schönegger, der ebenfalls für qualitative Verbesserungen
warb.
FPÖ gegen Zwangsgebühr
Jeder sollte selbst bestimmen können, welche Sender bzw. Medien er konsumiert, wandte sich Wendelin Mölzer
(F) gegen die "ORF-Zwangsgebühr" GIS. Daher müsse ein Mittelweg gefunden werden. Die Objektivität
der ORF-Berichterstattung ist, Mölzer zufolge, zu hinterfragen. Insbesondere bei der Wahlberichterstattung
zum US-Wahlkampf warf er dem ORF Meinungsjournalismus vor. ServusTV hingegen habe bei Umfragen bessere Werte bei
der Unabhängigkeit als der ORF, der als Sprachrohr der Regierungsparteien agiere, so Mölzer. Auch Fraktionskollegin
Petra Steger lobte die Erfolge von ServusTV und deren objektive Berichterstattung. Quersubventionierungen aus dem
Budget des Sportministeriums für die Übertragung von Sportveranstaltungen können nicht toleriert
werden, sagte Steger. Nur durch Zwangsgebühren würde es dem ORF ermöglicht, "schwarze Zahlen"
zu schreiben, mokierte sich Günther Kumpitsch (F) und forderte die Offenlegung der Gehälter der ORF-Direktoren.
Insbesondere im Vergleich zu ServusTV stellte auch Kumpitsch die Überparteilichkeit des ORF in Frage.
NEOS: ORF soll nicht Inkassobüro für Länder sein
Während Nikolaus Alm von den NEOS neben mehreren Kritikpunkten sein grundsätzliches Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen
Rundfunk, wie er sagte, erneuerte, empörte sich sein Fraktionskollege Matthias Strolz vor allem über
die Parteipolitik im ORF. Er erkenne dort ein Muster, dagegen müsse man Widerstand leisten. Es sei außerdem
unverschämt, dass die ÖVP dort Posten für sich wolle und die Bevölkerung dafür bezahlen
lasse. Für die gegen die ÖVP gerichtete Wortwahl der "strukturellen Korruption" in diesem Zusammenhang
wurde ihm ein Ordnungsruf erteilt.
An manchen Ecken leiste der ORF zwar gute Arbeit, und natürlich soll Medienpolitik Pluralismus gewährleisten.
Aber die Herausforderungen in Zeiten der neuen Medien ändern sich, es gelte, diese zu meistern. Die NEOS würden
dabei auch unterstützen, so Nikolaus Alm. Man wolle den ORF nicht zerschlagen, sondern modernisieren. Wichtig
sei aber auch, das Gehaltsschema offenzulegen und außerdem nicht für die Länder das Inkassobüro
zu sein. Es erschließe sich nicht, warum im Rahmen der GIS Länderabgaben eingehoben werden, kritisierte
Alm. Sein dazu eingebrachter Entschließungsantrag, diese Landesabgaben nicht mehr über die GIS einzuheben,
fand im Plenum keine Mehrheit.
Team Stronach fordert mehr politische Ausgewogenheit vom ORF
Lob erhielt der ORF von Christoph Hagen (T) für ORF III und dessen Übertragung des Nationalrats.
Grundsätzlich kam auch von ihm ein Ja zum öffentlich-rechtlichen Format und zum Bildungsauftrag. Regierungsparteien
dürfen allerdings keinen Einfluss auf den ORF haben, hier vermisse er mehr Objektivität. Er mahnte ein,
die kleinen Parteien nicht mit zu wenig Sendezeit zu vernachlässigen und kritisierte die Berichterstattung
nach Fraktionsstärke. Auch für Robert Lugar (T) gibt es betreffend den ORF "viel Licht und viel
Schatten". Politische Meinungen müssten dort jedenfalls abgebildet und nicht erzeugt werden, so Lugar.
Wenn es schon einen öffentlich-rechtlichen Sender gibt, sei darauf zu achten, dass auch die Gegenseite zu
Wort kommt. Beispiele sind eine seiner Meinung nach einseitige Darstellung des Syrienkonflikts. Auch in der Flüchtlingskrise
habe der ORF ganz bewusst Parteipolitik betrieben, so Lugar.
Grundsätzlich froh, dass es den ORF gibt, ist Rupert Doppler (o.F.). Auf amerikanische Produktionen könne
er allerdings verzichten. Er stellte auch in Frage, ob die wirtschaftliche Entwicklung wirklich so gut war wie
im Bericht dargestellt, wenn nun trotzdem die Gebühren erhöht werden mussten.
Grüne fordern Selbstvertretung für behinderte Menschen im Publikumsrat
Ein weiterer Entschließungsantrag von Grün-Abgeordneter Helene Jarmer fand im Plenum ebenfalls keine
Mehrheit. Es ging ihr dabei im Sinne der Selbstvertretung behinderter Menschen um die Entsendung einer behinderten
Person in den ORF-Publikumsrat. Es sei nicht in Ordnung, dass die Vertretung immer nicht-behinderte Menschen übernehmen,
da sei noch zu stark ein Fürsorgemodell in den Köpfen verankert.
Fraktionskollege Dieter Brosz, der wiederholt Kritik an der Position der NEOS übte, befand eine Infragestellung
der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags demokratiepolitisch für völlig unverantwortlich.
Es sei allerdings noch Luft nach oben, was objektive Berichterstattung betrifft, räumte Brosz ein, auch eine
andauernde Negativberichterstattung sei ein politisches Thema. Insgesamt brauche es jedenfalls einen starken ORF.
Auch wenn es Kritikpunkte gibt, sei in Zeiten von "Fake News" und "Lügenpresse" das Objektivitätsgebot
samt Kontrollmechanismus sehr wichtig.
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