Aussenminister Sebastian Kurz legt außenpolitische Jahresvorschau der Union vor
Brüssel/Wien (pk) - Die Europäische Union will ihren Fokus verstärkt auf die Nachbarschaftspolitik
richten und damit auf die im Zuge der Flüchtlingsbewegung zunehmende Interdependenz zwischen der Union und
ihren Nachbarstaaten reagieren. Das von Sebastian Kurz vorgelegte aktuelle außenpolitische Jahresprogramm
der Union (III-352 d.B.) unterstreicht überdies auch den Zusammenhang von Entwicklungszusammenarbeit und Migration,
wobei Österreich vor allem die Frage der Kooperation der Partnerstaaten bei der Rückführung abgelehnter
AsylwerberInnen anspricht. Zum Thema EU-Erweiterung stellt das umfangreiche Papier einmal mehr klar, dass die westlichen
Balkanstaaten auch 2017 eine außen- und europapolitische Priorität Österreichs bleiben.
Differenzierung und gemeinsame Verantwortung im Umgang mit den Partnerländern
Der Bericht enthält zunächst ein Bekenntnis zu einer Nachbarschaftspolitik, die auf stärkerer Differenzierung
und mehr gemeinsamer Verantwortung aufbaut. Damit soll einerseits der Erkenntnis, dass nicht alle Partner EU-Regeln
und Standards übernehmen wollen, und andererseits den Wünschen der einzelnen Länder hinsichtlich
Art und Ausrichtung der Partnerschaften mit der Union Rechnung getragen werden, heißt es programmatisch.
In diesem Sinn will die EU die Bemühungen um Förderung guter Regierungsführung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Menschenrechte sowie den Kampf gegen Korruption fortsetzen. Zudem zielt die EU-Nachbarschaftspolitik auch auf
eine stärkere Einbindung der Nachbarn der Nachbarn ab.
Europäische Perspektive als Motor für Reformen auf dem Westbalkan
Die Erweiterung bleibt auf der Agenda der Union. Die Erfahrung zeige, dass die europäische Perspektive nach
wie vor der wichtigste Motor für die Stabilisierung und Entwicklung der Länder des westlichen Balkans
ist, betont der Bericht. Gerade für Österreich sei die Region aufgrund der geographischen Nähe,
der aktuellen Herausforderungen durch die Migration, der engen wirtschaftlichen Verflechtung und historischen Verbundenheit
von besonderer Bedeutung. Die Union setzt dabei auf Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen als Wegbereiter
für Reformen und kündigt ferner für 2017 eine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit Montenegro
und Serbien im Sinne einer Öffnung weiterer Verhandlungskapitel an.
Türkei: Österreich will maßgeschneiderte Partnerschaft statt Vollbeitritt
Die Türkei wird im Bericht einmal mehr als "Sonderfall" bezeichnet. Österreich setzt sich weiterhin
für eine maßgeschneiderte Partnerschaft der EU mit Ankara anstelle eines Vollbeitritts ein. Unter Hinweis
auf die dramatischen Entwicklungen im Gefolge des Putschversuchs erinnert das Papier an die Forderung Wiens nach
einem aktiven Einfrieren der Beitrittsverhandlungen, über die auf EU-Ebene allerdings kein Konsens erzielt
werden konnte. Seitens der Union wurde dazu in einer Vorsitzerklärung allerdings ausdrücklich betont,
dass unter den derzeit herrschenden Umständen nicht in Betracht gezogen werden könne, neue Verhandlungskapitel
zu eröffnen.
Russland-Sanktionen: Kurz für schrittweise Lockerung bei sichtbaren Fortschritten
Was den Konflikt in der Ostukraine betrifft, bezeichnet der Bericht die Umsetzung des Minsker Abkommens weiterhin
als vorrangiges Ziel. Die Union werde sich auch 2017 für eine nachhaltige Lösung der Krise einsetzen,
die auf der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine
beruhen muss, heißt es dazu. Die Sanktionen gegen Russland sollen im Sommer 2017 neuerlich überprüft
werden. Österreich plädiert in diesem Zusammenhang für ein System des Ansporns anstelle eines Systems
der Bestrafung. Für jeden sichtbaren Fortschritt bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sollte demnach
eine schrittweise Lockerung der Sanktionen erfolgen.
Migration: Österreich pocht auf Rückführungsabkommen mit den nordafrikanischen Staaten
Die Entwicklungszusammenarbeit wiederum will Österreich mit einer klaren Erwartungshaltung gegenüber
den Partnerländern verbinden, wobei der Bericht von Sebastian Kurz vor allem auch den Konnex mit der Migrationspolitik
anspricht. Wenn ein Drittstaat bei der Rückführung abgelehnter AsylwerberInnen keine Kooperation zeigt,
sollte er mit Abstrichen bei den EZA-Mitteln aus der EU zu rechnen haben, unterstreicht der Bericht die Haltung
des Außenministeriums. Österreich unterstützt ausdrücklich den Plan der Union, die gezielte
Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten im Bereich Migration 2017 weiter auszubauen und dabei Maßnahmen
im Kampf gegen Schlepper und zum Aufbau von Schutzkapazitäten in Nordafrika zu setzen. Große Bedeutung
misst Wien in diesem Zusammenhang dem Abschluss formeller Rückführungsabkommen mit den betroffenen Staaten
zu.
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