Forscher entwickeln mit Spieltheorie These zur Entwicklung der Zusammenarbeit
Wien (universität) - Moralsysteme sind der Schlüssel zur Unterscheidung zwischen "gut"
und "böse" und damit für die Festlegung sozialer Ordnungen elementar. Ein internationales Forschungsteam
um den Mathematiker Tatsuya Sasaki von der Universität Wien hat nun eine neue optimale Theorie zur Entwicklung
von Zusammenarbeit im Sinne der evolutionären Spieltheorie vorgelegt. Die Wissenschafter haben herausgefunden,
dass die moralische Nicht-Bewertung ein effektiver Grundstein beim Aufbau einer Kooperation ist. Die Ergebnisse
wurden kürzlich im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht.
Eine Faustregel für die Festlegung sozialer Normen besagt: Um eine Kooperation innerhalb einer größeren
Gruppe aufrechtzuerhalten, gilt es, jene Personen zu unterstützen, die über eine gute Reputation verfügen,
aber nicht jenen, die böse zu sein scheinen. Allerdings varieren die Vorstellungen davon, was "gut"
und was "schlecht" ist, von Gesellschaft zu Gesellschaft, eine allgemein gültige Norm existiert
nicht.
"Welche moralische Normen unterstützen am besten die Kooperation zwischen Personen, die die Möglichkeit
haben, auf Kosten anderer Trittbett zu fahren?", fragt Tatsuya Sasaki, Mathematiker an der Universität
Wien. "Es besteht bislang in der Wissenschaft kein definitiver Konsens hinsichtlich dieser Frage, und es bleibt
sogar unklar, wie jene Personen beurteilt werden sollen, die sich weigern, den Trittbrettfahrern zu helfen".
Gemeinsam mit Forschern der Soka-Universität und dem Technologischen Institut Shibaura in Japan folgte Sasaki
daher einem neuen Ansatz, der von traditionellen Beurteilungsregeln abweicht, die auf einer zwingenden moralischen
Beurteilung basieren.
In einer Modellpopulation treffen immer wieder Individuen paarweise zusammen, von denen der eine dem anderen helfen
kann (auf eigene Kosten) oder nicht. Der Trittbrettfahrer tut das nicht: Er nimmt Hilfe von anderen an, ist aber
nicht bereit anderen zu helfen. Damit sich die Zahl der Trittbrettfahrer nicht vergrößern kann, muss
ihnen die Hilfe verweigert werden: Diese soll nur den "guten", nicht den "bösen" zugute
kommen. Wie aber sollen jene beurteilt werden, die sich weigern, einem "bösen" zu helfen? Riskieren
diese nicht dadurch einen schlechten Ruf?
Sasaki führt mit seinen Ergebnissen eine neue moralischen Beurteilungsregel ein, die als "Beibehalten"
bezeichnet wird. Die Wissenschafter nahmen zwei unterschiedliche Typen an: Die "Trittbrettfahrer" (die
sich weigern, zu helfen, wer auch immer das Gegenüber sein mag) und die "Kooperatoren" (die jenen
mit gutem Ruf helfen und jenen mit schlechtem Ruf nicht).
Diese Regel der "Beibehaltung" verzichtet auf eine Bewertung der Handlung gegenüber einem potenziellen
Empfänger mit schlechter Reputation. Die Entscheidung ändert die Reputation der handelnden Person nicht.
Die Studie legt nahe, dass manchmal die Vermeidung einer moralischen Beurteilung die beste politische Praxis sein
kann. "Das Motto 'Ich werde dein schlechtes Verhalten bestrafen, um gut dazustehen' ist anscheinend nicht
das beste Verfahren, um aus einer Bevölkerung von Trittbrettfahrern Kooperatoren zu machen", ist Sasaki
überzeugt. Die Ergebnisse der Studie haben bedeutsame Auswirkungen auf verschiedene Themen, wie beispielsweise
der potenziellen Anwendungen künstlicher Intelligenz betreffend der Entscheidungsfindung.
Publikation in "Scientific Reports": Sasaki
T, Okada I, Nakai Y. 2017. The evolution of conditional moral assessment in indirect reciprocity Scientific Reports
7:41870. http://dx.doi.org/10.1038/srep41870
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