Lebhafte Bundesratsdebatte über EU-Vorhaben 2017
Wien (pk) - Umweltpolitik und Agrarpolitik hängen in der Europäischen Union eng zusammen, ganz
besonders aber in Österreich, wo Landwirtschaft und Umweltschutz in einem Ressort mit dem Namen Lebensministerium
zusammengefasst sind. Die Bundesratsdebatte vom 16.02. über das agrar- und umweltpolitische Programm der Europäischen
Union für 2017 gab Bundesminister Andrä Rupprechter Gelegenheit, mit den LändervertreterInnen über
ein breites Spektrum an Themen zu debattieren, die insofern starke Kohärenz zeigen, weil dem Prinzip der Nachhaltigkeit
im Klima- und Umweltschutz ebenso große Bedeutung zukommt wie bei der Sicherung einer ökosozialen Landwirtschaft,
in der BäuerInnen gesunde Lebensmittel erzeugen. In einer lebhaften Debatte versprach Bundesminister Andrä
Rupprechter den BundesrätInnen Stefan Schennach (S) und Nicole Schreyer (G) auf deren Bitte hin versprach,
in künftigen Berichten stärker auch die österreichische Position zu wichtigen europäischen
Agrar- und Umweltthemen darzustellen. Den Bericht nahm der Bundesrat mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und
der Grünen zur Kenntnis.
FPÖ für Wiedereinführung der Milchquote und Austritt aus EURATOM
Große Herausforderungen in der Landwirtschafts- und Umweltpolitik für Europa und Österreich registrierte
Peter Samt (F/St), insbesondere bei der Umsetzung der GAP-Reform, bei der Implementierung der Klimaschutzziele
und beim Schutz des Waldes. Kritisch sah der Bundesrat die geringen Fortschritte bei der Kennzeichnung von Biolebensmitteln
und die für ihn unverständliche und für Österreich schädliche Verlängerung der Sanktionspolitik
gegen Russland. Skeptisch zeigte sich Samt gegenüber der geplanten Ausweitung des EU-Agrarhandels auf weit
entfernte Märkte, weil er davon zusätzlichen Importdruck auf die heimischen ErzeugerInnen befürchtete.
Es sei gelungen, Probleme der MilchbäuerInnen abzufedern, räumte Samt ein, bekannte sich aber nachdrücklich
dazu, die bei der GAP-Reform abgeschaffte Milchquote wieder einzuführen.
Die Säumigkeit der Bundesländer bei der Umsetzung des Natura 2000-Programms werde ein EU-Vertragsverletzungsverfahren
und hohe Kosten nach sich ziehen, warnte Samt und trat für eine Novelle zum Naturschutzgesetz ein.
Da Österreich in der Abfallwirtschaft Vorbildcharakter habe, hielt es der Redner für selbstverständlich,
dass der Umweltminister in der EU für eine ambitioniertere Recyclingpolitik eintritt. Beim Thema Anti-AKW-Politik
verlangte der FPÖ-Mandatar einmal mehr den Austritt Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag.
ÖVP: BäuerInnen tragen zu einer nachhaltigen Produktion bei
Ferdinand Tiefnig (V/O) unterstützte die Unterzeichnung von CETA, weil Kanada ein Land mit starker Kaufkraft
und ein Hoffnungsmarkt für österreichische Agrarexporte sei. Tiefnig schlug auch vor, ähnliche Verträge
mit anderen Ländern abzuschließen, etwa mit Brasilien, um die Handelsposition der heimischen BäuerInnen
zu verbessern. Eine Lanze brach der Bundesrat auch dafür, phytosanitäre Maßnahmen zum Schutz der
heimischen Wälder vor Schädlingen zu verstärken, insbesondere bei Importen aus Asien. Im Hinblick
auf die EU-Arzneimittelverordnung erinnerte Tiefnig daran, dass Österreich auf diesem Gebiet weit fortgeschritten
sei und den Einsatz von Tierarzneimitteln nur gemeinsam mit Tierärzten zulasse. Die Zusammenführung von
Umweltpolitik und Landwirtschaftspolitik in einem Ressort hält der Redner für richtig und würdigte
den Beitrag der BäuerInnen zu einer nachhaltigen Produktion. Tiefnig unterstrich auch die Bedeutung des neuen
Programms für den ländlichen Raum, denn es gelte, der Abwanderung aus den Regionen entgegenzuwirken.
SPÖ fordert Auskunft über Österreichs Haltung in wichtigen EU-Fragen
Konstruktive Kritik an dem vorgelegten Bericht übte Stefan Schennach (S/W). Der Minister habe wiederum darauf
verzichtet, die österreichische Position zu verschiedenen europäischen Themen konkret darzustellen. So
vermisste Schennach Auskunft über die österreichische Haltung zur EU-Waldstrategie, zum Thema Bio-Energie
oder zur Stärkung der BäuerInnen gegenüber den Supermarktketten. Informationen fehlten ihm auch
über die zu erwartenden Kosten des BREXIT. Schennachs Einladung an Bundesminister Rupprechter lautete, mit
dem EU-Ausschuss des Bundesrates in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Vor allem hoffe er auf Unterstützung
des Ressortleiters bei den Themen Naturschutz und Wiederverwertung von Abwasser. Den Bericht nehme seine Fraktion
in der Hoffnung zu Kenntnis, künftig mehr Auskünfte über die österreichische Position zu wichtigen
Fragen der europäischen Landwirtschafts- und Umweltpolitik zu bekommen.
Grüne gegen Diskonthandel mit Lebensmitteln
Nicole Schreyer (G/T) schloss sich der Kritik ihres Vorredners an, kündigte aber auch ihrerseits die Zustimmung
zu dem übersichtlich gestalteten Bericht an. Auskunft über die österreichische Position zu EU-Vorhaben
sei aber nicht nur wünschenswert, sondern verfassungsrechtlich geboten, merkte Schreyer an. Angesichts der
kritischen Lage auf den Schweinefleisch- und Milchmärkten verlangte die Bundesrätin eine Umorientierung
der Politik weg von der Quantität und hin zur Qualitätsproduktion mit fairen Preisen für die BäuerInnen.
Diskontstrategien beim Handel mit Lebensmitteln erteilte Schreyer eine klare Absage. Auch Schreyer drängte
auf Fortschritte bei der Kennzeichnung von Bioprodukten und forderte den Umweltminister auf in der europäischen
Umweltpolitik für mehr Druck in Richtung auf Umsetzung der Agenda 2030 zu sorgen. Es sei keineswegs lächerlich,
wenn sich Österreich als Binnenland für eine nachhaltige Bewirtschaftungsstrategie der Meere einsetze
– dies sei angesichts des Zustandes der Ozeane vielmehr wichtig und notwendig, schloss die Bundesrätin.
Rupprechter: Briten werden für Zutritt zum Binnenmarkt zahlen müssen
Bundesminister Andrä Rupprechter nahm die Kritik an seinem Bericht ernst und versprach, künftig auch
über die österreichische Position zu einzelnen Themen zu berichten. Der BREXIT werde Europa in der nächsten
Zeit stark beschäftigen, führte der Minister aus. Er hielt es für möglich, dass der britische
Austrittsantrag im März eintreffen werde - dann wird die Kommission ihre voraussichtlich zweijährigen
Verhandlungen mit Großbritannien starten. Diese Verhandlungen werden alle Politikbereiche, auch die britischen
Verpflichtungen in der Klimaschutz- und Energiepolitik enthalten. "Großbritannien wird seine Verpflichtungen
aus der EU mitnehmen", teilte Rupprechter mit. Dem EU-Budget werden nach dem BREXIT 5 Mrd. € fehlen, erwartet
Rupprechter, wies an dieser Stelle aber darauf hin, dass die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz und Norwegen für
ihren Zutritt zum Binnenmarkt höhere Beiträge an die EU überweisen müssen, als ihre EU-Mitgliedsbeiträge
im Falle eines Beitritts ausmachen würden.
Auf seine EU-Präsidentschaft ab 1. Juli 2018 wird sich Österreich ab Juli 2017 im Rahmen der Triopräsidentschaft
vorbereiten, teilte Rupprechter mit. Er trete für die Vereinfachung der EU-Agrarpolitik und der Umweltpolitik
ein, aber dagegen, die die diesbezügliche Omnibus-Verordnung durch den Rat zu peitschen, sagte der Minister
entschlossen. Der Prozess zur Weiterentwicklung der GAP für die Zeit nach 2020 werde mit Stakeholdern-Konsultationen
beginnen und nach einer Konferenz mit Verhandlungen im Rat und im EU-Parlament fortgesetzt. Für Österreich
haben dabei die Weiterentwicklung einer ökosozialen Landwirtschaft mit flächendeckenden bäuerlichen
Betrieben, die Betriebsgrößendegression bei Marktordnungsprämien und die Förderung von Kleinbetrieben
Priorität. Auf das Auslaufen der Zuckerquote im Herbst 2017 seien die österreichischen BäuerInnen
gut vorbereitet, teilte der Minister mit.
In der Umweltpolitik stehe Österreich sehr gut da, hält Rupprechter einmal mehr fest. Für den Naturschutz
seien die Bundesländer zuständig, seine Bemühungen um ein Bundesnaturschutzgesetz seien bei den
Ländern auf wenig Gegenliebe gestoßen, informierte der Minister den Bundesrat.
Die Klimaschutz- und Energiestrategie der Bundesregierung kündigte Rupprechter für Mitte des Jahres an.
Sie sei an einer Energiewende mit den Schwerpunkten erneuerbare Energieträger, Energieeffizienz und Energieeinsparung
orientiert. Im Rahmen seines prinzipiellen Eintretens gegen die Nutzung der Kernenergie verlangt Österreich
konkret auch eine Entscheidung über seine Klage gegen die Förderung des britischen AKW Hinkley Point,
betonte der Umweltminister.
Die österreichische Position zur geplanten Bioverordnung beschrieb Rupprechter als Bemühen, den 2015
erreichten Ratskompromiss nicht aufzuweichen. Er werde keiner Lösung zustimmen, die österreichischen
BiobäuerInnen schade, unterstrich Rupprechter.
Österreich betreibe seit 150 Jahren eine nachhaltige Forstwirtschaft und genieße dafür großes
internationales Ansehen, hielt Rupprechter beim Thema EU-Waldkonvention und nachhaltige Waldwirtschaft fest. Der
Schutz vor Schädlingen habe für ihn Priorität.
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