Experten aus Technik und Recht erläutern, was gegen Trennung spricht – WKÖ-Präsident
Leitl: Energieunion forcieren
Wien (pwk) - Derzeit steht der gemeinsame Strommarkt von Österreich, Deutschland und Luxemburg („Strompreiszone“)
an der Kippe. Kommt es zu einer Trennung der seit rund 15 Jahren bestehenden Preiszone, könnte das massive
negative Konsequenzen haben, betonte Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, am
14.02. in einer Pressekonferenz. Auch auf europäischer Ebene wäre dies ein falsches Signal, so Leitl:
„Die Strompreiszone stellt in Europa ein Best Practice Beispiel dar. Es kann doch nicht sein, dass dieses nun wieder
zurückgenommen werden soll. Wir fordern die Europäische Kommission auf, alles zu tun, damit es keine
Rückschläge in diesem Konzept gibt.“
Verzögerungen beim Netzausbau in Deutschland
Auch für Wirtschaft und Verbraucher drohen negative Auswirkungen. Steigen die Strompreise durch die Strompreiszonen-Trennung
wie von Experten berechnet um rund 10%, belastet dies die Wirtschaft jedenfalls stark. Experten warnen vor volkswirtschaftlichen
Mehrkosten aufgrund der Trennung von insgesamt rund 300 Mio. Euro. Davon müsste die österreichische Wirtschaft
rund drei Viertel, also 225 Mio. Euro, tragen, ergeben Berechnungen der WKÖ.
„Es wäre ein Rückschritt, wieder eine Grenze aufzureißen in einem Bereich, wo Kooperation sehr
gut funktioniert“, erläutert Roland Kuras, Geschäftsführer von PowerSolution Energieberatung GmbH
und Energiemarktexperte. Gerade die Umbrüche und Umstrukturierungen des europäischen Energiemarktes -
vor dem Hintergrund der Sicherung der Versorgungssicherheit - machen eine gemeinsame Zone noch plausibler.
Aus der Sicht des Energiemarktexperten bestehen keine (physikalischen) Probleme durch Leitungs-Engpässe zwischen
Deutschland und Österreich, wie Befürworter eine Trennung argumentiert hatten. Problematisch ist vielmehr,
dass der in Deutschland vorgesehene Netzausbau nicht so rasch vorankommt wie geplant, betont Kuras. „Wenn also
kein Engpass an der Grenze besteht, ist es fraglich, ob eine Trennung den – etwa von Staaten wie Polen oder Tschechien
- gewünschten Erfolg zeigen kann“, ergänzt Florian Schuhmacher, Universitätsprofessor für Zivil-
und Unternehmensrecht an der WU Wien und Energie- und Wettbewerbsrechtexperte. Damit könnte mit der Trennung
der Strompreiszone also ein falsches Mittel gewählt werden, das noch dazu wirtschaftlich viel Porzellan zerschlägt,
so der Experte. Durch eine Trennung der gemeinsamen Preiszone würden die Netzprobleme in Deutschland – nach
technischen Expertisen -, aber auch in Polen und Tschechien jedenfalls nicht gelöst.
Widerspruch zu freiem Warenverkehr
„Im Binnenmarkt muss ein freier Fluss der Elektrizität ohne Hindernisse bestehen können. Die Trennung
des Marktes widerspricht der Idee einer europäischen Energieunion und der Idee des freien Warenverkehrs“,
erläutert Schuhmacher. Der Rechtsexperte beleuchtete die Rolle der Regulierungsagentur ACER und analysiert,
welche rechtlichen Aspekte einer Zerschlagung der Preiszone widersprechen.
Zuletzt hatte ACER am 17. November 2016 eine verbindliche Entscheidung veröffentlicht, welche die Trennung
der deutsch-österreichischen Strompreiszone befürwortet.
„Gegen eine Trennung des Strommarktes bestehen gravierende Einwände, und es laufen derzeit rechtliche Verfahren.
Letztendlich werden diese vor Gerichten der EU geführt werden“. Auch die WKÖ hat sich mit einer Intervention
den Klagen gegen die ACER-Entscheidung angeschlossen. Nächster zu erwartender Schritt: Mitte März wird
eine erste Teilentscheidung des Beschwerdeausschusses erwartet.
Leitl: „Wir begrüßen, dass die bilateralen Verhandlungen zwischen österreichischem und deutschem
Wirtschaftsministerium wieder in Gang gekommen sind. Wir werden als WKÖ auch mit unseren Schwesterorganisationen
in den beiden Ländern Deutschland und Luxemburg aufnehmen und mit EU-Institutionen Kontakte pflegen. Das Ziel
muss sein, eine partnerschaftliche Lösung im europäischen Kontext zu erreichen“.
|