Fahrradtechnik, Autoverglasung, Modellieren von Fingernägeln, Betonbohren und Erzeugung
von Speiseeis als sensible Tätigkeiten
Wien (pwk) - Im Rahmen der Reform der Gewerbeordnung sollen die bestehenden Teilgewerbe in freie Gewerbe
überführt werden. Das trifft so sensible Bereiche wie die Autoverglasung, das Betonbohren- und schneiden,
die Erzeugung von Speiseeis, die Fahrradtechnik und das Modellieren von Fingernägeln. Gerade bei diesen Tätigkeiten
ist die Qualifizierung das A und O, da es dabei um Leib und Leben geht. Im Hinblick auf den laufenden parlamentarischen
Prozess ist es daher unabdingbar, nochmals auf diese besonders sensiblen Bereiche hinzuweisen.
Mobilität: Qualifizierte Autoverglaser und Fahrradtechniker garantieren Personensicherheit
Massive Bedenken äußern die Bundesinnungen der Mechatroniker sowie der Fahrzeugtechnik: „Wir hören
täglich Meldungen zu neuen Formen der Mobilität. Klarerweise hat dabei die Personensicherheit absoluten
Vorrang. Mit der Freigabe der Tätigkeiten im Bereich der Fahrradtechnik und der Autoverglasung werden in beiden
Fällen Situationen herbeigeführt, die zu Problemen bei der Personensicherheit führen können
und werden“, so Fahrzeugtechnik-Bundesinnungsmeister Friedrich Nagl.
Pro Jahr werden 400.000 Fahrräder und 80.000 Elektrofahrräder neu verkauft – ein wesentlicher Faktor
im öffentlichen Verkehr. Mit der Förderaktion des Bundes im Rahmen der e-Mobilität soll mit einem
Budget von 72 Millionen Euro die Neuzulassung von bis zu 16.000 Elektrofahrzeugen – überwiegend Elektrofahrräder
- gefördert werden. Zum Vergleich: In Österreich werden jährlich rund 300.000 Pkw neu zugelassen.
Im Bereich der Fahrradtechnik rechnet die Bundesinnung der Mechatroniker, dass Sicherheitsbeeinträchtigungen
zunehmen werden. „Die Konsumenten erwarten umfassende Kenntnisse von Unternehmen um die Sicherheit zu gewährleisten.
Denn Fahrräder und gerade E-Bikes sind heute High-Tech-Fortbewegungsmittel und nur Fachkenntnis minimiert
das Risiko einer Beeinträchtigung durch eine falsch ausgeführte Wartung oder Reparatur“, so der Bundesinnungsmeister
der Mechatroniker Robert Heiszenberger. Nicht zuletzt habe selbst die Grüne Wirtschaft die Überführung
der Fahrradtechnik in ein freies Gewerbe kritisiert. In Deutschland beispielsweise ist die Fahrradtechnik ein sogenanntes
„gefahrgeneigtes Gewerbe“, sodass nur fachlich qualifizierte Gewerbetreibende und gut ausgebildete ArbeitnehmerInnen
die Betriebssicherheit von Elektro-Fahrrädern und allen anderen Fahrradtypen garantieren können.
Auch die Autoverglasung stellt in modernen Fahrzeugen eine Schlüsselkomponente der Verkehrssicherheit dar.
„Im Falle eines Steinschlages und des damit verbundenen Tauschs der Windschutzscheibe wird ein bestimmter Prozentsatz
dieser Neufahrzeuge zum potentiellen Sicherheitsrisiko, wenn künftig jeder ohne Qualifikation befugt sein
wird, eine Windschutzscheibe zu tauschen“, so Nagl. Denn in der Windschutzscheibe sitzen in modernen PKW Sicherheits-
und Kommunikationssensoren, die bei unsachgemäßem Umgang die entsprechenden Systeme außer Kraft
setzen und gerade in Hinblick auf autonomes Fahren ein echtes Sicherheitsrisiko darstellen.
Lebensmittelgewerbe: Erzeugung von Speiseeis Konditoren zuordnen
Auch im Bereich der Lebensmittelsicherheit bestehen Bedenken, da bei der unsachgemäßen Herstellung
von Speiseeis eine akute Gesundheitsgefährdung durch Bakterien (Salmonellen, Listerien und Enterobakterien)
besteht. Das Beispiel Deutschland zeigt hier, wie es nicht gehen soll. Denn die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
ist 2010 mit einem alarmierenden Testergebnis an die Öffentlichkeit gegangen. Angesichts der Beanstandungsquote
von 41 Prozent bei Speiseeis-Stichproben sprachen sich die Verbraucherschützer für schärfere Kontrollen
aus. In Deutschland wurde die Erzeugung von Speiseeis im Rahmen der Liberalisierung 2004 freigegeben. Zum Vergleich:
Im Juni vergangenen Jahres zeigte der AK-Test bei 16 steirischen Anbietern nur eine hygienische Beanstandung. Ein
klarer Beweis, dass die Qualifikation bei der Speiseeis-Produktion Leib und Leben schützt.
Modellierens von Fingernägeln: Die Gefahr zerstörter Fingernägel
„Im Bereich des Modellierens von Fingernägeln, also der Tätigkeit in Nagelstudios, ist akuter Handlungsbedarf
gegeben. Bearbeitet eine gut ausgebildete Nageldesignerin ihre Nägel unter Berücksichtigung von Hygiene
und koskemtikverordnungs-konformen Materialien fachgerecht, besteht keine Gefahr, dass die Kundin an Nagelpilz
oder einer schmerzhaften Nagelbettentzündung erkrankt und leidet“, so Dagmar Zeibig, Bundesinnungsmeisterin
der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure. Nagelpilzerkrankungen sowie die offensichtlichen Beschädigungen
der Nägel seien die Folgen einer unqualifizierten Fingernagelmodellage, die trotz vorliegender Pilzinfektion
durchgeführt wurde. Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Tätigkeit des Modellierens von Fingernägeln
(Nagelstudio) dem Gewerbe der Kosmetik zugerechnet wird, so Zeibig.
Betonbohren und -schneiden: Adäquater Ausbildungsnachweis unabdingbar
Auftragnehmer in diesem Bereich übernehmen im Rahmen der Tätigkeit eine wesentliche Verantwortung
was die Statik von Gebäuden betrifft: z.B. können moderne Betonsägen Löcher mit mehreren Metern
Durchmesser in Betonwände oder -Decken sägen, etwa wenn in einem solchen Gebäude nachträglich
ein Aufzug eingebaut werden soll. Eine unsachgemäße Durchführung bedeutet daher eine Gefahr für
Leib und Leben. Bis dato waren diese Arbeiten als Teilgewerbe ausgewiesen, für die ein adäquater Ausbildungsnachweis
vorliegen musste. Hier tritt die Bundesinnung Bau für eine Rückführung in die Reglementierung ein.
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