Staatssekretärin Muna Duzdar kündigt Sonderstaatsanwaltschaft an
Wien (pk) - Der EU-Unterausschuss des Nationalrats sprach sich am 21.02. für eine EU-Initiative gegen
Hass und Gewaltaufruf im Internet aus. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, aktiv tätig
zu werden und entsprechende legislative Maßnahmen vorzuschlagen. Damit soll ein rasches und lückenloses
Vorgehen von Providern, Plattformanbietern und Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden. Ein diesbezüglicher
Antrag auf Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP
und Grünen mehrheitlich angenommen. Die Freiheitlichen sahen darin einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit,
blieben mit ihrer Meinung jedoch in der Minderheit.
Wie Staatsekretärin Muna Duzdar betonte, sei die rechtliche Lage in Österreich sehr gut. Sie erinnerte
an die Strafrechtsreform des Vorjahres, die auch eine Verschärfung des Verhetzungsparagrafen mit sich brachte.
Duzdar räumte jedoch ein, dass die Anwendbarkeit immer wieder auf Schwierigkeiten stoße, weshalb man
plane, eine Sonderstaatsanwaltschaft für derartige Fälle einzurichten, um eine effektivere Verfolgung
solcher Delikte zu ermöglichen. Auch werde man auf Anregung von Organisationen der Zivilgesellschaft eine
Anlaufstelle schaffen, denn viele Menschen wüssten nicht, wie man mit Hass im Internet und mit Cybermobbing
umgehen soll.
Ziel der Regierung sei es, Gegenrede und Zivilcourage im Netz zu stärken. Die Spielregeln des realen Lebens
müssen auch für das Internet gelten, stellte Duzdar klar, das Internet sei kein straffreier Raum, in
dem man in der Anonymität aggressiv agieren könne. Man wisse, wohin die Gewalt der Worte führen
kann, so Duzdar.
Bei Hass im Internet handle es sich um kein kleines Vergehen, konstatierte auch Christine Muttonen seitens der
SPÖ, weshalb sie weitere Schritte für notwendig erachtet und gemeinsam mit Klubobmann Reinhold Lopatka
den Antrag auf Mitteilung einbrachte, der sowohl von Europa-Abgeordnetem Heinz Becker (V) als auch von Staatssekretärin
Muna Duzdar ausdrücklich begrüßt wurde.
Selbstverpflichtungskodex für Internetplattformen reicht nicht aus
Grundlage für die Diskussion bildete der am 31. Mai 2016 zwischen den global agierenden Social-Media-Plattformen
und Unternehmen wie Facebook, Twitter, Youtube und Microsoft mit der EU-Kommission vereinbarte Selbstverpflichtungskodex
zur Bekämpfung illegaler Hassreden im Internet (Code of Conduct on countering illegal hate speech online).
So sollen Hasskommentare etwa schneller geprüft und entfernt werden. Der Kodex ist rechtlich nicht bindend,
er dient den IT-Unternehmen aber als Richtschnur für ihre eigenen Tätigkeiten sowie zum Austausch von
best-practice-Modellen und engerer Kooperation mit anderen Internet-Unternehmen, Plattformen und Social-Media-Unternehmen.
Intensiviert soll auch die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten werden. Die IT-Unternehmen
sind darüber hinaus aufgefordert, Partnerschaften mit zivilgesellschaftlichen Organisationen auszubauen, die
helfen, inkriminierende Inhalte zu melden. Angesprochen im Dokument sind ferner Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen
für NutzerInnen sowie Schulungen für MitarbeiterInnen der IT-Unternehmen.
Der Code of Conduct ergänzt die strafrechtliche Dimension, festgelegt im Rahmenbeschluss "zur strafrechtlichen
Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" aus dem Jahr
2008. Demnach gilt insbesondere die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien
der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen
oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe als Straftat. Er stellt die Rechtsgrundlage für die Definition
illegaler Inhalte im Internet dar.
Laut Mitteilung an Brüssel sehen die Ausschussmitglieder den Kodex als einen "ersten guten Schritt in
eine richtige Richtung". Die von EU-Kommissarin Vera Jourová eingeleitete Untersuchung habe aber deutlich
gezeigt, dass der freiwillige Verhaltenskodex noch nicht den gewünschten Effekt erzielt hat, da die Verpflichtung
der Betreiber von Diskussionsforen (Blogs) und Social Media Plattformen, auf Hasspostings binnen 24 Stunden entsprechend
zu reagieren, in nur 40% der Fälle eingehalten wurde. Der nicht legislative Ansatz zeige zwar erste Wirkungen,
er erziele aber bei weitem nicht den gewünschten Erfolg, folgern die Abgeordneten, weshalb sie über den
Code of Conduct hinaus für legislative Maßnahmen plädieren.
In diesem Sinne unterstützen sie die Initiativen auf EU Ebene, die Provider und Plattformanbieter in die Pflicht
zu nehmen, um aktiv und zeitnah gegen Hasspostings, sonstige illegale Inhalte und so genannte Fake-News im Netz
vorzugehen. Der EU-Unterausschuss begrüßt insbesondere die von der Kommission angekündigten Leitlinien
gegen Fake-News und hält es aber auch für notwendig, Medienbildung und Medienkompetenz zu steigern, um
Wissen über Fake-News zu verbreiten und falsche Meldungen entlarven zu können.
EU-Unterausschuss für klare Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Verbreitung von Hasspostings
Die Abgeordneten fordern die Kommission in der genannten Mitteilung zudem auf, eine klare Abgrenzung zwischen dem
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und der Verbreitung von Hasspostings und sonstigen illegalen Inhalten
zu ermöglichen. Sie sprechen damit das Spannungsfeld zum Recht auf freie Meinungsäußerung an, das
zu den zentralen europäischen Werten gehört. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Inhalten, die "den Staat oder eine Gruppe der Bevölkerung
beleidigen, schockieren oder verstören", und Inhalten, die eine tatsächliche und ernsthafte Aufstachelung
zu Gewalt und Hass darstellen. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass Staaten Letzteres verbieten und unter Strafe
stellen dürfen.
In diesem Sinne stellen auch die Ausschussmitglieder klar, dass Diskussionsforen, Blogs und Social Media Plattformen
im Internet einen wichtigen Beitrag zu einer offenen und lebendigen Diskussion gesellschaftlich wichtiger Fragen
in einer demokratischen Öffentlichkeit leisten. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ende
jedoch dort, wo die schrankenlose Ausübung dieses Grundrechts andere Menschen in deren Grundrechten berührt,
halten sie dezidiert fest.
Die Grünen stimmten dem Antrag auf Mitteilung zu, auch wenn sie gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien
dagegen einwandten, dass darin Fake-News mit Hassreden vermengt würden. Hass könne viele Formen annehmen,
auch solche, die nicht strafrechtlich relevant sind, führte dazu Nikolaus Alm von den NEOS ins Treffen. Meinungsfreiheit
könne durchaus auch verletzend sein, sagte er und bestand auf eine deutliche Abgrenzung. Es sei wichtig, Fake-News
zum Thema zu machen, verteidigte Katharina Kucharowits (S) den Antrag, selbstverständlich differenziere man
sehr genau.
Dies wurde auch seitens der Staatssekretärin Duzdar unterstrichen. Im Code of Conduct sei keine Rede von Fake-News,
dort gehe es um die Selbstverpflichtung gegen Hasskommentare. Sie räumte jedoch ein, dass es Grauzonen gibt
und Hasskommentare durchaus in eine nicht strafbare Kategorie fallen können. Daher unterstütze die Regierung
das Empowerment von Personen und stelle Argumentationshilfen und Tipps zur Verfügung, wie man damit umgehen,
bzw. wie man sich dagegen wehren kann.
FPÖ: Code of Conduct verstößt gegen Meinungsfreiheit
Nicht durchsetzen konnten sich die Freiheitlichen mit ihrem Antrag auf Mitteilung. Ihrer Meinung nach sollte die
Kommission den Code of Conduct zurückziehen, da dieser die Grundlagen der Meinungs-, Gedanken- und Pressefreiheit
in eklatanter Weise verletze und einen Anschlag auf die Grundprinzipien unserer Verfassung und der demokratischen
Grundwerte darstelle. Die FPÖ bezieht sich dabei auf eine Äußerung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs,
der in diesem Zusammenhang zur Vorsicht gemahnt hatte.
Im Code of Conduct gehe es darum, unerwünschte Inhalte zu kriminalisieren, erläuterte Johannes Hübner
(F) den Vorstoß seiner Fraktion. Er warnte vor einer riesigen Zensurbehörde und einem "Wahrheitsministerium"
und warf zugleich der Staatsekretärin sowie der Koalition vor, Kriterien für die Wahrheit festsetzen
zu wollen. Damit wäre der Meinungsaustausch völlig eingeschränkt, die Grundlagen des freiheitlichen
Rechtsstaates wären infrage gestellt, so Hübner. Sollte ein Straftatbestand vorliegen, könnten die
Behörden ohnehin aktiv werden.
Dem konnten sich die anderen Parteien nicht anschließen. Es gebe einen Unterschied zwischen Meinungsäußerung
und Meinungen, die zu Hass und Gewalt aufrufen, zu brutaler Herabwürdigung von Personen und zu Cybermobbing,
führte etwa Dieter Brosz von den Grünen gegen den freiheitlichen Antrag ins Treffen. Die Meinungsfreiheit
sei durch die Europäische Menschrechtskonvention extrem hoch geschützt, ergänzte sein Klubkollege
Albert Steinhauser (G). Ebenso Katharina Kucharowits (S), die klarstellte, dass genau zwischen freier Meinungsäußerung
und dem Aufruf zur Gewalttat getrennt werde. Auch der Europa-Abgeordnete Heinz Becker (V) entgegnete Hübner,
hier gehe es um strafrechtliche Relevanz, keineswegs jedoch darum, unliebsame Äußerungen zu bekämpfen.
Wolfgang Gerstl wies seitens der ÖVP darauf hin, dass sich die Aussage des Verfassungsgerichtshofpräsidenten
auf Fake-News bezog, nicht aber auf den Verhaltenskodex, der auf Hassreden abstellt.
Verhetzung sei keine Meinung, sondern ein Straftatbestand, reagierte auch Staatssekretärin Muna Duzdar ablehnend
auf den Antrag der Freiheitlichen. Sie wies den Vorwurf, unliebsame Meinungen sollten abgedreht werden, entschieden
zurück und betonte, dass die Hasskriminalität steige und die Onlineplattformen die Vorschriften nicht
einhielten. Diese seien aber verantwortlich, hielt sie fest und trat unter anderem für eine Berichtspflicht
der Online-Plattformen ein.
Diskussion über Einbeziehung der Online-Plattformen in das Medienrecht
Wie Europa-Abgeordneter Heinz Becker (V) berichtete, denke man darüber nach, die Online-Plattformen als Medium
zu qualifizieren, wodurch man auch die Haftbarkeit festlegen könnte. Mit dem "Megageschäft"
von Plattformbetreibern muss auch Verantwortung einhergehen, sagte er. Diese Überlegungen stießen jedoch
bei der Opposition auf Skepsis. Vor allem Dieter Brosz (G) und Nikolaus Alm (N) warnten davor.
Es sei höchst an der Zeit, über rechtliche Schritte nachzudenken, sagte Brosz, aber die Online-Plattformen
als klassisches Medium einzustufen, ziehe äußerst schwierige juristische Fragen nach sich, wie er dies
anhand konkreter Beispiele darlegte. Selbstverständlich müsse man sich aber überlegen, welche medienrechtlichen
Schritte gegen Facebook und co zu setzen sind, da etwa Facebook den behördlichen und rechtlichen Vorschriften
nicht Folge leisten und damit den Persönlichkeitsschutz ad absurdum führen. Auch die Strafverfolgung
sei schwierig, weil langwierig und kostspielig, und das könne sich kaum jemand leisten. Brosz plädierte
daher, für diese Fälle ein Offizialdelikt einzuführen.
Auch Nikolaus Alm (N) sprach sich vehement dafür aus, die Online-Plattformen in die Pflicht zu nehmen, diese
als klassische Medien einzustufen, geht ihm aber ebenso zu weit. Das Ganze würde nur dazu führen, dass
über Gebühr gelöscht wird, außerdem müssten die Unternehmen dann Zensurinfrastrukturen
aufbauen, meinte er. Er trat daher dafür ein, diejenigen, die posten, zur Verantwortung zu ziehen. Man müsse
die Verantwortung definieren und bei der Begrifflichkeit nachschärfen, sagte Alm. In gleicher Weise wandte
sich Johannes Hübner (F) dagegen, Facebook und Twitter als klassisches Medium zu qualifizieren.
Keineswegs beabsichtige man die Internet-Plattformen mit den klassischen Medien gleichzusetzen, reagierte darauf
Staatssekretärin Duzdar, sie halte es aber für notwendig, darüber nachzudenken, welche medienrechtlichen
Schritte erforderlich sind und wo man nachschärfen muss. Man werde einen Mittelweg gehen, aber auch Druck
ausüben müssen. Die Gesetze seien auf alle Fälle einzuhalten, machte sie klar.
Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste soll überarbeitet werden
In seinen Erläuterungen zum Code of Conduct weist das Bundeskanzleramt auch auf die damit im Zusammenhang
stehende Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) hin. So soll der Begriff
der "Aufstachelung zum Hass" in angemessener Weise an die Begriffsbestimmung des oben genannten Rahmenbeschlusses
angepasst werden. Wichtigster Punkt sei aber die Ausweitung von Regelungen zur Bekämpfung von Hassreden und
zur Förderung des Jugendschutzes auf sogenannten Videoplattformen.
Die Kommission strebt eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten an, zu gewährleisten, dass Videoplattformanbieter
geeignete Maßnahmen ergreifen, um alle BürgerInnen vor Aufstachelung zu Gewalt oder Hass zu schützen.
Dazu zählen etwa Meldemöglichkeiten oder Inhaltsbewertungssysteme seitens der Videoplattformnutzer, aber
auch die Einrichtung von Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen NutzerInnen
und Videoplattformanbietern. Derzeit überlegt man auch, Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, Videoplattformanbietern
auch strengere Verpflichtungen aufzuerlegen.
Österreich begrüßt laut Information des Bundeskanzleramts diese partielle Ausdehnung auf Videoplattformen
und tritt überdies dafür ein, auch die bislang nicht erfassten sozialen Netzwerke in den Geltungsbereich
der AVMD-Richtlinie einzubeziehen, wenn sie zu einem erheblichen Teil als Verbreitung von Videoplattformen dienen.
In diesem Sinne sei man auch im letzten Kulturministerrat am 22. November 2016 aktiv geworden und sei damit beim
zuständigen EU-Kommissar für Digitalwirtschaft auf positives Echo gestoßen. Er plädierte dafür
zu prüfen, welcher Regulierungsbedarf gegenüber Online-Plattformen - wie Video-on-Demand Diensten, Streaming
Diensten aber auch Sozialen Medien - bestehe. Wenn diese Initiative auch von zahlreichen Mitgliedstaaten unterstützt
wird, so gibt es doch auch Widerstand, vor allem seitens der skandinavischen Länder, soziale Medien in die
Richtlinie einzubeziehen.
Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit setzt sich Österreich zudem dafür ein, dass die Grundanforderungen
über kommerzielle Kommunikation (Werbung) auch für Videoplattformen und Soziale Netzwerke gelten sollen,
wenn diese Plattformen im Zusammenhang mit audiovisuellen Inhalten Werbung vermarkten. In dieser Hinsicht ist die
Meinung unter den Mitgliedstaaten gespalten.
Österreichisches Parlament ebenfalls im Kampf gegen Hassreden im Internet engagiert
Der Sensibilisierung und Kompetenzbildung im Umgang mit Hate Speech - besonders auf online-Kanälen - hat sich
auch der Europarat 2013 mit einer eigenen Kampagne "No hate speech" verschrieben. Das österreichische
Parlament beteiligt sich seit 2015 an dieser Kampagne und setzte bzw. setzt dazu weitere themenbezogene Aktivitäten.
So hat die Demokratiewerkstatt mit ihren Workshops zur politischen Bildung in den letzten Jahren den Fokus vermehrt
auf Mobbing, gerade in Sozialen Medien, gerichtet. Im Vorjahr wurde das Handbuch "Bookmarks" in deutscher
Übersetzung im Palais Epstein präsentiert. Das Nachschlagwerk mit praxisnahen Materialien bietet Unterstützung
für die tägliche pädagogische Arbeit in Schule und außerschulischer Arbeit.
Mario Lindner, Bundesratspräsident im zweiten Halbjahr 2016, hat dieses Thema ebenfalls zum Schwerpunkt seiner
Vorsitzführung gemacht. Er rief zum "Schulterschluss für Zivilcourage" auf, eine Parlamentarische
Enquete befasste sich umfassend mit "Digitaler Courage" und mit dem Grünbuch zur digitalen Courage
hat die Länderkammer zudem einen wissenschaftlich fundierten Katalog mit Vorschlägen an die Politik in
diesem Bereich vorgelegt.
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