Zwillingspaar UniBRITE und TUGSAT-1/BRITE-Austria gehen ins fünfte Betriebsjahr
Wien (universität) - Was am 25. Februar 2013 mit viel Hoffen und Bangen gestartet wurde – nämlich
die ersten beiden österreichischen Satelliten UniBRITE von der Universität Wien und TUGSat-1/BRITE-Austria
von der TU Graz – entwickelte sich in diesen ersten vier Jahren zu einem vollen Erfolg mit beachtlicher internationaler
Resonanz. So hat sich Polen mit einem zweiten Paar von BRITE Satelliten am Projekt BRITE-Constellation beteiligt,
gefolgt von Kanada mit dem dritten Paar. Aber auch innerhalb von Österreich intensivierten sich die Kooperationen
zwischen den Universitäten, zuletzt bei der BRITE-Constellation Science Conference in Innsbruck.
Worin liegt die bahnbrechende Bedeutung von BRITE-Constellation? Zunächst einmal darin, dass jedes der Paare
aus Satelliten besteht, die jeweils im roten und im blauen Farbbereich die Helligkeit von Sternen mit sehr hoher
Genauigkeit messen, und das alle paar Minuten über die gesamte Sichtbarkeitsdauer eines Sternfeldes. "BRITE
steht für BRIght Target Explorer. Es handelt sich dabei um 20 cm lange und 8 kg schwere, würfelförmige
Nanosatelliten, die ein kleines Weltraumteleskop tragen und die möglichst viele helle Sterne in einem Gesichtsfeld
von 20 Grad beobachten", erklärt Werner W. Weiss, UniBRITE-Projektleiter vom Institut für Astrophysik
der Universität Wien. Der technische Betrieb dieser Satellitenzwillinge wird mit größtem Erfolg
durch die TU Graz unter Otto Koudelka durchgeführt, Projektleiter von TUGSat-1/BRITE-Austria, dessen Team
bislang alle auftretenden Probleme dank einer Förderung durch die Agentur für Luft- und Raumfahrt der
FFG hervorragend meistern konnte.
Wozu Rot und Blau? Stellen wir uns einen weißen Luftballon vor, der rhythmisch aufgeblasen wird und wieder
etwas schrumpft. Seine Oberfläche ändert sich periodisch und für einen Beobachter in großer
Entfernung erscheint dies als ebenso rhythmisches Schwanken der Helligkeit des Luftballons. Diese lediglich auf
Änderungen in der Geometrie beruhenden Variationen werden aber in der roten und in der blauen Farbe die gleichen
Amplituden und Perioden haben. Anders liegt der Fall, wenn die Lichtquelle zum Beispiel ein glühendes Kohlestück
wäre und dieses periodisch mit einem Ventilator angeblasen und zur Weißglut gebracht würde. In
diesem Fall werden zwar die Helligkeitsschwankungen im Roten und Blauen dieselben Perioden aufweisen, aber die
Amplituden werden deutlich unterschiedlich sein. Im blauen Licht wird das Kohlestück bei Weißglut deutlich
heller erscheinen als im roten, also in diesem Fall die Amplituden im blauen Filter größer erscheinen
als im roten. Die gleichzeitige Beobachtung der Helligkeitsvariationen bei Sternen in verschiedenen Farben erlaubt
es offensichtlich geometrische und physikalische Effekte von einander zu trennen.
Und wie steht es um die Bedeutung eines lückenlosen, viele Monate umfassenden Datensatzes mit Helligkeitswerten
etwa alle wenige Minuten? Auch dazu ein Beispiel aus dem Alltag: Es ist bekannt, dass Gläser beim Anstoßen
sehr unterschiedlich klingen. Dieser Klang hängt zum Beispiel von der Form der Gläser ab, vom Grad der
Füllung und auch von der Art der Flüssigkeit, ob dünn oder dickflüssig. Dieser Klang besteht
aber nicht nur aus einem einzigen Ton, sondern das Ohr hört gleichzeitig mehrere Töne, ein sogenanntes
Tonspektrum. Kennt man das vollständige Tonspektrum, lässt sich auf das Glas und seinen Inhalt zurückschließen.
Ein komplettes Tonspektrum erschließt sich aber nur über einen hinreichend langen und kontinuierlichen
Datensatz. Für die BRITE-Constellation, wo Sterne beobachtet werden, deren Helligkeitsschwankungen Perioden
von wenigen Minuten bis zu mehreren Wochen haben, dürfen Datenlücken im Idealfall nicht größer
als wenige Minuten sein, bei einer Beobachtungsdauer von möglichst vielen Monaten.
Von der Erde aus sind diese Bedingungen mit einem Fernrohr beliebiger Größe nicht erfüllbar. Schließlich
geht die Sonne täglich auf und unter und Sternbilder sind nur während jeweils gewisser Jahreszeiten beobachtbar.
BRITE-Constellation ist durch Auf- und Untergang der Sonne nicht behindert. Die Satelliten fliegen außerhalb
der Erdatmosphäre in rund 800 km Höhe über der Erde und, sollte ein Sternfeld für einen bestimmtem
BRITE-Satelliten gerade von der Erde verdeckt werden, wird dieses Feld von einem anderen Satelliten der Constellation
beobachtet, der in seiner Umlaufbahn gerade günstig steht. Somit ist BRITE-Constellation das erste Ensemble
von Nanosatelliten im astrophysikalischen Einsatz, das bislang nicht verfügbare ununterbrochene Datensätze
mit hoher zeitlicher Auflösung über einen Zeitraum von bis zu einem halben Jahr und gleichzeitig in zwei
Farben beobachtet. All dies erlaubt es, den Aufbau und die Entwicklung von Sternen mit neuen und deutlich verbesserten
Methoden zu untersuchen, sozusagen ein Röntgenbild der Sterne zu machen. Aber auch die Wechselwirkungen von
Sternen mit ihrer unmittelbaren Umgebung, den Gasscheiben und Planeten, können studiert werden.
Aktuell werden gerade die Arbeiten an dem Stern mit der Katalognummer HD 201433 am Institut für Astrophysik
der Universität Wien unter der Leitung von Thomas Kallinger abgeschlossen und zur Publikation bei der Zeitschrift
"Astronomy and Astrophysics" vorbereitet. Dieser pulsierende, etwa doppelt so heiße Stern wie unsere
Sonne könnte der Rosetta-Stein zum Verständnis solcher Objekte sein. Rotation spielt eine entscheidende
Rolle bei der Sternentwicklung, denn sie beeinflusst den Transport chemischer Elemente im Sterninneren und bestimmt
den Verlauf des Drehmoments vom Zentrum bis an die Oberfläche. Noch keines der bestehenden Standardmodelle
konnte alle diese Beobachtungen befriedigend erklären. Die Beobachtungen von BRITE-Constellation können
einen wichtigen Baustein zur Klärung beitragen: Sie weisen auf einen im Inneren langsam rotierenden Stern
mit Perioden um etwa 300 Tagen hin, auf dem eine wesentlich rascher rotierenden äußeren Hülle aufliegt.
Diese Hülle scheint durch gravitative Wechselwirkungen mit einem den Hauptstern umkreisenden Begleiter beschleunigt
zu werden.
Wie wird also das Drehmoment vom Sterninneren nach außen transportiert und wie beeinflusst die Sternumgebung
diesen Transport? Letzteres ist auch ein zentrales Problem bei der Entstehung und Entwicklung von Planeten, Gas-
und Staubscheiben als Reste bei der Sternentstehung. Viele in den letzten Jahren entdeckte Exoplaneten liegen in
einer Zone, wo flüssiges Wasser vorkommen könnte. Sie wären aber trotzdem nicht bewohnbar, wenn
es sich um jupiterähnliche Gasriesen handelte. Aber deren Monde könnten bewohnbar sein, da diese vermutlich
eine feste Oberfläche hätten. Mitte 2017 wird der Planet "b" des Sterns ß Pictoris von
der Erde aus beobachtbar auf seiner Umlaufbahn nahe am Zentralstern vorbeiziehen, diesen vermutlich aber nicht
direkt bedecken. Dennoch ist diese Passage für Konstanze Zwintz von der Universität Innsbruck von großem
Interesse: Vermutlich ist ß Pictoris b von Ringen umgeben, so wie dies bei Saturn und anderen Planeten in
unserem Sonnensystem auch der Fall ist, die sich wiederum in kurzen und sehr geringen Helligkeitsänderungen
in der Lichtkurve nachweisen ließen. In Analogie zu unserem Sonnensystem erwarten die AstronomInnen die Existenz
von Monden in den Lücken zwischen solchen Ringen, deren Nachweis einen fulminanten Beitrag von BRITE-Constellation
zur Thematik erdähnlicher Himmelskörper darstellen würde. Nachdem weder der genaue Zeitpunkt der
Planetenpassage, noch deren Ablauf genau vorhersagbar ist, braucht es eine Instrumentation, die kontinuierlich
und mit höchster Präzision über viele Tage hindurch den Stern ß Pictoris beobachtet – und
das kann gegenwärtig nur BRITE-Constellation leisten.
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