Graz (idw) - Erstmals gelang es Forschenden der TU Graz und Med Uni Graz das dreidimensionale Wechselspiel von
Rotlichtrezeptoren und enzymatischen Effektoren funktionell zu charakterisieren. Die Ergebnisse mit Implikationen
für die Optogenetik wurden in "Science Advances" publiziert.
Genetisch modifizierte Zellen mittels Licht zu kontrollieren ist das Ziel der Optogenetik. Grazer Wissenschafterinnen
und Wissenschafter rund um Andreas Winkler vom Institut für Biochemie der TU Graz setzen einen Meilenstein
für die zukünftige Entwicklung neuartiger rotlichtregulierter optogenetischer Werkzeuge zur gezielten
Zellstimulation: Erstmals konnten sie in der Volllängenstruktur eines Rotlichtrezeptors molekulare Prinzipien
der Sensor-Effektor-Koppelung beobachten und detaillierte Mechanismen der Signalübertragung über große
Distanzen auf molekularer Ebene beschreiben. Die Forschungsergebnisse wurden nun im Open Access Journal Science
Advances publiziert.
Eine Helix als Lichtschalter
Um zu überleben, müssen sich Zellen und Organismen effizient neuen Umweltbedingungen anpassen. Dafür
sorgen modulare „Proteinbausteine“, die auf unterschiedlichste Weise miteinander wechselwirken und so zelluläre
Netzwerke ermöglichen, die eine Anpassung an veränderte Umgebungen erlauben. Die Sensoren, also „Empfänger“
von äußeren Reizen wie etwa Licht, sind zum Teil direkt an spezifische Effektoren gekoppelt, um gezielt
zelluläre Signalmoleküle je nach Bedarf zu aktivieren oder zu hemmen. In ihrer Arbeit präsentiert
die Grazer Forschungsgruppe, der neben Forschenden der TU Graz auch Wissenschafter der Med Uni Graz angehören,
nun molekulare Details eines rotlicht-empfindlichen Fotorezeptors, der an der Herstellung eines zentralen bakteriellen
Botenstoffes beteiligt ist, und beschreibt erstmals die Struktur eines Volllängen-Fotorezeptors im Zusammenspiel
mit seinem enzymatischen Effektor. Der Architektur und der Zusammensetzung des Verbindungsstückes, das Sensor
und Effektor miteinander verknüpft, kommt dabei in der Lichtregulation besondere Bedeutung zu.
TU Graz-Biochemiker Andreas Winkler, Leiter der Forschungsgruppe: „Mithilfe der Kombination aus Röntgenstrukturanalyse
und der Methode des Wasserstoff- Deuterium-Austauschs, bei dem strukturelle Dynamik und Konformationsänderungen
analysiert werden können, gelang es uns, die funktionellen Eigenschaften dieses helikalen Koppelungselements
besser zu verstehen. Wir konnten zeigen, dass es durch die Belichtung des Sensors mit Rotlicht zu einer rotationsähnlichen
Veränderung der Doppelwendel im Verknüpfungsbereich kommt, was wiederum Auswirkungen auf die enzymatische
Aktivität des angrenzenden Effektors hat.“ Damit konnten die Grazer Forschenden erstmals strukturelle Daten
zu einem rotlichtregulierten Volllängensystem ermitteln und molekulare Mechanismen der Signalübertragung
beschreiben.
Auf dem Weg zum rationalen Protein-Design
Die Forschung trägt dazu bei, die Modularität natürlich vorkommender Proteindomänen besser
zu verstehen und neue optogenetische Werkzeuge entwickeln zu können. In der Natur finden sich vielfältige
Kombinationen unterschiedlicher Sensormodule, etwa Rotlichtsensoren, Blaulichtsensoren oder pH-Sensoren mit teilweise
identen aber auch verschiedenen Effektoren. Daraus schließen die Forschenden, dass es molekulare Gemeinsamkeiten
in der Signalweiterleitung gibt, und dass somit rationale und völlig willkürliche Kombinationen von Sensoren
und Effektoren, die es so in der Natur nicht gibt, denkbar sind. Andreas Winkler: „Derzeit sind wir bei der Verwendung
direkt regulierter enzymatischer Funktionalitäten großteils noch auf natürlich vorkommende Systeme
limitiert. Langfristiges Ziel ist es, neue lichtregulierte Systeme zu generieren, welche die Beschränkungen
der Natur überwinden und für unterschiedlichste Anwendungen etwa in der Optogenetik interessant sind.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen
Schwerpunktfeldern der TU Graz. Beteiligte Forschende sind zudem Mitglieder von BioTechMed-Graz, einem Kooperationsprojekt
von TU Graz, Med Uni Graz und Uni Graz.
|