Nationalrat diskutiert Zukunft der EU; Gemeinsame Anträge zur Türkei und zu Angriffen
auf humanitäre Organisationen
Wien (pk) - Geht es nach den EU-Reformplänen von Außenminister Sebastian Kurz, soll in Europa
künftig das Subsidiaritätsprinzip weiter ausgebaut werden. Er will den EU-Ratsvorsitz 2018 nutzen, um
positive Impulse zur Weiterentwicklung der Union zu setzen, wie er am 01.03. im Nationalrat sagte. Es gebe u.a.
aufgrund der Flüchtlingskrise massive Spannungen innerhalb der Union, Fehlentwicklungen müssten dringend
gestoppt werden. "Ein Pro-Europäer engagiert sich dafür, Europa besser zu machen", argumentierte
er, konkret gehe es darum, in welchen Bereichen mehr oder weniger Europa gebraucht werde.
Mehr Union will Kurz in den "großen Fragen", etwa, wenn es Regelungen in der gemeinsamen Sicherheitspolitik
braucht. Weniger Europa bzw. mehr Entscheidungsspielraum für Nationalstaaten sollte aus seiner Sicht demgegenüber
in kleineren Bereichen eingeräumt werden bzw. dort, wo Staaten besser für sich selbst entscheiden können.
Angesprochen wurde vom Minister hier etwa die umstrittene Allergenverordnung. Der Fehler liegt Kurz zufolge aber
nicht nur an Brüssel sondern v.a. auch an diversen Eigeninteressen nationaler PolitikerInnen.
Kurz sprach sich vor den Abgeordneten außerdem erneut gegen eine Politik des unkontrollierten Zuzugs aus.
Die Schließung der Balkanroute sei richtig gewesen, auch wenn es dort nach wie vor notwendig sei, gegen Schlepper
anzukämpfen. Es sei aber ein Unterschied, ob 100 AsylwerberInnen pro Tag mit Hilfe von Schleppern versuchten,
an der Polizei vorbeizukommen, oder, ob täglich 15.000 AsylwerberInnen staatlich organisiert weitergewunken
werden.
Dass es heute in Europa wieder Grenzkontrollen gibt, habe eine "falschen Flüchtlingspolitik" bzw.
das "Weiterwinken der Flüchtlinge bis nach Mitteleuropa" zu verantworten. Er selbst werde sich weiter
dafür einsetzen, dass es ein Europa ohne Grenzen nach innen gibt. Das bedeutet für Kurz die Sicherung
der EU-Außengrenzen mit Personenregistrierungen bzw. den Stopp für illegale AsylwerberInnen.
Ausgangspunkt der Nationalratsdebatte mit dem Außenminister war der Außenpolitische Bericht 2015, der
mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien mehrheitlich angenommen wurde.
FPÖ: Masseneinwanderung ist Ursache für Probleme in Österreich
Massive Kritik an der Europäischen Union sowie an politischen Konzepten der NEOS und der Grünen in Asyl-
und Migrationsfragen kamen von der FPÖ. Für die Freiheitlichen arbeitet Außenminister Kurz mit
Überschriften, es gebe innerhalb der Koalition noch immer Realitätsverweigerung und zu viel Willkommenskultur.
Man zweifle daran, dass Kurz "seine harte Linie auch in die Realität umsetzt", sagte Andreas F.
Karlsböck von den Freiheitlichen.
Insbesondere Johannes Hübner (F) und Karlsböck attestierten den NEOS und den Grünen bzw. der Regierung
Realitätsverweigerung. Es werde so getan, als ob Masseneinwanderung und Asylmissbrauch u.a. mit der Verschlechterung
des Gesundheitswesens nichts zu tun hätten, so ihre Kritik. Zahlen, die besagen, dass AusländerInnen
viel mehr ins Pensionssystem einzahlen als sie entnehmen, seien zudem verzerrend.
Für Hübner ist "im Europäischen System der Wurm drinnen". Auch bei Phrasen, wonach das
europäische Konzept gestärkt werden müsse, handle es sich um Realitätsveweigerung. Zudem würden
solche Aussagen im Konflikt zu den Reformplänen von Kurz stehen. "Dieses Konzept ist strolzianisch",
meinte Hübner. Sein Fraktionskollege Reinhard Eugen Bösch räumte ein, dass Kurz zumindest erkannt
habe, dass die Union ohne Reformen am Abgrund stehe. Die Institutionen hätten in ihrer ganzen Breite versagt,
woran es aus seiner Sicht mangelt, ist "vernünftige europäische Politik".
Hübner befürchtet in Österreich oder Deutschland ähnliche Vorkommnisse wie in Frankreich bzw.,
dass sich Europa in eine Exklave der Dritten Welt verwandelt. Die Schuld sieht er v.a. in den "völlig
versagenden EU-Institutionen". Ein ähnlich dunkles Szenario zeichnete Karlsböck. Die Flüchtlingsbewegung
drohe, "unseren Kontinent in seinen Grundfesten zu erschüttern". Die EU betreibe Beihilfe zur Schlepperei,
die Aufnahmekapazitäten seien aber bereits längst überschritten. "Es brodelt in der Gesellschaft",
so Karlsböck, der die Probleme Österreichs in Sachen Gesundheit und Arbeitsmarkt von AsylwerberInnen
verursacht sieht.
"Das System ist falsch, der ganze Grundgedanke", bekräftigte ebenfalls Wendelin Mölzer die
Position seiner Fraktionskollegen. Die FPÖ würde sich zur Europäischen Einigung bekennen, es brauche
aber eine Politik "für unsere Völker".
Angesprochen wurde von Mölzer zudem die jahrelange Forderung seiner Fraktion auf Anerkennung der deutschsprachigen
Minderheit in Slowenien. Es gebe dafür bereits eine Einigung im Parlament, nicht nachvollziehen konnte er,
warum der Außenminister keine stärkeren Bemühungen in diese Richtung erkennen lässt.
NEOS: Le Pen- und Trump-Virus werden von Koalition aufgegriffen
Dass die NEOS die Realität nicht akzeptieren wollen, sei nicht zutreffend, entgegnete Matthias Strolz (N)
den Freiheitlichen. Für seine Fraktion sei klar, dass die EU in der aktuellen Verfasstheit keinen Bestand
habe und sich weiterentwickeln müsse. Außerdem hätten die NEOS zahlreiche lebensnahe Vorschläge
zur Verhinderung unkontrollierter Binnenwanderung oder die Registrierung durch Fingerprints an den EU-Außengrenzen
eingebracht.
Strolz sparte zudem nicht mit Kritik an der Regierung. Die ehemaligen Europaparteien haben aus seiner Sicht den
"Le Pen- und Trump-Virus" aufgegriffen. "Das ist neonationalistischer Populismus Marke FPÖ
und AFD", kommentierte Strolz die aktuelle Regierungspolitik. Der NEOS-Klubchef rief dazu auf, das Miteinander
zu kultivieren und von politischen Konzepten des Grenz- und Mauerbaus wieder wegzukommen. "Europa und die
europäische Einigungsidee wird erwürgt durch nationalpolitische Logiken", meinte Strolz.
Auch aus Sicht Rainer Hables (N) agiert die Regierung zur Zeit unter dem Titel "Österreich zuerst".
Er bemängelte etwa die Pläne von Bundeskanzler Christian Kern, den Beschäftigungsbonus nur für
InländerInnen, nicht aber für EU-BürgerInnen einführen zu wollen. Das seien "nationalistische
und protektionistische Töne, wie wir sie von der FPÖ kennen", sagte der Abgeordnete und richtete
einen Appell an die Regierung, sich wieder für Europa zu bekennen. Die NEOS werden sich auf jeden Fall nicht
von einem gemeinsamen Europa abwenden, sondern für das Friedensprojekt eintreten, sagte er.
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Team Stronach: Sicherung der EU-Außengrenzen
Seitens des Team Stronach sprach sich Christoph Hagen (T) einmal mehr für die Sicherung der EU-Außengrenzen
aus. Kurz sei gefordert, auf Italien dahingehend Druck auszuüben. Die Idee, Österreich unattraktiver
für AsylwerberInnen zu machen, geht für Hagen außerdem zu Lasten der ÖsterreicherInnen. Das
würde nämlich bedeuten, den "Top-Sozialstaat" zurückzufahren. Er sieht eine Lösung
darin, in Nordafrika Wartecamps zu errichten.
Grüne: Harsche Kritik an politischer Linie von Kurz
Kurz' Linie in der Migrationspolitik wurde seitens der Grünen harsch kritisiert. Das Vorgehen der ÖVP
wirkt für Tanja Windbüchler-Souschill wie eine Anbiederung an die FPÖ, wie sie im Plenum klarmachte.
Es sei falsch, Grenzen im Namen der Sicherheit aufzuziehen. Ausgehend von den USA gehe es nur mehr um Mauer- und
Grenzbau in der Politik, bemängelte sie. Als Notwendigkeit erachtet es die Grüne, Menschen vor Ort in
den Krisenländern zu unterstützen.
Was der "frozen conflict" in der Ukraine betrifft, rief Windbüchler-Souschill zu tatsächlichen
friedenspolitischen Maßnahmen auf. Aus ihrer Sicht müssen sich Russland, die Ukraine und die EU für
Verhandlungen erneut an einen Tisch setzen. Handeln müsse die EU außerdem in Sachen Türkei. Die
Union sollte darüber nachdenken, Gelder, die der Türkei zur EU-Annäherung ausbezahlt werden, einzufrieren.
Ihre Fraktionskollegin Alev Korun meinte, dass die EU hinsichtlich der Türkei vor der Gretchenfrage stehe,
sich zwischen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Menschenrechte oder dem "schmutzigen Flüchtlingsdeal"
zu entscheiden. Sie sprach sich für eine aktive und nachhaltige Außenpolitik bzw. demokratische Nachbarschaftspolitik
Österreichs aus, die, mit Blick auf den Syrien-Konflikt, Korun zufolge viel früher ansetzen muss. Nach
der Kürzung des Welternährungsprogramms der UNO sei die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
mehrmals darauf aufmerksam gemacht worden, dass mit großen Fluchtbewegungen zu rechnen sei. Die Untätigkeit
der Ministerin und die Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung habe zu der damaligen Situation geführt.
Es müsse nach den Gründen gefragt werden, warum Menschen ihre Heimat verlassen. "Es sind pure Zufälle,
mit welcher Staatsbürgerschaft wir ausgestattet wurden", rief Korun ins Bewusstsein.
SPÖ: Ja zu einem starken Europa, aber mit starken nationalen Staaten
"Ein starkes Europa ja, aber mit starken nationalen Staaten", lautete das Credo Josef Caps von Seiten
der SPÖ, wenn es um die Zukunft Europas geht. Er sieht die Ursache für die "Massenwanderung"
in einem "gigantischen Wohlstands- und Sozialgefälle innerhalb der EU". Lösungen sind für
ihn deshalb insbesondere in wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu suchen. Sorge hat Cap außerdem, wenn
es um die USA geht bzw. die vom US-Präsidenten Donald Trump jüngst geäußerten Pläne zur
Aufrüstung des Atomwaffenarsenals. Hier müsse Europa mit Stärke und Übereinstimmung auftreten,
so Cap.
Viele NATO-Staaten sowie Russland würden sich im Moment auf eine gefährliche Spirale von Misstrauen und
Aufrüstung zubewegen, warnte außerdem Christine Muttonen (S). Österreich habe mit dem OSZE-Vorsitz
die Möglichkeit, wichtige Impulse in der gesamteuropäischen Sicherheitspolitik einzubringen. Wenn Ideen
des nationalen Egoismus und der militärischen Abschreckung wieder ernsthaft diskutiert werden, müsse
sich Österreich umso lauter für den Dialog und die friedliche Kooperation einsetzen.
Zu den Aussagen von Kurz, mit dem Durchwinken der Flüchtlinge habe man EU-Recht gebrochen, gab Gisela Wurm
(S) zu bedenken, dass diese Rechtskonformität auch für Menschenrechte gelten müsse.
Harald Troch (S) äußerte Kritik in Bezug auf die Russlandsanktionen. Davon seien 7.000 Arbeitsplätze
und ein Exportvolumen von 550 Mio.€ betroffen, sagte er und befürwortete die vom Außenminister, aber
auch vom Bundeskanzler und Vizekanzler eingeschlagene Linie, die Sanktionen schrittweise abbauen zu wollen, indem
man Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker-Abkommens belohnt. Troch hob auch die wichtige Rolle Russlands bei
einer Befriedung des Bürgerkriegslands Syrien hervor.
Im Mittelpunkt der Ausführungen von Hermann Krist (S) stand die Süd-Tirol-Politik. Österreich werde
den aktiven Dialog auf allen Ebenen weiterhin suchen und pflegen, stellte er fest. Er sei froh, dass die Befürchtungen,
die es wegen der geplanten Verfassungsreform in Italien gegeben hat, nach dem Referendum nicht eingetreten sind.
Man müsse aber weiterhin vorsichtig bleiben, mahnte er.
Dem Frauenthema widmete sich Gisela Wurm, die einmal mehr bedauerte, dass in den europäischen Parlamenten
die Frauen durchschnittlich nur mit 20% vertreten sind. Sie wies in diesem Zusammenhang auf eine Initiative des
Europarats hin und betonte in Richtung der Verhandler für eine Wahlrechtsreform in Österreich, sie hoffe,
dass dieses Thema nicht an den Frauen vorbei verhandelt wird. Wurm kann sich zur Hebung des Frauenanteils in politischen
Institutionen eine gesetzliche Quotierung sowohl in Form von Sanktionen als auch in Form von Anreizsystemen vorstellen.
ÖVP unterstützt EU-Reformpläne von Kurz
Lob für die Politik des Außenministers kam von den Abgeordneten der ÖVP. Reinhold Lopatka (V) unterstützt
die EU-Reformpläne von Kurz, wonach es auch für ihn in manchen Bereichen mehr, in manchen Bereichen weniger
Europa braucht. "Stark ist die EU nur dann, wenn die Natioanalstaaten stark bleiben", sagte Lopatka.
Supranationale Lösungen wünscht er sich für den Schutz der EU-Außengrenzen. Unter anderem
dort, wo es der EU wiederum nicht gelingt, Lösungen zu finden, müsse nationalstaatlich vorgegangen werden.
Nikolaus Berlakovich (V) meinte, dass Kurz gerade in der Frage der Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationskrise
europäische Politik gemacht habe. Die ÖVP würde sich zur europäischen Idee bekennen, die Union
müsse aber weiterentwickelt werden.
Inhaltliche Unterstützung der Linie von Kurz in der Migrationspolitik kam ebenfalls vom fraktionslosen Abgeordneten
Rupert Doppler. Die Zeit des Durchwinkens sei vorbei, sagte er. Die Folgen würden Österreich noch heute
stark belasten. Es gehe nicht darum, die Grenzen zu sperren, sondern um Kontrolle. Sowohl Doppler als auch ÖVP-Abgeordneter
Franz-Joseph Huainigg unterstrichen die Rolle Österreichs als Brückenbauer. Huainigg unterstützte
das Engagement des Außenministers in Bezug auf die Heranführung der Staaten des Westbalkans an die EU,
mit dem Ziel hier einen Stabilitätsgürtel zu bilden. Als eine wesentliche Aufgabe der Außenpolitik
bezeichnete Huainigg die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und des Dialogs. In diesem Zusammenhang
würdigte er auch den Einsatz der NGOs und rief auch zu privatem Engagement auf. Der ÖVP-Politiker machte
sich einmal mehr dafür stark, die Menschenwürde in der Verfassung zu verankern.
Claudia Durchschlag (V) thematisierte das österreichische Engagement im Zusammenhang mit der Resolution des
UN-Sicherheitsrats, um Frauen intensiver in Konfliktgebieten zu schützen und diese verstärkter in Friedensoperationen
einzubinden.
ÖVP und Team Stronach für Indexierung der Familienbeihilfe
Was die Kürzung der Familienbeihilfe für jene Kinder von in Österreich arbeitenden EU-BürgerInnen,
die im Ausland leben, betrifft, meinte Kurz, dass die Niederlassungsfreiheit nicht so interpretiert werden dürfe,
dass man vollen Anspruch auf Sozialleistungen habe.
Für den Plan der Regierung, der im jüngst geschnürten Fremdenrechtspaket umgesetzt werden soll,
fand Kurz die Unterstützung von Reinhold Lopatka (V) und Christoph Hagen (T). Dezidiert dagegen stellten sich
Grüne und NEOS. Die Kürzungen würden ArbeitnehmerInnen aus der Europäischen Union treffen,
die wichtige und für Österreich notwendige Arbeit leisten, warnte etwa Tanja Windbüchler-Souschill
(G).
Beteiligung Österreichs an einer EU-Armee
Thema in der Debatte war auch die Schaffung einer EU-Armee. "Ich kann nichts mit einer europäischen Armee
anfangen", meinte dazu Cap von Seiten der SPÖ. Reinhold Lopatka (V) und Eugen Bösch (F) unterstützen
diese Idee.
Freilassung für inhaftierten Journalisten Deniz Yücel in der Türkei
Im Fall des inhaftierten "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel in der Türkei sprechen sich alle
Parteien in einer gemeinsamen Entschließung für die Freilassung inhaftierter Journalisten und Journalistinnen
aus. Zudem fordern sie die Bundesregierung auf, mit Nachdruck auf die Wiederherstellung einer pluralistischen Medienlandschaft
in der Türkei zu drängen.
In einer weiteren parteiübergreifenden Initiative verleihen die Abgeordneten ihrer großen Sorge wegen
der Angriffe auf medizinische Einrichtungen und humanitäre Organisationen in Konfliktregionen Ausdruck. Außenminister
Sebastian Kurz wird in diesem Zusammenhang ersucht, sich auf europäischer und internationaler Ebene und vor
allem auch in seiner Funktion als amtierender Vorsitzender der OSZE für einen besseren Schutz lokaler und
internationaler Helfer einzusetzen. Sie drängen zudem auf die Umsetzung der vom ehemaligen UNO-Generalsekretär
Ban Ki-Moon präsentierten Vorschläge zur Prävention von Angriffen auf medizinisches Personal und
deren Einrichtungen. Die Angriffe sollen nach Auffassung der Mandatarinnen und Mandatare auch unabhängig untersucht
und die Schuldigen bestraft werden. Die Verwendung von medizinischen Einrichtungen und geschützten Personen
als Tarnung und menschliche Schutzschilde stellen einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht
dar, unterstreichen die Abgeordneten in dem einstimmig angenommenen Entschließungsantrag.
Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit ihrem Vorstoß, die von der niederländischen Entwicklungsministerin
ins Leben gerufene Fundraising-Initiative "She Decides" mit einem finanziellen Beitrag zu unterstützen
und eine hochrangige Teilnahme an zukünftigen Konferenzen zu gewährleisten. Die Fundraising-Initiative
soll jene Finanzierungslücke schließen, die durch die Streichung der gesamten US-amerikanischen Entwicklungshilfegelder
für organisierte Gesundheitsversorgung, Beratung und Unterstützung für Frauen und Mädchen durch
die neue US-Administration entstanden ist.
Auch die Aufforderung der Grünen an die Bundesregierung und den Außenminister, alles zu unternehmen,
um Massenhinrichtungen in syrischen Gefängnissen zu stoppen, fand nicht die erforderliche Mehrheit. Für
die SPÖ ist dieser Antrag zu wenig ausgewogen, wie Harald Troch (S) erläuterte, da auch seitens des Islamischen
Staates Menschenrechtsverletzungen auf die grausamste Art erfolgen. Er schlug daher vor, im außenpolitischen
Ausschuss über einen gemeinsamen diesbezüglichen Antrag zu verhandeln.
Grüne wollen Handel mit Konfliktrohstoffen stoppen
Vom Außenpolitischen Ausschuss wandert ein Antrag der Grünen in den Wirtschaftsausschuss. Sie fordern
EU-weit verbindliche Kontroll- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen zur Verhinderung des Imports bzw. des
Weiterverkaufs von Rohstoffen aus Konfliktgebieten, um bewaffneten Gruppierungen in Kriegs- und Krisenregionen
den Geldhahn abzudrehen. Von den aktuell geltenden EU-Regelungen zur Verhinderung des Imports und Handels von Problemmineralien
sind derzeit nur Importeure von unverarbeiteten Rohstoffen betroffen. Geht es nach den Grünen, sollten diese
für die gesamte Verarbeitungs- bzw. Wertschöpfungskette gelten. Zur Zeit stehen Händler sowie Hersteller
von Endprodukten wie Smartphones oder Tablets in Sachen verantwortungsvoller Beschaffung nämlich nicht in
der Pflicht. Rohstoffe wie Zinn, Wolfram, Tantal oder Gold werden jedes Jahr im Wert von mehreren Millionen Euro
aus Konfliktregionen wie der Demokratischen Republik Kongo oder Zimbabwe in die EU importiert. 100 Kilogramm Gold
bedeute ein Ankauf von rund 7000 Gewehren in Konfliktgebieten, wie Tanja Windbüchler-Souschill (G) im Nationalrat
klarmachte. Die Zuweisung in einen anderen Ausschuss stieß bei ihr auf Unverständnis.
Leopold Steinbichler vom Team Stronach sah eine enge Verbindung zwischen Migration und europäischer internationaler
Politik in den Entwicklungsländern. Als Beispiel nannte er die Palmölproduktion und kritisierte scharf,
dass Europa der zweitgrößte Palmölimporteur und damit Verursacher von Hungersnot, illegalen Brandrodungen,
Umweltschäden und dadurch ausgelöste Migrationsströme sei. Europa nehme den Menschen damit die Überlebenschance,
weshalb er sich für eine Besteuerung von Palmölen und Palmfetten aussprach. Hier sei höchster Handlungsbedarf
gegeben, sagte er.
Ein entsprechender vom Team Stronach eingebrachter Entschließungsantrag, mit dem Ziel, eine Palmöl-
und Palmfettsteuer einzuführen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Steinbichler tritt in diesem Zusammenhang auch
für eine Zweckwidmung der aus dieser Steuer lukrierten Einnahmen für die heimische Landwirtschaft und
den Schutz heimischer KonsumentInnen ein.
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