Rohstoffreiche Zinkwand mit unterirdischer Verbindung vom Lungau in die Obersteiermark
Salzburg (lk) - Warum der erste Tauerntunnel keine 300 Meter lang ist, mit der Himmelskönigin zu tun
hat und nicht nach Kärnten führt, warum in der Lungauer Zinkwand vieles, nur kein Zink zu finden ist
und welcher Afrikaner vor mehr als 200 Jahren Bergbau-Anteile hielt, bringt dieser Grenzfall aus der gleichnamigen
Serie ans Licht.
Jahrhundertelang mussten sich südwärts Reisende über die Tauernpässe bemühen, um den Alpenhauptkamm
zu überqueren. Seit 1975 rauscht der Verkehr durch erst einen, seit 2011 durch zwei Röhren des Tauerntunnels
in den Lungau und durch den Katschbergtunnel nach Kärnten. Verbindungen von Salzburg durch die Alpen gibt
es schon länger. Aber auch der 8.371 Meter lange, zweigleisig ausgeführte Eisenbahntunnel von Böckstein
am Ende des Gasteinertals ins Kärntner Mallnitz ist nicht die erste unterirdische Querung des Alpenhauptkamms.
Ein Berg voller Löcher
Wahrscheinlich waren es bereits Kelten und Römer, mit Sicherheit aber seit 1287 mittelalterliche Bergleute,
die Stollen in die Zinkwand im Gemeindegebiet von Weißpriach trieben und Berg und Umgebung wie einen Schweizer
Emmentaler durchlöcherten. Dabei wurden auch Stollen quer durch den Berg von der Lungauer zur steirischen
Seite getrieben und somit die erste unterirdische Verbindung durch den Tauernkamm geschaffen. Dieser erste, knapp
300 Meter lange "Tauerntunnel" kann noch heute benutzt werden, wenn auch nur mit leichtem Gepäck.
Der Ruf der Bodenschätze
Warum der Aufwand, in rund 2.300 Metern Seehöhe mühsam Löcher in den Fels zu graben? Mehr als 70
Minerale, darunter Silber, Kupfer und Blei sowie das begehrte Kobalt und Nickel, die bis nach dem Ersten Weltkrieg
ausgebeutet wurden, machten aus der Zinkwand und ihren Bergnachbarn begehrte Rohstofflagerstätten, deren Abbau
sich trotz der unwegsamen Abgeschiedenheit lohnte. Zink gibt in der Zinkwand nicht, wohl aber die charakteristische
Form des Gipfels, von der der Berg – früher auch Zinkenkogel genannt – seinen Namen hat.
Exotischster Gewerke, also Teilhaber am Bergbau, war der aus Afrika nach Wien als "Hochfürstlicher Mohr"
verschleppte Angelo Soliman, der durch Glücksspiel reich geworden, 1767 und 1775 in den Schladminger Bergbau
für Kobalt und Schwefel investierte, aber keine Gewinne erzielte.
Hochalpine Bergbaureste
In jüngster Zeit wurden die Überreste des Bergbaus wieder zugänglich gemacht. Bergsteiger finden
nach einem anspruchsvollen Aufstieg, teilweise auf einem Steig an einer senkrechten Wand entlang, Schneekrägen
vor, also Steinmauern, die den Knappen einen lawinensicheren Zugang zu den Stollen ermöglichten. Nach dem
Einstieg auf Salzburger Seite führen zwei steile Leitern zur Knappenstube mit Guckloch aus der Felswand und
dann den Himmelsköniginnenstollen entlang in wenigen Minuten bis auf die steirische Seite.
Die Alpen lassen sich heutzutage weitaus bequemer unterirdisch durchqueren, für Abenteuerlustige und Geschichtsinteressierte
mit ausreichendem Zeitbudget ist die Zinkwand eine außergewöhnliche Alternative.
Kurioses über Grenzen hinweg
Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche
Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Bundeslandes. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich
seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie "Grenzfälle",
von der bereits vier Bücher erschienen sind. Band 4 kann im Webshop des Landes um 6,90 Euro bestellt werden, digitale Versionen aller vier Bände stehen
dort zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Einzelne Grenzfall-Artikel können jederzeit abgerufen werden.
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