Wien (wien.info) - „Nur eine Stadt, die gut zu ihren BewohnerInnen ist, ist auch gut zu ihren Gästen“,
bringt Tourismusdirektor Norbert Kettner die Motivation hinter der repräsentativen Befragung zur Tourismusgesinnung
der Wiener Bevölkerung auf den Punkt. „Städte stehen vor der Herausforderung, lebenswert für BewohnerInnen,
liebenswert für Gäste und profitabel für Unternehmen zu sein, wie die KollegInnen von Amsterdam
Marketing einmal sehr treffend formuliert haben. Wertschätzung des Tourismus bei der lokalen Bevölkerung
ist heute, wo jährlich über eine Milliarde Menschen ins Ausland reisen, ein Qualitätsfaktor. Er
funktioniert nur dann, wenn sie ihn als positiven Beitrag zum Wertschöpfungsprozess wahrnimmt. Der WienTourismus
versteht sich als Bindeglied zwischen Gästen und EinwohnerInnen und will sicherstellen, dass der Tourismus
weiterhin einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Stadt leistet.“
Erstmals wurde 2016 mit Befragungen in Monaten mit schwächerem und stärkerem Gästeaufkommen (Jänner
und Februar sowie Juli und August) die Einstellung von insgesamt mehr als 2.000 WienerInnen zu touristisch relevanten
Fragestellungen erhoben. Im Rahmen der Tourismusstrategie 2020 will Wien 18 Millionen Gästenächtigungen
erreichen. Die Untersuchung zeigt: Die WienerInnen tragen dieses strategische Wachstumsziel mit, mehr als drei
Viertel (77 %) bewerten es positiv. Lediglich 5 % haben Vorbehalte.
Wiener Gastfreundschaft: Kein Lippenbekenntnis
2016 wurden mit 6,9 Mio. Ankünften und 14,96 Mio. Nächtigungen je ein Viertel mehr gezählt als
noch fünf Jahre zuvor – die positive Einstellung der Wiener Bevölkerung zum Tourismus hat sich gegenüber
früheren Untersuchungen nicht signifikant verändert: Die überwiegende Mehrheit (92 %) findet, dass
Wien für TouristInnen im Sommer wie im Winter eine tolle Stadt ist. 90 % sind davon überzeugt, dass Wien,
seine EinwohnerInnen sowie Unternehmen vom Tourismus profitieren. Dass Wien für Reisende attraktiv ist, macht
82 % zu stolzen BewohnerInnen. Die Frage, ob sie sich durch TouristInnen im Alltag gestört fühlten, verneinen
ebenfalls 82 %. Drei Viertel (75 %) der BewohnerInnen sehen sich als Bestandteil der Tourismusdestination, die
den Eindruck der Gäste mitprägen. Rund eine von zehn Personen (12 %) fühlt sich durch TouristInnen
nicht mehr richtig zu Hause, von welchen auch überproportional viele zu den 8 % der BewohnerInnen zählen,
die den Kontakt mit TouristInnen als eher unangenehm empfinden.
89 % stimmen zu: Tourismus ist wichtiger Wirtschaftsfaktor
Die überwiegende Mehrheit der Befragten (89 %) bestätigt, dass Wiens Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
ist und bezeichnen ihn als Erfolgsgeschichte. Messen und Kongresse werden von 88 % als erfolgskritischer Faktor
im Tourismus identifiziert. Zwei Drittel (67 %) erkennen den Beitrag zum Wohlstand durch den Tourismus, 64 % der
Befragten sind der Meinung, dass der Tourismus in Wien ein attraktives Arbeitsumfeld darstellt. Die Aussage „Es
profitieren einzig die Hotels, die Gastronomie und die Museen vom Tourismus“ bestätigt weniger als ein Viertel
(24 %) der Befragten.
„Wiens Tourismuswirtschaft erbringt jährlich über 4 Milliarden Euro an Wertschöpfung, mit einem
Beitrag von rund 5 % zum Bruttoregionalprodukt, und bietet 90.000 Menschen einen Arbeitsplatz. Das Bewusstsein,
dass der Tourismus der Allgemeinheit nutzt und einen Wirtschafts- und Wohlstandsfaktor bedeutet, ist in der Wiener
Bevölkerung stark verankert. Nach dem Motto ‚Tu Gutes und sprich darüber‘ wollen wir dieses Verständnis
weiter vertiefen, weil Tourismus einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität der Stadt leistet, was schlussendlich
Grundlage für eine positive Tourismusgesinnung darstellt“, so Kettner.
Keine Kulissenstadt
Drei Viertel (75 %) der Wiener Bevölkerung besuchen auch selbst die Sehenswürdigkeiten und Museen
in der Stadt. „Kennzeichen eines nachhaltigen Tourismus ist, dass für Gäste keine potemkinschen Dörfer
gebaut werden. Die Hardware einer Stadt muss für Einheimische wie Gäste gleichermaßen attraktiv
sein – dann funktioniert es auch mit der Software – der Tourismusgesinnung – und dem Destinationserlebnis der Gäste“,
so Kettner. Hohe Zustimmung erhielt mit 79 % erwartungsgemäß die Fragestellung, ob Bedürfnisse
der Gäste und EinwohnerInnen zu erkennen und nachhaltig in Balance zu halten seien. „Aus diesen Rückmeldungen
lese ich einen Auftrag an Tourismuswirtschaft, Stadtentwicklung, öffentliche wie private Initiativen ab“,
so Kettner.
„Es gilt beispielsweise auf einen ausgewogenen Branchen-Mix in den Einkaufsstraßen, Vielfalt in den Erdgeschoßzonen
und sorgsamen Umgang mit dem öffentlichen Raum zu achten. Im Tourismusmarketing forcieren wir außerdem
niederschwelligen Zugang zu Wiens Top-Angeboten etwa im Kunst oder Kulturbereich, ohne aber deren Qualitätsstandards
zu senken, und führen auch den Einheimischen Institutionen von Weltrang vor Augen, die es ohne Tourismus nicht
in dieser Vielfalt geben könnte.“
Massentourismus derzeit keine Bedrohung
Wird konkret die Frage gestellt, ob Wien bereits überlaufen sei, sind sich die WienerInnen nicht ganz
einig: 40 % verneinen, 26 % stimmen zu, der Rest ist unentschlossen bzw. machte keine Angabe. Auffallend: WienerInnen,
die in den touristisch stärker frequentierten inneren Bezirken wohnen, antworteten dabei nicht wesentlich
anders als jene in den Außenbezirken. „Dass Wien heute großteils nicht als überfüllt wahrgenommen
wird, dafür können wir Otto Wagner danken, der schon 1893 beim Generalregulierungsplan für Wien
die Stadtstruktur einer 4-Millionen-Metropole vorsah“, erklärt Kettner. Der Vergleich macht sicher: „Während
im europäischen Durchschnitt der zehn nächtigungsstärksten Metropolen Europas – wohlgemerkt ohne
Paris und London, die vom Aufkommen her in einer eigenen Liga spielen – rund 11 Nächtigungen auf eine(n) EinwohnerIn
kommen, so sind es in Wien unterdurchschnittliche 8. Diese Fakten stützen die Wahrnehmung der WienerInnen,
dass die Stadt in Balance ist. Trotz der idealen Ausgangssituation sehen wir unseren strategischen Ansatz, auch
Attraktionen außerhalb des touristischen Zentrums zu forcieren, als wichtiges Tool für nachhaltiges
und qualitätsvolles Wachstum“, so Kettner. 66 % der Befragten stimmen zu, dass Verstärkung des touristischen
Angebots abseits der Hauptsehenswürdigkeiten sinnvoll ist.
Sharing Economy: Wachsende Sensibilität
Speziell die Vermietung von Privatwohnungen an Reisende in der Nachbarschaft der WienerInnen stellt aktuell
kein großes Problem dar – 59 % der Befragten verneinen, dass es sie stört, wenn Privatwohnungen in der
Wohnumgebung vermietet werden. Für 15 % ist dies ein Problem, 12 % machten dazu keine Angabe, 14 % stehen
dem neutral gegenüber. „Die Informationsoffensive der Stadt Wien zu Rechten und Pflichten der Anbieter kam
zu einem vorausschauenden Zeitpunkt – ein europaweites Best-Practice-Beispiel, das Spannungsfelder im Vorfeld verhindern
hilft, wie wir sie aus anderen Städten bereits kennen,“ so Kettner. Bei Fragen nach Themen, die bewegen, wurde
im Rahmen offener Antworten aber sehr wohl die Privatvermittlung über Webplattformen angesprochen, wenngleich
differenziert. „Im Sinne der Tourismusgesinnung halte ich es – soweit juristisch durchsetzbar – als weiteren Schritt
durchaus für überlegenswert, Privatleuten die Vermietung an Reisende ähnlich dem Londoner oder Amsterdamer
Modell künftig nur noch für einen beschränkten Zeitraum zu ermöglichen“, so Kettner. „Der Ursprungsgedanke,
seinen BesucherInnen ‚Luftmatratze und Frühstück‘ anzubieten, bliebe damit gewahrt – ein disruptives
Geschäftsmodell, das auf dem Rücken der BewohnerInnen ausgetragen wird, könnte dadurch entschärft
werden.“
Keine Alternative zur 3. Piste
Das strategische Ziel des WienTourismus, bis 2020 20 neue Direktflug-Verbindungen nach Wien zu schaffen, bedeutet
auch für WienerInnen mehr internationale Anbindung sowie mehr Möglichkeiten für komfortables Reisen
und wird demnach – konkret von mehr als drei Viertel der Wiener Bevölkerung (76 %) – positiv bewertet. Personen
mit neutraler oder negativer Einstellung gegenüber diesem Ziel machen 20 % der Befragten aus und nennen Umweltbelastung
und Fluglärm als Hauptgründe. „Am Bau der dritten Piste für den Flughafen Wien führt – nicht
nur aus touristischen Gesichtspunkten – mittelfristig kein Weg vorbei. Ich bedaure die durch das jüngste Urteil
entstandene neuerliche Verzögerung“, greift Kettner den stark kritisierten Gerichtsentscheid auf. „In Zeiten
globalen Standortwettbewerbs halte ich Maßnahmen, die keine Verbesserung der Umweltsituation, aber eine Verschlechterung
im Wettbewerb bedeuten, für riskant. Connectivity ist für Wirtschaft, Tourismus und Arbeitsplätze
erfolgsentscheidend. Ein Hub mit Bedeutung für Zentraleuropa, Österreich und Wien braucht ein Wachstumsszenario“,
so Kettner. „Wenn sinnvoll über eine Verringerung der Umweltbelastung diskutiert werden soll, rege ich an:
Schaffen wir doch die – konservativ geschätzten – 10 Millionen Leerkilometer im Jahr zwischen Wien und dem
Flughafen ab, indem wir Wiens und Niederösterreichs Taxilenkern endlich erlauben, bei der Retourfahrt auch
Gäste mitzunehmen.“
WienerInnen wollen Taxi-Qualität und Busbahnhof
Bei den Taxis sehen die Einheimischen Aufholbedarf – drei von vier WienerInnen (78 %) wünschen sich vermehrt
Schulung, Qualitätsstandards und -kontrollen der Wiener Taxibranche. „Auch eine einheitliche Optik als Qualitätsmerkmal,“
wiederholt Kettner eine mehrmals getätigte Forderung, „würde dafür sorgen, dass nicht nur Gäste,
sondern auch Einheimische die Taxis im Stadtverkehr von Weitem erkennen“.
Die Pläne der Stadt Wien zum zentralen Busbahnhof sehen rund zwei Drittel (63 %) als sehr wichtig bzw. wichtig
an. "Verständlich, denn der vor einigen Jahren neu gestartete Trend zu Fernbusreisen, das aktuelle Volumen,
starke Anbieter am Markt sowie das zu erwartende Wachstum in den kommenden Jahren bedeuten Handlungsbedarf“, erklärt
Kettner.
Donauufer mit Potenzial als Hot-Spot
Zwei Drittel (67 %) der WienerInnen sehen bei der Nutzbarkeit der Uferbereiche von Donau und Donaukanal Entwicklungspotenzial.
„Die Revitalisierung des Donaukanals etwa, die durch einzelne Initiativen bereits vor Jahren begonnen hat, würde
für alle einen Vorteil bedeuten: Ein durchgängiges Konzept mit einer Mischung aus Lokalen, öffentlichen
Flächen und konsumfreiem Raum hätte das Potenzial eine Flaniermeile nahe am Wasser zu schaffen, die von
WienerInnen und Gästen gleichermaßen genutzt und als Naherholungsraum ideal in eine Smart City passen
würde“, so Kettner.
Sonntagsöffnung: Bevölkerung sieht Bedarf für Tourismus
„Selbstverständlich haben wir die Bevölkerung auch zur Sonntagsöffnung befragt“, greift Kettner
eine langjährige Forderung der Wiener Tourismuswirtschaft auf. Hier zeigt sich ein geteiltes Bild mit Tendenz
zur Befürwortung: Bei der Frage „Welche Bereiche soll die Wiener Tourismuswirtschaft Ihrer Meinung nach in
den nächsten Jahren besonders vorantreiben?“ halten 50 % der Befragten die Öffnung von Geschäften
am Sonntag für den Tourismus ‚sehr wichtig‘ bis ‚wichtig‘, 19 % sind indifferent, 30 % lehnen sie ab.
Internationale Filmprduktionen nach Wien holen
Außerdem wünscht sich jede(r) zweite WienerIn (54 %) verstärktes Engagement bei internationalen
Filmproduktionen. „Leuchtstarke Hollywood-Produktionen wie ‚Mission Impossible‘ oder der Bollywood-Blockbuster
‚Ae Dil Hai Mushkil‘“ sind nur die Speerspitze jener Filmprojekte, die die Vienna Film Commission in jüngster
Zeit nach Wien holen konnte. Jeder in internationale Dreharbeiten investierte Förder-Euro fließt vierfach
zurück in die Stadt. Werbewert und Imagefaktor für Wien samt touristischer Zugkraft sind da noch gar
nicht eingerechnet. Wir unterstützen die Forderung der Vienna Film Commission: Wien braucht neben der bestehenden
kulturellen Filmförderung dringend eine eigene wirtschaftliche Filmförderung für internationale
Produktionen. Andere Städte überbieten sich mit Incentives für internationale Film, TV- und Internetproduktionen.
Wien läuft Gefahr, als Drehort für internationale Filmprojekte bald nicht einmal mehr in Betracht gezogen
zu werden“, weist Kettner darauf hin, dass hier Chancen vergeben werden.
Was den WienerInnen (nicht) gefällt - Spontane Antworten
Vielfalt gefällt, die WienerInnen schätzen den kulturellen Austausch, die Lebendigkeit, das bunte
Stadtbild, die Freundlichkeit und Neugierde der Gäste. Außerdem fördert der Tourismus ein breites
Angebot bei Kultur und öffentlichem Verkehr sowie die Renovierung und Instandhaltung von Sehenswürdigkeiten
und Gebäuden. Mehrheitlich weiß man auf die Frage mit offener Antwort Gutes zu berichten. „Die Stärke
unserer Untersuchung liegt aber auch darin, Einzelstimmen wahrzunehmen und Themen zu erkennen, die nur selten geäußert
werden – auch diese Stimmen werden gehört“, erklärt Kettner: Als negative Kritikpunkte (jeweils unter
10 Nennungen bei 2.018 Befragten) wurden etwa überfüllte Innenstadt, Ansammlung von Reisebussen, große
Reisegruppen sowie hinterlassener Abfall genannt. Vereinzelt wurde Angst vor größeren Menschenansammlungen
oder Kriminalität thematisiert.
Balance auf wissenschaftlicher Basis
Der WienTourismus beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit dem sensiblen Thema der Tourismusgesinnung.
„Ab sofort erfragen wir diese nicht mehr wie bisher nur alle fünf Jahre, sondern betreiben laufendes Monitoring
mit Ergebnissen auf jährlicher Basis, um kurzfristiger Erkenntnisse erlangen und gegebenenfalls auf Entwicklungen
noch schneller reagieren zu können“, kündigt Kettner an. Außerdem ermöglicht der WienTourismus
dem Tourismusfachmann Sebastian Ferrari ein vierjähriges Postgraduate-Studium an der MODUL University Vienna,
das sich verträglichem Tourismuswachstum in Städten widmet. „Als Auftrag- und Ideengeber erwarten wir
uns davon innovative Strategien, mit denen nicht nur Wien, sondern im Sinne des gegenseitigen Lernens Metropolen
in ganz Europa Wachstumsszenarien begegnen und diese aktiv gestalten können“, schließt Kettner.
Eckdaten der Untersuchung
Im Auftrag des WienTourismus führte die market Marktforschungs-Ges.m.b.H. & Co.KG von 12. Jänner
bis 4. Februar 2016 (n = 1.000 Personen) sowie von 18. Juli bis 19. August 2016 (n = 1.018 Personen) eine repräsentative
Umfrage unter der Wiener Bevölkerung ab 18 Jahren via Telefon- und Online-Befragung durch.
Tourismusstrategie Wien 2020
In der Tourismusstrategie Wien 2020 werden unter dem Leitmotiv „Global.Smart.Premium“ Wiens Ziele für
die kommenden Jahre formuliert. Im Zuge ihrer Erstellung kam neben der Wiener Tourismusbranche und einem internationalen
Fachbeirat im Rahmen eines Open-Innovation-Prozesses auch die Wiener Bevölkerung zu Wort.
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